04.07.2014
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Mit Kundgebungen, Demonstrationen und Sitzblockaden forderten Anwohnerinnen und Anwohner das Ende des Polizeieinsatzes gegen die Flüchtlinge. Der §23 wurde zum Symbol für die Forderung nach einem Bleiberecht für die Betroffenen. Foto: Christina Palitzsch

Der massive Widerstand der Bevölkerung hat die polizeiliche Räumung der von Flüchtlingen besetzten Schule in der Ohlauer-Straße gestoppt. Der Berliner Senat muss die derzeitige Ruhe nutzen und ein Angebot vorlegen, das die Flüchtlinge endlich vor einer Abschiebung schützt.

Die Erleich­te­rung war groß, als der tage­lan­ge Poli­zei­ein­satz zur Räu­mung der Ger­hard-Haupt­mann-Schu­le in Kreuz­berg schließ­lich abge­bla­sen wur­de.  Die Flücht­lin­ge unter­zeich­ne­ten eine Eini­gung mit dem Bezirk Ber­lin-Kreuz­berg, die ihnen unter ande­rem einen Ver­bleib in der Schu­le erlaubt. Wei­te­re Details sol­len noch final aus­ge­han­delt wer­den. Die Flücht­lin­ge haben jedoch ange­kün­digt, ihren Pro­test auf dem Dach des Gebäu­des fort­zu­füh­ren bis sie ein Blei­be­recht erhal­ten. Jetzt ist der Senat gefor­dert, die Situa­ti­on dau­er­haft zu entschärfen.

Seit Diens­tag letz­ter Woche hat­ten die Flücht­lin­ge umstellt von einem mas­si­ven Poli­zei­auf­ge­bot in der Schu­le aus­ge­harrt. Dann bean­trag­te der Bezirk die Räu­mung der Schu­le. Eine brei­te Soli­da­ri­täts- und Pro­test­be­we­gung hat­te sich in der Fol­ge rund um die Schu­le gebil­det. Mit Demons­tra­tio­nen, Blo­cka­den und Appel­len wur­de die Poli­tik zum Umden­ken bewegt.

Die Ruhe, die die Flücht­lin­ge, der Bezirk und die Ver­mitt­ler jetzt in die ange­spann­te Situa­ti­on gebracht haben, muss nun genutzt wer­den, bevor es zu einer erneu­ten Eska­la­ti­on kommt. PRO ASYL for­dert den Ber­li­ner Senat auf, den Flücht­lin­gen zunächst einen rechts­ver­bind­li­chen Schutz vor Abschie­bun­gen zuzu­si­chern. Bis­her ist dies nicht der Fall.

Der Ber­li­ner Senat hat­te am 18. März 2014 ein soge­nann­tes „Eini­gungs­pa­pier“ vor­ge­legt, wel­ches für die Pro­tes­tie­ren­den des mitt­ler­wei­le geräum­ten Camps am Ora­ni­en­platz und die Flücht­lin­ge aus der Ohlau­er­stra­ße gel­ten soll.

Das Kern­pro­blem: Zwar wird den Flücht­lin­gen zuge­si­chert, dass sie wäh­rend einer Prü­fung ihrer Ver­fah­ren nicht von den Ber­li­ner Behör­den abge­scho­ben wer­den, Behör­den aus ande­ren Bun­des­län­dern, die für die meis­ten der Flücht­lin­ge noch zustän­dig sind, kön­nen dies jedoch wei­ter­hin tun. So wur­de ein Mann aus dem Niger, für den das Eini­gungs­pa­pier gilt und für den Sach­sen-Anhalt zustän­dig ist, im Mai in Abschie­be­haft genom­men. Damit hat zum jet­zi­gen Stand kei­ner der Flücht­lin­ge die Sicher­heit, nicht abge­scho­ben zu werden.

PRO ASYL for­dert, dass der Ber­li­ner Innen­se­na­tor die Fäl­le, wie ver­spro­chen, aus ande­ren Bun­des­län­dern in die Ber­li­ner Zustän­dig­keit über­nimmt und eine min­des­tens ein­jäh­ri­ge huma­ni­tä­re Dul­dung aus­spricht. Von Beginn die­ses Zeit­raums an muss mit allen Mit­teln an auf­ent­halts­recht­li­chen Per­spek­ti­ven für die Betrof­fe­nen gear­bei­tet wer­den. Das Auf­ent­halts­recht hält hier viel­fäl­ti­ge Mög­lich­kei­ten bereit, sofern der poli­ti­sche Wil­le gege­ben ist. Wird ein sol­ches Ange­bot gemacht, bestehen rea­le Chan­cen auf eine dau­er­haf­te Problemlösung.

Eine nach­hal­ti­ge Ver­hand­lungs­lö­sung wird Zeit in Anspruch neh­men, denn zunächst muss zer­stör­tes Ver­trau­en wie­der auf­ge­baut wer­den. PRO ASYL unter­stützt die For­de­run­gen des Ber­li­ner Flücht­lings­ra­tes an den Senat, die bis­her gemach­ten Zusa­gen ein­zu­hal­ten. Bis­her haben nicht alle Betrof­fe­nen den zuge­si­cher­ten Unter­brin­gungs­platz erhal­ten, Kran­ken­schei­ne wer­den nicht aus­ge­stellt, kei­ner der ver­spro­che­nen Deutsch­kur­se ist bis­her gestar­tet und immer noch gibt es kei­nen effek­ti­ven Schutz vor einer Abschie­bung wäh­rend der Prü­fung der auf­ent­halts­recht­li­chen Verfahren.

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