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Malmström-Vorschlag: 6.000 Euro pro Flüchtling – aber die Abschottung bleibt?

Die EU-Innenminister beraten heute in Luxemburg über die EU-Flüchtlingspolitik. Vor dem Treffen mahnte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström mehr legale Zugangswege für Flüchtlinge an und stellte den Mitgliedsstaaten 6000 Euro für jeden aufgenommen Flüchtling in Aussicht. Der Vorstoß wirkt verzweifelt.
Die EU-Kommissarin stelle für Menschen, die derzeit in Flüchtlingslagern leben, „6.000 Euro Unterstützung für die Aufnahme und Integration“ in Aussicht. Das kündigte Malmström im Namen der Europäischen Kommission an – offenbar um EU-Staaten dazu zu bewegen, Flüchtlinge aufzunehmen. Es brauche mehr legale Zugangswege für Flüchtlinge in die EU, so Malmström.
Das ist nicht falsch. Doch angesichts der Realität der Flüchtlingspolitik der EU und ihrer Mitgliedstaaten wirkt der Vorstoß verzweifelt: Jahrzehntelang wurden die legalen Zugangswege für Flüchtlinge in die EU mit EU-Mitteln systematisch verschlossen und die Staaten zur Flüchtlingsabwehr gedrängt.
Griechenland und Bulgarien: EU finanziert Grenzabschottung statt Hilfe für Flüchtlinge
Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke hervorgeht, zahlte die EU 2013 Bulgarien für die Verbesserung der Aufnahmebedingungen und des Asylverfahrens 750.000 Euro. Für Grenzschutzmaßnahmen wie etwa den Bau eines 30 Kilometer langen Grenzzauns zahlte die EU Bulgarien 2013 über 13 Millionen Euro. Das macht deutlich, wo die Prioritäten liegen.
Ein weiteres Beispiel: Griechenland erhielt 2012 über 20 Mal so viel Geld für die Flüchtlingsabwehr und Rückführung von Flüchtlingen und Migranten als für die menschenwürdige Aufnahme von Schutzsuchenden. Mit den Mitteln wurde nicht zuletzt die Abschottung der Evros-Grenze zur Türkei finanziert, die, ebenso wie die Bulgarisch-Türkische Grenze, für Schutzsuchende mittlerweile so gut wie dicht sind. Die Folge: Die Flüchtlinge weichen auf die lebensgefährlichen Fluchtrouten über das zentrale Mittelmeer oder die Ägäis aus.
Dublin-Verordnung: Noch immer gilt das Verursacher-Prinzip
Wie motiviert die EU-Randstaaten sind, Flüchtlinge abzuweisen, zeigen die völkerrechtswidrigen, oft gewaltsamen Zurückweisungen an den beiden Grenzen: Griechenland drängt Flüchtlinge auf offener See zurück, Bulgarien schottet die Grenze mit brutalen Push-Backs ab. So sehr diese schweren Menschenrechtsverletzungen auf das Konto der beiden Mitgliedstaaten gehen: Ihr Motiv ist eng mit der Asylzuständigkeitsverordnung der EU (Dublin III) verwoben. Denn in dieser gilt noch immer das Verschulder-Prinzip: Wer einen Flüchtling in die EU lässt, ist auch für das Asylverfahren zuständig und muss für Unterkunft und Verpflegung sorgen.
Freie Wahl für Flüchtlinge statt 6.000 Euro für die Mitgliedstaaten
Statt zu versuchen, Staaten mit 6.000 Euro pro Flüchtling dazu zu bringen, Aufnahmeplätze für Schutzsuchende zu schaffen, wäre so viel mehr gewonnen, würde der Anreiz für die Staaten wegfallen, Schutzsuchende abzuwehren. PRO ASYL und zahlreiche Partnerorganisationen fordern mit dem Memorandum „Freie Wahl für Flüchtlinge“: Asylsuchende sollen selbst bestimmen können, in welchem Land der EU sie den Asylantrag stellen und ihr Asylverfahren durchlaufen möchten. Flüchtlinge treffen rationale Entscheidungen: Sie gehen dorthin, wo ihnen die Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt am leichtesten fällt. Weder den Flüchtlingen noch den EU-Staaten ist gedient, wenn Schutzsuchende dort verharren müssen, wo es für sie keine Lebensperspektive gibt.
Legale Zugangswege schaffen!
Die EU muss die Aufnahmekontingente für syrische Flüchtlinge stark erhöhen. Von 28 EU-Staaten nehmen 14 Staaten keinen einzigen Flüchtling auf. Die restlichen Staaten haben zusammen 20.000 Plätze in Aussicht gestellt. Alleine im Libanon befinden sich 1,2 Millionen syrische Flüchtlinge, das sind 25 Prozent der Gesamtbevölkerung. Jetzt muss auch endlich die EU handeln. Über 100 Organisationen und bereits 10.000 Bürgerinnen und Bürger aus Deutschland und Europa appellieren an die politisch Verantwortlichen und fordern: Die EU-Staaten müssen sichere Wege für syrische Flüchtlingen nach Europa eröffnen, die brutalen Zurückweisungen an den EU-Grenzen beenden und es ermöglichen, dass Familien unbürokratisch zusammengeführt werden können.
Zur Petition der Kampagne „ Europe Act Now“
Flüchtlinge in Bulgarien: misshandelt, erniedrigt, im Stich gelassen (23.05.14)
Syrische Flüchtlingskrise: Schutzsuchende aufnehmen – Europas Abschottung beenden (21.05.14)
Aufnahme syrischer Flüchtlinge – Anträge für rund 80.000 Menschen liegen vor (14.05.14)
Völkerrechtswidrige Push Backs – europäische Komplizenschaft (07.11.13)
Memorandum: Freie Wahl für Flüchtlinge (07.03.13)