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Viele Flüchtlingsfamilien sind schon seit Jahren getrennt - Corona verlängert die Leidenszeit nun noch. Foto: Stefan Wiegand auf Pixabay

Geschlossene Botschaften, keine Termine: Der komplette Familiennachzug ist zum Erliegen gekommen. Zur ohnehin langen Trennung der Familien durch gesetzliche Einschränkungen und den Bürokratie-Dschungel bei Familiennachzug kommen erschwerend ad hoc-Maßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie hinzu.

In Fol­ge der Maß­nah­men, die die Bun­des­re­gie­rung zur Ein­däm­mung des Coro­na­vi­rus unter­nom­men hat, wur­den die meis­ten deut­schen Aus­lands­ver­tre­tun­gen für Fami­li­en­nach­zugs­an­ge­le­gen­hei­ten bis auf wei­te­res geschlos­sen: Es wer­den kei­ne Ter­mi­ne für die Antrag­stel­lung mehr ange­bo­ten, kei­ne ange­nom­me­nen Anträ­ge bear­bei­tet. Ter­mi­ne, die zwecks Antrag­stel­lung mit jah­re­lan­gem Vor­lauf gebucht wur­den, sind auf Eis gelegt.

Situation in den Flüchtlingslagern extrem schwierig

Die Ange­hö­ri­gen von hier als Schutz­be­rech­tig­te aner­kann­ten Geflüch­te­ten über­le­ben oft unter schwie­rigs­ten Bedin­gun­gen, ohne jeg­li­che Schutz­maß­nah­men und ohne ärzt­li­che Behand­lung als intern Ver­trie­be­ne in ihren Her­kunfts­län­dern oder in Flücht­lings­la­gern der Nach­bar­län­der (sie­he Coro­na: UN-Hoch­kom­mis­sar besorgt über Mil­lio­nen Flücht­lin­ge).

Corona-Krise: Familiennachzug rückt in weite Ferne

Die­se Ange­hö­ri­gen hät­ten oft­mals einen Anspruch auf ein Fami­li­en­le­ben in Deutsch­land in Sicher­heit und mit effi­zi­en­ter Gesund­heits­ver­sor­gung. Betrof­fe­ne haben vie­le Jah­re in der War­te­schlan­ge gestan­den, um end­lich ihr Recht auf Fami­li­en­nach­zug wahr­zu­neh­men. Deut­sche Aus­lands­ver­tre­tun­gen konn­ten oft nur unter Inkauf­nah­me hoher Kos­ten und Risi­ken für ihre Sicher­heit über­haupt errei­chet wer­den. Für die­se Men­schen ist die Aus­sicht auf ein bal­di­ges Wie­der­se­hen mit ihren Fami­li­en erneut in wei­te Fer­ne gerückt.

Betrof­fe­ne haben vie­le Jah­re in der War­te­schlan­ge gestan­den, um end­lich ihr Recht auf Fami­li­en­nach­zug wahrzunehmen.

Selbst für Visainhaber*innen Einreise ungewiss

Es ist nicht ein­mal klar, ob die Ange­hö­ri­gen, die nach einem jah­re­lan­gen büro­kra­ti­schen Ver­fah­ren ihre Visa erhal­ten haben, nun über­haupt ein­rei­sen dür­fen: Die Bun­des­re­gie­rung hat eine Grenz­schlie­ßung für alle Dritt­staats­an­ge­hö­ri­gen ver­fügt – es sei denn, es lie­gen dring­li­che medi­zi­ni­sche Grün­de vor. Zwar kön­nen nach Anga­ben der Bun­des­po­li­zei Per­so­nen ein­rei­sen, die trif­ti­ge Grün­de hier­für ange­ben. Ob es sich bei der Grup­pe der Ein­rei­sen­den, die im Rah­men des Fami­li­en­nach­zugs kom­men, um Per­so­nen han­delt, für die ein sol­cher trif­ti­ger Grund akzep­tiert wür­de, ist jedoch unklar.

736

Visa wur­den im Febru­ar 2020 nur aus­ge­stellt – statt der vor­ge­se­he­nen 1000

Kontingent bleibt unausgeschöpft

Ohne­hin wird der Fami­li­en­nach­zug zu Schutz­be­rech­ti­gen seit Jah­ren sei­tens der Bun­des­re­gie­rung aus poli­ti­schen Grün­den tor­pe­diert, mal über gesetz­li­che Ver­schär­fun­gen, mal über orga­ni­sa­to­ri­sches Ver­sa­gen. So wird z.B. auch das monat­li­che Kon­tin­gent von 1.000 Visa beim Nach­zug von Ange­hö­ri­gen der sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­ten nicht erfüllt: Die deut­schen Aus­lands­ver­tre­tun­gen erfüll­ten seit August 2019, also schon vor der Coro­na-Kri­se, die­se Quo­te nicht mehr: Im Febru­ar 2020 wur­den bei­spiels­wei­se nur 736 Visa ausgestellt.

Charterflüge für Hunderttausende…Urlauber*innen

Die Bun­des­re­gie­rung hat es auf der ande­ren Sei­te meis­ter­haft ver­stan­den, rund 200.000 deut­sche Urlauber*innen aus der gan­zen Welt in orga­ni­sier­ten Char­ter­flü­gen nach Hau­se zu holen. Bei ein paar tau­send Ange­hö­ri­gen von hier Schutz­be­rech­tig­ten, bei denen es um die Umset­zung ihres Grund- und Men­schen­rechts auf Fami­li­en­le­ben geht, sind eben­so drin­gen­de Hand­lun­gen zu erwarten.

Es geht um Bin­nen­ver­trie­be­ne in Syri­en, wo das Gesund­heits­sys­tem nach neun Jah­ren Krieg nicht mehr exis­tiert, es geht um Ver­trie­be­ne, die in selbst gebau­ten Hüt­ten im Liba­non ver­streut ihr Leben fris­ten, es geht um tau­sen­de eri­tre­ische Flücht­lin­ge im Exil in Äthio­pi­en und um soma­li­sche Flücht­lin­ge in Dada­ab, dem größ­ten Flücht­lings­la­ger der Welt in Kenia, die ihr Recht auf einen Fami­li­en­nach­zug der­zeit nicht rea­li­sie­ren können.

Zu for­dern ist, dass Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge wie alle ande­ren EU-Ange­hö­ri­gen – ggf. unter Ein­hal­tung aller epi­de­mie­be­ding­ten Gesund­heits­vor­keh­run­gen wie Tes­tung und Qua­ran­tä­ne­maß­nah­men – nach Deutsch­land ein­rei­sen kön­nen. Damit wür­de die Bun­des­re­gie­rung ihren huma­ni­tä­ren Ver­pflich­tun­gen gegen­über Geflüch­te­ten und ihren Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen in die­ser schwie­ri­gen Zeit gerecht.

Bun­des­ent­wick­lungs­mi­nis­ter Gerd Mül­ler hat aus­ge­führt, dass die Coro­na-Kri­se jetzt mit aller Här­te die ärms­ten Men­schen in den Flücht­lings- und Kri­sen­re­gio­nen tref­fe. Es geht um Bin­nen­ver­trie­be­ne in Syri­en, wo das Gesund­heits­sys­tem nach neun Jah­ren Krieg nicht mehr exis­tiert, es geht um Ver­trie­be­ne, die in selbst gebau­ten Hüt­ten im Liba­non ver­streut ihr Leben fris­ten, es geht um tau­sen­de eri­tre­ische Flücht­lin­ge im Exil in Äthio­pi­en und um soma­li­sche Flücht­lin­ge in Dada­ab, dem größ­ten Flücht­lings­la­ger der Welt in Kenia, die ihr Recht auf einen Fami­li­en­nach­zug der­zeit nicht rea­li­sie­ren können.

Karim Alwa­si­ti, Flücht­lings­rat Niedersachsen