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EU schließt „Mobilitätspartnerschaft“ mit Tunesien
Gestern unterzeichneten die EU und Tunesien eine sogenannte „Mobilitätspartnerschaft“. Um Mobilität geht es in dem Abkommen jedoch nur am Rande. Tatsächlich geht es der EU darum, Abschiebungen nach Tunesien zu erleichtern und das Land in die Bekämpfung der sogenannten „Irregulären Migration“ miteinzubeziehen.
Schon kurz nach den Umbrüchen in Nordafrika hatte die EU angekündigt, mit den Ländern des südlichen Mittelmeerraums sogenannte Mobilitätspartnerschaften abschließen zu wollen. Mit Marokko kam es im Juni 2013 zur Unterzeichnung einer solchen Partnerschaft, gestern nun – am Rande eines Treffens der Innenminister der EU – mit Tunesien.
Zufrieden verkündete EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström, Ziel der Mobilitätspartnerschaft sei es, „den Personenverkehr zwischen der EU und Tunesien zu erleichtern und zur gemeinsamen, verantwortungsvollen Steuerung der vorhandenen Migrationsströme, insbesondere durch Vereinfachung der Verfahren zur Visa-Vergabe, beizutragen.“
„Immobilitätspartnerschaft“ für Flüchtlinge
Der Begriff Mobilitätspartnerschaft und die Rede vom erleichterten Personenverkehr sind jedoch trügerisch: Europas zentrales Interesse liegt darin, im Rahmen der Partnerschaft ein sogenanntes Rückübernahmeabkommen zu schließen, das Abschiebungen nach Tunesien erleichtert.
Auch die Stärkung der Kapazitäten der Länder im „Bereich Grenzmanagement, Dokumentensicherheit und Korruptionsbekämpfung, um irreguläre Migration weiter einzudämmen“ ist vorgesehen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken hervorgeht. Als Gegenleistung sollen für „bestimmte Personengruppen“ Visaerleichterungen verhandelt werden: „für tunesische Studierende, Hochschullehrer und Forscher zu Studien‑, Ausbildungs- oder Arbeitszwecken“. So wird mit Mobilitätsversprechen für privilegierter Gruppen der tunesischen Bevölkerung die Kooperation bei der Flüchtlings- und Migrationsabwehr erkauft.
Die Partnerschaft umfasst auch den Ausbau der Kapazitäten der tunesischen Behörden, „unter den Migranten in Tunesien diejenigen zu ermitteln, die Anspruch auf internationalen Schutz haben (…) und ihnen dauerhafte Möglichkeiten für den Schutz anzubieten.“ Die Mobilitätspartnerschaft verlagert die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz damit weiter in die südlichen Mittelmeeranrainer – in Länder, in denen zurzeit noch kein Schutzsystem für Flüchtlinge existiert. Ein Abkommen mit dieser Reichweite abzuschließen, obwohl grundlegende Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen noch nicht gewährt werden, hat für die Betroffenen fatale Folgen.
Flüchtlinge in Tunesien: Beispiel Choucha
Beispielhaft ist dafür das Flüchtlingslager Choucha an der libysch-tunesischen Grenze. Nach über drei Jahren ist die Verzweiflung der nach wie vor rund 300 in Choucha verbleibenden Flüchtlinge groß, die vor dem Bürgerkrieg in Libyen nach Tunesien geflohen waren. Tunesien solle sich um die Aufnahme der Flüchtlinge kümmern, so hieß es aus Europa. Schließlich sei ein „lokales Integrationsprogramm“ von der tunesischen Regierung in Zusammenarbeit mit UNHCR installiert worden.
Eine Aufnahmeperspektive bietet dieses Programm jedoch nicht: Noch immer verfügen die Flüchtlinge über keine Aufenthaltserlaubnis, ein Asylgesetz gibt es in Tunesien bisher nicht. Auch die finanzielle Unterstützung reicht nicht aus und rassistische Diskriminierung und Übergriffe gehören zum Alltag der Schutzsuchenden, so der Bericht einer Delegationsreise vom Januar 2014. Es ist zu befürchten, dass die Flüchtlinge aus Choucha zurück nach Libyen gehen, um von dort aus unter Lebensgefahr mit Booten Richtung Europa aufzubrechen.
IMK Osnabrück: Appell zur Aufnahme von Choucha-Flüchtlingen in Deutschland (05.12.13)
Choucha: Hunderte Flüchtlinge ohne Schutz in der Wüste (04.07.13)
Zurückgelassen und vergessen in Choucha – Flüchtlinge in bedrohlicher Lage (06.06.13)