An den EU-Außengrenzen sind Pushbacks an der Tagesordnung. Dabei handelt es sich um illegale Zurückweisungen von Flüchtlingen. Menschen, die in Europa um Asyl bitten wollen, werden einfach wieder auf die andere Seite der Grenze gebracht, oft unter Einsatz von Gewalt. Das ist menschenunwürdig und rechtswidrig. Während wir in Europa also Weihnachten feiern, sitzen Geflüchtete vor den EU-Grenzzäunen fest. Und erleiden ein Schicksal wie zuvor Sepideh, Omid, Esra oder Rohim*, die mittlerweile in Deutschland sind und von denen wir hier berichten.
Wir feiern Weihnachten – andere bleiben draußen
187 Kilometer, 49.000 Tonnen Stahl, messerscharfer Stacheldraht. Seit einigen Monaten steht eine neue Mauer an der EU-Außengrenze. Das furchteinflößende Hindernis zwischen Polen und Belarus sendet Flüchtlingen eine eindeutige Botschaft: »Achtung! Hier gibt es keinen Schutz. Niemand sollte versuchen, diese Grenze zu überwinden!«
Eine Erfahrung, die viele Geflüchtete machen müssen. Manche schaffen es nach vielen Versuchen endlich nach Europa. Wenn sie in Deutschland ankommen, haben sie Schreckliches erlebt und sind oft immer noch nicht in Sicherheit. PRO ASYL steht ihnen hier zur Seite – und erzählt ihre Geschichten.
Rohims Odyssee: »Ich war Nummer 87«
Einer von ihnen ist Rohim. Der 26-jährige afghanische Bauingenieur musste aufgrund seines politischen Engagements vor den Taliban fliehen. Auf seiner Flucht über Tadschikistan, Usbekistan, Kasachstan, Russland und Belarus erreicht er im August 2021 Polen. In der Hoffnung, nun endlich in Sicherheit zu sein, bittet er bei der Polizei um Asyl. Doch die verhaftet ihn und verschleppt ihn in der folgenden Nacht zurück auf die belarussische Seite. Dort setzt sie ihn zusammen mit anderen Asylsuchenden in einem Wald aus.
Monatelang willkürlich inhaftiert
Mehr als zwölf Stunden irren die Schutzsuchenden durch den Wald, dann erreichen sie ein Dorf auf der polnischen Seite. Wieder treffen sie auf die Polizei, wieder nimmt diese Rohim fest. Dieses Mal wird er Opfer einer brutalen, monatelangen willkürlichen Haft: »Wir wurden schlechter behandelt als Tiere. Jeder Flüchtling erhält eine Nummer. Ich war Nummer 87. Die Polizei sagte: ‚Es wird niemanden interessieren, wenn ihr hier sterbt‘.«
Die Polizei sagte: ‚Es wird niemanden interessieren, wenn ihr hier sterbt‘.
Nach sechs Monaten wird Rohim endlich entlassen – er flieht weiter nach Deutschland. Seit einiger Zeit lebt er nun in einer Flüchtlingsunterkunft in Baden-Württemberg. Gegenwärtig hat er große Angst, wieder nach Polen abgeschoben zu werden: Seine Erlebnisse dort – die nächtliche Verschleppung nach Belarus, die Unmenschlichkeit im Haftlager – haben ihn zutiefst traumatisiert.
Wir begleiten Rohim in seinem Verfahren, um eine Rückschiebung zu verhindern. Unsere Botschaft ist eindeutig: Flüchtlinge, die innerhalb der EU völkerrechtswidrig zurückgewiesen oder anderweitig drangsaliert und gedemütigt werden, brauchen unseren Schutz!
UPDATE 22.12.: Gute Nachrichten! Rohims Asylverfahren findet in Deutschland statt. Wir stehen ihm weiter zur Seite – denn er macht sich auch große Sorgen um seine Familie in Afghanistan. Seine Worte sind für uns auch Antrieb, weiter für die Aufnahme von gefährdeten Menschen zu kämpfen!
»Ich bin sehr glücklich, dass ich nicht mehr nach Polen abgeschoben werden kann und danke PRO ASYL & allen anderen von ganzem Herzen für die Unterstützung. Doch solange meine Frau und meine Familie nicht in Sicherheit sind, habe ich das Gefühl, gar nicht richtig da zu sein. Meine Sorgen um sie fressen mich auf.« (Rohim)
Mit unserer Einzelfallberatung und unserem Rechtshilfefonds unterstützen wir Menschen wie Rohim. Mit unseren Partnerorganisationen in Griechenland, Kroatien, Ungarn oder Serbien recherchieren und dokumentieren wir Abschottung und Gewalt an Europas Grenzen. Und unser Advocacy-Team bringt Präzedenzfälle bis vor die höchsten Gerichte: Damit Menschenrechtsverletzungen nicht ungestraft bleiben und Flüchtlinge Gerechtigkeit erfahren.
Der Einsatz für schutzsuchende Menschen kostet Geld! Jede Spende hilft, jeder Beitrag ist eine wertvolle Unterstützung. Wir sagen schon jetzt: Herzlichen Dank!