15.08.2014
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Im Juni protestierenden Tausende Berlinerinnen und Berliner gegen die Räumung der von Flüchtlingen besetzen Gerhard-Hauptmann-Schule. Die Proteste sorgen dafür, dass die Polizei schließlich abzieht und es zu einer Einigung kommt. Doch die Zusagen an die Flüchtlinge werden vom Senat gebrochen. Foto: Roger Buer

Mit mehreren Zusagen hatte die Berliner Politik Flüchtlinge, die aus Verzweiflung und Protest in Berlin den Oranienplatz und eine leerstehende Schule besetzt hatten, zu einer Einigung bewegt. Doch die darin gegebenen Zusagen werden gebrochen. Einziger Lichtblick: Ein Flüchtlingsaktivist, der bereits in Abschiebungshaft saß, musste wieder freigelassen werden.

„Kei­ne Umver­tei­lung nach Ber­lin, kei­ne ein­zi­ge Auf­ent­halts­er­laub­nis, kei­nen Abschie­be­stopp“ – so beti­telt der Repu­bli­ka­ni­sche Anwalts­ver­ein (RAV) ges­tern eine Pres­se­mit­tei­lung, in dem er deut­li­che Wor­te für die Poli­tik des Ber­li­ner Senats fin­det: „Es ist offen­sicht­lich, dass die Betrof­fe­nen nur Spiel­ball der Poli­tik sind und es nie ein Inter­es­se an einer Lösung gab“. Erst kürz­lich hat­ten der Ber­li­ner Flücht­lings­rat, der RAV, PRO ASYL und vie­le ande­re zivil­ge­sell­schaft­li­chen Akteu­re sich mit einem offe­nen Brief an den Senat und den regie­ren­den Bür­ger­meis­ter Ber­lins gewandt und kri­ti­siert, das sich der Senat nicht an die mit den Flücht­lin­gen aus­ge­han­del­te Eini­gung hält.

Im März 2014 war nach lan­gen Ver­hand­lun­gen zwi­schen der Sena­to­rin Kolat im Auf­trag des Ber­li­ner Senats und Dele­gier­ten der Flücht­lin­ge ein „Eini­gungs­pa­pier Ora­ni­en­platz“ als „fried­li­che Lösung“ des Flücht­lings­pro­tests prä­sen­tiert wor­den. Das Eini­gungs­pa­pier ver­sprach den Betrof­fe­nen „auf Antrag eine umfas­sen­de Prü­fung der Ein­zel­fall­ver­fah­ren“, die „im Rah­men aller recht­li­chen Mög­lich­kei­ten erfolgt“, bei dem „die Aus­län­der­be­hör­de die Antrag­stel­le­rin­nen und Antrag­stel­ler bera­tend unter­stützt“ und dass „die Flücht­lin­ge […] Unter­stüt­zung und Beglei­tung bei der Ent­wick­lung ihrer beruf­li­chen Per­spek­ti­ven“ erhal­ten. Die Betrof­fe­nen sind so dazu gebracht wor­den, den Ora­ni­en­platz und die Schu­le zu räu­men und sich regis­trie­ren zu lassen.

Doch offen­sicht­lich dient das Vor­spre­chen der Flücht­lin­ge vom Ora­ni­en­platz bei den Behör­den allein zur Vor­be­rei­tung der Ableh­nung ihrer Anträ­ge oder deren Abschie­bung. Die Aus­län­der­be­hör­de erweckt zwar den Ein­druck, es gebe ein Ver­fah­ren auf Grund­la­ge des Eini­gungs­pa­piers –  erklärt die­ses jedoch zugleich als nich­tig. Dabei wur­de die Rechts­ver­bind­lich­keit durch ein vom Senat in Auf­trag gege­be­nes Gut­ach­ten bestätigt.

Einer der Akti­vis­ten vom Ora­ni­en­platz, Badra Ali Diar­ra, wur­de am 29. Juli 2014, obwohl er unter das Agree­ment fällt, in Abschie­bungs­haft genom­men. Für den mali­sche Flücht­ling sah sich die Aus­län­der­be­hör­de des Land­krei­ses Bör­de in Sach­sen-Anhalt zustän­dig, die ihn in Abschie­be­haft brach­te, um ihn nach Ita­li­en abschie­ben zu kön­nen. Obwohl den Betrof­fe­nen der Eini­gung, die aus ande­ren Bun­des­län­dern nach Ber­lin kamen, zuge­sagt wor­den war, Ber­lin über­neh­me die Zustän­dig­keit für sie, wur­de ihm die zuge­sag­te Umver­tei­lung nach Ber­lin und die anschlie­ßen­de Ein­zel­fall­prü­fung ver­wei­gert. Immer­hin: das Land­ge­richt Mag­de­burg befun­den, Ber­lin habe Diar­ra gegen­über den Anschein erweckt, für ihn zustän­dig zu sein und ord­ne­te an, den Flücht­ling aus der Abschie­bungs­haft zu ent­las­sen.

Der RAV for­dert den Senat auf, sofort einen Beschluss für die Flücht­lin­ge vom Ora­ni­en­platz zu fas­sen, der min­des­tens einen sofor­ti­gen Abschie­be­stopp für alle Flücht­lin­ge des Ora­ni­en­plat­zes und der Gehart-Haupt­mann-Schu­le ent­hält, eine Ertei­lung einer huma­ni­tä­ren Dul­dung für alle bis zum rechts­kräf­ti­gen Abschluss der Antrags­ver­fah­ren auf Ertei­lung einer Auf­ent­halts­er­laub­nis garan­tiert und zusagt, strikt die Mög­lich­kei­ten des Auf­ent­halts­ge­set­zes anzu­wen­den, die den Rechts­sta­tus der Per­so­nen zu Guns­ten der Betrof­fe­nen regeln.

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