Die Bundesanwaltschaft hat anlässlich der Verhaftung zweier mutmaßlicher syrischer Agenten angegeben, offenbar seien seit Jahren planmäßig syrische Oppositionelle ausgespäht worden. Was so brandneu klingt, ist – abgesehen von den jetzt konkret Verdächtigen – seit Jahren bekannt: die Bespitzelung von Syrern im Exil.
Doch lange Zeit wurde der Sachverhalt bagatellisiert und die Überwachung von syrischen Oppositionellen durch den Geheimdienst des Assad-Regimes einfach hingenommen – selbst noch, als dies aus einem internen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 29. Dezember 2009 deutlich hervorging.
Damals schilderte das Auswärtige Amt den Fall eines Syrers, der zwei Wochen nach seiner Abschiebung aus Deutschland nach Syrien vom Geheimdienst des Assad-Regimes festgenommen wurde. Der Vorwurf: er habe in Deutschland an einer der Demonstrationen gegen das deutsch-syrische Rückübernahmeabkommen teilgenommen.
Wenn aus Deutschland nach Syrien abgeschobene Menschen in Syrien wegen einer Demonstrationsteilnahme und der angeblichen Verbreitung falscher Nachrichten über Syrien angeklagt werden konnten, stellt sich dies zwangsläufig als Ergebnis einer intensiven Bespitzelung in Deutschland dar.
Diese Ende 2009 vorliegenden Erkenntnisse wurden in der Folgezeit bagatellisiert – ebenso wie die Tatsache, dass nach Angaben der Bundesregierung allein zwischen Januar 2009 und Juni 2010 14 aus Deutschland abgeschobene Flüchtlinge in Syrien umgehend von den syrischen Behörden inhaftiert und zum Teil gefoltert wurden.
Eine im Oktober 2009 nach Syrien abgeschobene Familie gab nach erneut gelungener Flucht nach Deutschland an, während der Verhöre in Damaskus nach Demonstrationsteilnahmen in Deutschland befragt worden zu sein. Ihnen seien Fotos solcher Demonstrationen vorgelegt worden. Das ist nur eine von vielen ähnlichen Schilderungen.
Sie genügten meistens nicht, um in Deutschland Asyl zu erhalten. Bis kurz vor Beginn des syrischen Bürgerkrieges waren Bundesamt und Verwaltungsgerichte zumeist der Meinung, den syrischen Behörden seien nur herausgehobene Oppositionelle bekannt und nur sie müssten bei der Abschiebung mit Verhören rechnen.
Noch im ersten Halbjahr des Jahres 2011 erhielten nur 20,4 Prozent der Flüchtlinge aus Syrien in Deutschland Schutz. Im Jahr 2010 lag die sogenannte Gesamtschutzquote, die die Summe aller positiven Entscheidungen angibt, für Flüchtlinge aus Syrien sogar nur bei 18 Prozent.
Wenn jetzt plötzlich syrische Agenten „entdeckt“ werden, so hat dies mit einem veränderten Blick auf das Assad-Regime zu tun. War Syrien noch bis in den Februar 2011 Absatzmarkt und Kooperationspartner im Nahen Osten, so scheint es aufgrund der veränderten politischen Lage jetzt offenbar opportun, ein vermutlich längst bekanntes Agentennetz „aufzudecken“ und mit dem syrischen Botschafter Klartext zu reden.
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