Jedes Jahr unterstützt PRO ASYL zahlreiche Geflüchtete. Unsere Kolleg*innen aus der Beratung helfen in aufenthaltsrechtlichen Fragen, mit dem PRO ASYL – Rechtshilfefonds leisten wir juristische Hilfe und wenn es nötig wird, machen wir öffentlich und politisch Druck. Getreu unserem Motto: Der Einzelfall zählt. Dazu zählten in diesem Jahr auch viele Schutzsuchende, die über die polnisch-belarussische Grenze in die EU kamen und die nun immer noch nicht in Sicherheit sind. Ihre Geschichten ähneln sich. Wir stehen diesen Menschen zur Seite:
Esra Hashem*
Esra Hashem lebt im Irak, sie ist Mutter von vier Kindern. 2017 distanziert sie sich vom Islam und weigert sich, einen Hijab zu tragen. Gemeinsam mit Freunden und Freundinnen schließt sie sich 2019 Demonstrationen gegen die Regierung an und muss miterleben, wie einige von ihnen ermordet werden. Ein Familienmitglied ist Führer einer Miliz, er entführt und foltert Esra. Gemeinsam mit ihrem Ehemann soll sie getötet werden. Die Familie flieht nach Belarus und versucht, von dort nach Polen auf EU-Territorium zu gelangen. Nach mehrfachen völkerrechtswidrigen Zurückweisungen geraten sie in Polen in Haft – unter brutalen Bedingungen. Esra tritt in den Hungerstreik. Nach Monaten kommt die Familie frei und schafft es nach Deutschland. Jetzt sollen sie wieder nach Polen abgeschoben werden. PRO ASYL unterstützt die Familie und versucht, die Abschiebung zu verhindern.

Omid Ghorbani*
Wegen angeblicher Beteiligung an Demonstrationen gegen das Mullah-Regime wird Omid Ghorbani inhaftiert, mehrfach verhört und geschlagen. Er fürchtet weitere Übergriffe und flieht aus dem Iran über Armenien nach Belarus. Dort gerät er in die gefährliche Situation an der belarussisch-polnischen Grenze. Bewaffnete belarussischen Einheiten nötigen ihn, einen Fluss nach Polen zu überqueren. Dort wird er aufgegriffen und trotz inständiger Bitte um Asyl von der polnischen Polizei zurück Richtung Belarus gezwungen. In einem zweiten Versuch schafft er es über die polnische Grenze und erreicht im Oktober 2021 Deutschland. Sein Asylantrag wird im April 2022 abgelehnt. Omid wird die Abschiebung in den Iran angekündigt. Das Klageverfahren wird von PRO ASYL begleitet.

Sepideh Bahrami*
Sepideh Bahrami wehrt sich gegen ihren brutalen Ehemann. Deswegen gerät sie in Konflikt mit ihrer Familie und wird vom streng religiösen Vater bedroht. Als Frau, die sich enschieden hat, das gewaltsame Diktat von Familie und Mullah-Regime nicht länger zu akzeptieren, muss sie weitere schwere Übergriffe befürchten. Daher flieht sie über die Türkei nach Belarus. Bei der Kontrolle durch die belarussische Grenzpolizei verschwindet ihr gesamtes Geld. Nach mehreren Versuchen schafft sie es nachts über die Grenze nach Polen und wird von der Polizei unter Einsatz von Waffen und Elektroschockern zurück nach Belarus gezwungen. Nach vielen gescheiterten Versuchen erreicht sie einen Monat später ausgehungert und entkräftet ein Sumpfgebiet auf polnischer Seite und findet dort Aufnahme und Hilfe bei einer Frau. Im Januar 2022 kommt Sepideh in Deutschland an. PRO ASYL steht ihr in ihrem Asylverfahren zur Seite.

Wael Khalaf*
Dass Abschiebungen nach Polen bittere Realität und eine reelle Gefahr sind, zeigt der Fall von Wael Khalaf*.
Wael floh im Herbst 2021 vor dem syrischen Bürgerkrieg. Er versuchte, über Belarus in die EU zu gelangen. Etwa 40 Minuten, erinnert sich Wael, schlugen dort belarussische Einheiten immer wieder auf ihn ein. Die Hiebe mit Schlagstöcken zielten vor allem auf das Becken und den Rücken des 39-jährigen. Als ihm der Grenzübertritt gelingt, greifen ihn polnische Grenzbeamte auf und bringen ihn zurück – zurück zu seinen Peinigern. Als Wael im Januar erneut die Grenze passiert, wird er monatelang inhaftiert. Aus Protest schließt er sich einem Hungerstreik an. Nach seiner Entlassung schafft er es nach Deutschland – aber sein Asylantrag wird hier als unzulässig abgelehnt. Trotz der schrecklichen Erlebnisse soll Polen für ihn zuständig sein. Die Misshandlungen während seiner Flucht verschaffen ihm einen Hüftschaden schwere Schmerzen, er befindet sich in psychiatrischer Behandlung. Trotz dieses geschwächten Zustandes wird er abgeschoben und ohne Versorgung oder Unterkunft von deutschen Grenzpolizisten vor dem Warschauer Flughafen ausgesetzt. Nur durch Interventionen kann eine erneute Verhaftung dort verhindert werden.
Mit unserer Einzelfallberatung und unserem Rechtshilfefonds unterstützen wir Menschen wie Esra, Omid und Sepideh. Mit unseren Partnerorganisationen in Griechenland, Kroatien, Ungarn oder Serbien recherchieren und dokumentieren wir Abschottung und Gewalt an Europas Grenzen. Und unser Advocacy-Team bringt Präzedenzfälle bis vor die höchsten Gerichte: Damit Menschenrechtsverletzungen nicht ungestraft bleiben und Flüchtlinge Gerechtigkeit erfahren.
Der Einsatz für schutzsuchende Menschen kostet Geld! Jede Spende hilft, jeder Beitrag ist eine wertvolle Unterstützung. Wir sagen schon jetzt: Herzlichen Dank!
*alle Namen aus Schutzgründen anonymisiert