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Ein Euro für den Flüchtlingsschutz, 20 Euro für die Flüchtlingsabwehr

Bei einem informellen Ratstreffen diskutierten die EU- Innenminister über „Solidarität“ im Asylwesen. Nach Auffassung von PRO ASYL war schon das Diskussionspapier dazu verfehlt.
Die dänische EU- Präsidentschaft versuchte beim heutigen Treffen der EU- Innenminister in Kopenhagen mit einem Diskussionspapier Bewegung in die Frage einer „genuinen und praktischen Solidarität“ im Hinblick auf die europäische Flüchtlingspolitik zu bringen. War schon die am 2. Dezember 2011 vorgelegte Mitteilung der EU- Kommission über eine „verstärkte EU- interne Solidarität im Asylbereich“ kein großer Entwurf in Richtung mehr Solidarität, so ist die Tischvorlage der Präsidentschaft eine glatte Themaverfehlung: Es geht um bessere Kooperation und mehr Geld für die gemeinsame Flüchtlingsabwehr. Vorschläge, wie ein künftiges Aufnahmesystem für Asylsuchende in Europa fair und solidarisch gestaltet werden könnte, sucht man vergeblich.
Was die EU- Staaten als Beitrag zur Solidarität verbuchen, verdeutlicht eine Auflistung der EU- Finanzhilfen für die Mitgliedsstaaten: Griechenland erhält über 20 Mal so viel für die Flüchtlingsabwehr und Rückführung von Flüchtlingen und Migranten als für die menschenwürdige Aufnahme von Schutzsuchenden. In 2012 soll das Land 3.601.857 Euro aus dem Europäischen Flüchtlingsfonds erhalten, der Mittel zur Flüchtlingsaufnahme bereitstellt. Dem stehen 44.745.804 Euro aus dem Außengrenzen- Fonds und 37.357 612 Euro aus dem Rückkehrfonds gegenüber – also Mittel, die für die Flüchtlings- und Migrationsabwehr bereitstehen.
Seit nunmehr 13 Jahren baut die Europäische Union an einem gemeinsamen Asylsystem – das Ergebnis ist bis jetzt nicht mehr als ein asylrechtlicher Flickenteppich. Die EU- Staaten einigen sich zwar schnell bei der Flüchtlingsabwehr, verhalten sich aber bei der Aufnahme von Schutzsuchenden weiterhin als Konkurrenten in einem Wettlauf der nationalstaatlichen Schäbigkeiten.
Es muss endlich Schluss sein damit, dass Staaten im Innern die maßgebliche Verantwortung für den Flüchtlingsschutz an die Außengrenzstaaten abschieben. Notwendig ist ein humanitärer Verteilungsmechanismus, der die Bedürfnisse und familiären Bindungen des Schutzsuchenden in den Mittelpunkt stellt. Europa braucht ein gemeinsames Asylrecht, das Schutzsuchenden einen gefahrenfreien Zugang eröffnet, faire Asylverfahren und menschenwürdige Aufnahmebedingen europaweit durchsetzt. Europa braucht mehr Solidarität und mehr Menschlichkeit in der Flüchtlingspolitik. Die Debatte der EU- Innenministerin Kopenhagen hat zu diesen drängenden Fragen keinen Beitrag geleistet.
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