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Familiennachzug: Corona-Krise trifft getrennte Familien hart
Geschlossene Botschaften, keine Termine: Der komplette Familiennachzug ist zum Erliegen gekommen. Zur ohnehin langen Trennung der Familien durch gesetzliche Einschränkungen und den Bürokratie-Dschungel bei Familiennachzug kommen erschwerend ad hoc-Maßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie hinzu.
In Folge der Maßnahmen, die die Bundesregierung zur Eindämmung des Coronavirus unternommen hat, wurden die meisten deutschen Auslandsvertretungen für Familiennachzugsangelegenheiten bis auf weiteres geschlossen: Es werden keine Termine für die Antragstellung mehr angeboten, keine angenommenen Anträge bearbeitet. Termine, die zwecks Antragstellung mit jahrelangem Vorlauf gebucht wurden, sind auf Eis gelegt.
Situation in den Flüchtlingslagern extrem schwierig
Die Angehörigen von hier als Schutzberechtigte anerkannten Geflüchteten überleben oft unter schwierigsten Bedingungen, ohne jegliche Schutzmaßnahmen und ohne ärztliche Behandlung als intern Vertriebene in ihren Herkunftsländern oder in Flüchtlingslagern der Nachbarländer (siehe Corona: UN-Hochkommissar besorgt über Millionen Flüchtlinge).
Corona-Krise: Familiennachzug rückt in weite Ferne
Diese Angehörigen hätten oftmals einen Anspruch auf ein Familienleben in Deutschland in Sicherheit und mit effizienter Gesundheitsversorgung. Betroffene haben viele Jahre in der Warteschlange gestanden, um endlich ihr Recht auf Familiennachzug wahrzunehmen. Deutsche Auslandsvertretungen konnten oft nur unter Inkaufnahme hoher Kosten und Risiken für ihre Sicherheit überhaupt erreichet werden. Für diese Menschen ist die Aussicht auf ein baldiges Wiedersehen mit ihren Familien erneut in weite Ferne gerückt.
Betroffene haben viele Jahre in der Warteschlange gestanden, um endlich ihr Recht auf Familiennachzug wahrzunehmen.
Selbst für Visainhaber*innen Einreise ungewiss
Es ist nicht einmal klar, ob die Angehörigen, die nach einem jahrelangen bürokratischen Verfahren ihre Visa erhalten haben, nun überhaupt einreisen dürfen: Die Bundesregierung hat eine Grenzschließung für alle Drittstaatsangehörigen verfügt – es sei denn, es liegen dringliche medizinische Gründe vor. Zwar können nach Angaben der Bundespolizei Personen einreisen, die triftige Gründe hierfür angeben. Ob es sich bei der Gruppe der Einreisenden, die im Rahmen des Familiennachzugs kommen, um Personen handelt, für die ein solcher triftiger Grund akzeptiert würde, ist jedoch unklar.
Kontingent bleibt unausgeschöpft
Ohnehin wird der Familiennachzug zu Schutzberechtigen seit Jahren seitens der Bundesregierung aus politischen Gründen torpediert, mal über gesetzliche Verschärfungen, mal über organisatorisches Versagen. So wird z.B. auch das monatliche Kontingent von 1.000 Visa beim Nachzug von Angehörigen der subsidiär Schutzberechtigten nicht erfüllt: Die deutschen Auslandsvertretungen erfüllten seit August 2019, also schon vor der Corona-Krise, diese Quote nicht mehr: Im Februar 2020 wurden beispielsweise nur 736 Visa ausgestellt.
Charterflüge für Hunderttausende…Urlauber*innen
Die Bundesregierung hat es auf der anderen Seite meisterhaft verstanden, rund 200.000 deutsche Urlauber*innen aus der ganzen Welt in organisierten Charterflügen nach Hause zu holen. Bei ein paar tausend Angehörigen von hier Schutzberechtigten, bei denen es um die Umsetzung ihres Grund- und Menschenrechts auf Familienleben geht, sind ebenso dringende Handlungen zu erwarten.
Es geht um Binnenvertriebene in Syrien, wo das Gesundheitssystem nach neun Jahren Krieg nicht mehr existiert, es geht um Vertriebene, die in selbst gebauten Hütten im Libanon verstreut ihr Leben fristen, es geht um tausende eritreische Flüchtlinge im Exil in Äthiopien und um somalische Flüchtlinge in Dadaab, dem größten Flüchtlingslager der Welt in Kenia, die ihr Recht auf einen Familiennachzug derzeit nicht realisieren können.
Zu fordern ist, dass Familienangehörige wie alle anderen EU-Angehörigen – ggf. unter Einhaltung aller epidemiebedingten Gesundheitsvorkehrungen wie Testung und Quarantänemaßnahmen – nach Deutschland einreisen können. Damit würde die Bundesregierung ihren humanitären Verpflichtungen gegenüber Geflüchteten und ihren Familienangehörigen in dieser schwierigen Zeit gerecht.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller hat ausgeführt, dass die Corona-Krise jetzt mit aller Härte die ärmsten Menschen in den Flüchtlings- und Krisenregionen treffe. Es geht um Binnenvertriebene in Syrien, wo das Gesundheitssystem nach neun Jahren Krieg nicht mehr existiert, es geht um Vertriebene, die in selbst gebauten Hütten im Libanon verstreut ihr Leben fristen, es geht um tausende eritreische Flüchtlinge im Exil in Äthiopien und um somalische Flüchtlinge in Dadaab, dem größten Flüchtlingslager der Welt in Kenia, die ihr Recht auf einen Familiennachzug derzeit nicht realisieren können.
Karim Alwasiti, Flüchtlingsrat Niedersachsen