17.07.2013

Der Anteil an Asyl­su­chen­den in Abschie­bungs­haft wird immer grö­ßer. Asyl­su­chen­de wer­den bereits bei der Ein­rei­se im grenz­na­hen Bereich von der Bun­des­po­li­zei auf­ge­grif­fen und wäh­rend des soge­nann­ten Dub­lin-Ver­fah­rens inhaf­tiert, um sie dann in den zustän­di­gen EU-Staat abschie­ben zu kön­nen. Obwohl die Zahl der Abschie­bungs­häft­lin­ge ins­ge­samt rück­läu­fig ist, steigt daher der Anteil der in Haft genom­me­nen Asylsuchenden.

Das ist eines der zen­tra­len Ergeb­nis­se einer von PRO ASYL und dem Dia­ko­ni­schen Werk in Hes­sen und Nas­sau durch­ge­führ­ten Recher­che zur Abschie­bungs­haft in Deutsch­land. Die Resul­ta­te der Besu­che in 13 Abschie­bungs­haft­an­stal­ten wur­den heu­te im Bericht „Schutz­los hin­ter Git­tern“ veröffentlicht.

Ent­ge­gen der Aus­sa­ge des Bun­des­in­nen­mi­nis­ters, nach der in Deutsch­land Asyl­be­wer­ber grund­sätz­lich nicht in Haft genom­men wür­den, sind in grenz­na­hen Abschie­bungs­haft­an­stal­ten wie Rends­burg (Schles­wig-Hol­stein) oder Eisen­hüt­ten­stadt (Bran­den­burg) bis zu 90 Pro­zent der Inhaf­tier­ten Asyl­su­chen­de. „Dies ist völ­lig inak­zep­ta­bel“, so Marei Pel­zer von PRO ASYL, die die Stu­die mit­ver­fasst hat. „Vie­le der Asyl­su­chen­den sind trau­ma­ti­siert. Sie in Haft zu neh­men ist abso­lut unzumutbar.

Hin­sicht­lich der Bedin­gun­gen, unter denen Abschie­bungs­haft voll­zo­gen wird, hat die Recher­che einen Fli­cken­tep­pich offen­bart. Die Stan­dards sind höchst unter­schied­lich. „Wo Abschie­bungs­haft in Jus­tiz­voll­zugs­an­stal­ten voll­zo­gen wird, lei­den die Betrof­fe­nen unter den dort vor­herr­schen­den Restrik­tio­nen beson­ders – das zeigt der bun­des­wei­te Ver­gleich deut­lich“, sagt Uli Sex­tro, zwei­ter Autor der Stu­die und selbst als Bera­ter in der Abschie­bungs­haft­an­stalt Ingel­heim tätig. Der Bericht weist nach, dass mög­li­che Erleich­te­run­gen des Haft­auf­ent­hal­tes, etwa die Nut­zung des eige­nen Han­dys oder län­ge­re Besuchs­zei­ten, wie sie in geson­der­ten Abschie­bungs­haft­an­stal­ten, so auch in Ingel­heim, mög­lich sind, in Jus­tiz­voll­zugs­an­stal­ten in der Regel sehr viel stär­ker beschränkt sind.

Dass in man­chen Abschie­bungs­haft­an­stal­ten die Bedin­gun­gen für die Inhaf­tier­ten uner­träg­lich sind, zeigt der der­zei­ti­ge Pro­test in der Abschie­bungs­haft in Eisen­hüt­ten­stadt. Am dor­ti­gen Bei­spiel las­sen sich typi­sche Pro­ble­me der Abschie­bungs­haft zei­gen: Sozia­le Betreu­ung ist nicht vor­han­den, Dol­met­scher wer­den selbst dann, wenn es um gesund­heit­li­che Fra­gen geht, fast nie ein­ge­setzt. Die Inhaf­tier­ten blei­ben weit­ge­hend sich selbst über­las­sen, wodurch sich ihre ohne­hin psy­chisch ange­spann­te Situa­ti­on ver­schärft. Die oft­mals feh­len­de psy­cho­lo­gi­sche Betreu­ung von Abschie­bungs­häft­lin­gen ist unverantwortlich. 

PRO ASYL und die Dia­ko­nie haben dem Bericht einen umfas­sen­den For­de­rungs­ka­ta­log bei­gefügt, dar­un­ter die For­de­run­gen, Abschie­bungs­haft aus­nahms­los in geson­der­ten Anstal­ten zu voll­zie­hen, in den Län­dern eine bis­her feh­len­de gesetz­li­che Grund­la­ge für den Voll­zug der Abschie­bungs­haft zu schaf­fen, beson­ders Schutz­be­dürf­ti­ge wie Kin­der, Schwan­ge­re, psy­chisch Kran­ke, trau­ma­ti­sier­te und behin­der­te Per­so­nen grund­sätz­lich nicht in Haft zu neh­men. Das­sel­be for­dert die Stu­die für die Asyl­su­chen­den (sog. Dub­lin-Auf­griffs­fäl­le). Die Umset­zung der kon­kre­ten Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­ge kann jedoch aus Sicht der Orga­ni­sa­tio­nen nur ein Zwi­schen­schritt sein. Bei­de Orga­ni­sa­tio­nen for­dern den völ­li­gen Ver­zicht auf Abschiebungshaft.

Bericht „Schutz­los hin­ter Git­tern – Abschie­bungs­haft in Deutsch­land“ als Down­load (pdf)

 Anti­fol­ter-Stel­le rügt Abschie­bungs­haft (07.04.14)

 Mög­li­che EU-Rechts­wid­rig­keit in Sachen Abschie­bungs­haft: BGH ruft EuGH an (21.08.13)

 Abschie­bungs­ge­wahr­sam Eisen­hüt­ten­stadt: Min­des­tens vier Inhaf­tier­te im Hun­ger­streik (17.07.13)

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