27.06.2014
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Mehrere tausend Menschen demonstrierten gestern in Brüssel gegen die EU-Flüchtlingspolitik. Bereits im Mai war ein Protestmarsch zum EU-Gipfel gestartet. Foto: http://freedomnotfrontex.nl

In Brüssel ist heute das Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU zu Ende gegangen. Italien forderte vor dem Treffen die EU zu einer gemeinsamen Aktion zur Seenotrettung von Bootsflüchtlingen auf. Doch die EU-Staaten setzen auf ihre nationalstaatlichen Egoismen statt auf solidarisches Handeln.

“Ein Euro­pa, dass kala­bri­schen Fischern vor­schreibt wel­che spe­zi­el­le Tech­nik sie zum Fang von Tun­fisch benut­zen müs­sen, aber die Lei­chen im Meer igno­riert, kann sich nicht zivi­li­siert nen­nen“, erklär­te Ita­li­ens Minis­ter­prä­si­dent Matteo Ren­zi vor dem Tref­fen – nach dem Mot­to: Die EU regu­liert fast alles, aber wenn es um die Ret­tung von Men­schen­le­ben geht, ver­sagt sie. Schon seit Wochen for­dert Ita­li­en die EU auf, die ita­lie­ni­sche Ret­tungs­ak­ti­on „Mare Nos­trum“ zu zah­len bzw. sie in eine Ope­ra­ti­on der EU-Agen­tur Fron­tex umzuwandeln.

Rund 60.000 Schutz­su­chen­de wur­den im Rah­men der Ope­ra­ti­on „Mare Nos­trum“ im Mit­tel­meer geret­tet oder auf­ge­grif­fen und an Land gebracht. Ita­li­en bezif­fert die Kos­ten der Akti­on auf rund 9 Mil­lio­nen Euro monat­lich – auf­grund der Kos­ten steht die Ope­ra­ti­on des­halb in Ita­li­en mas­siv in der Kri­tik. Doch die EU will die Ope­ra­ti­on nicht über­neh­men: „Wir kön­nen Mare Nos­trum nicht sofort mit Fron­tex erset­zen – wir haben nicht das Geld dafür“, behaup­te­te Innen­kom­mis­sa­rin Ceci­lia Malm­ström. Ange­sichts der Aus­ga­ben der EU für Grenz­schutz­maß­nah­men eine frag­wür­di­ge Behauptung.

Indes­sen pro­gnos­ti­ziert das ita­lie­ni­sche Rote Kreuz einen wei­te­ren Anstieg der Flücht­lings­zah­len im Som­mer. Soll­te Ita­li­en, wie inner­halb Ita­li­ens viel­fach gefor­dert, die Ope­ra­ti­on Mare Nos­trum ein­stel­len oder zurück­fah­ren, dro­hen in die­sem Som­mer erneut hun­der­te Flücht­lin­ge zu ertrin­ken. Den­noch konn­ten sich die Staats- und Regie­rungs­chefs sich heu­te nicht dazu durch­rin­gen, eine euro­päi­sche Lösung zu ver­ein­ba­ren – und Ita­li­en ist zuzu­trau­en, dass das Land ernst macht und die EU mit dem Anstieg der Todes­zah­len im Mit­tel­meer erpresst.

Denn Ita­li­ens Reak­ti­on auf die unso­li­da­ri­sche Auf­tei­lung der Ver­ant­wor­tung für den Flücht­lings­schutz in der EU war und ist es, den Kon­flikt unter den EU-Staa­ten in zyni­scher Wei­se auf dem Rücken der Schutz­su­chen­den aus­zu­tra­gen: Ita­li­en ver­wei­gert Flücht­lin­gen nach ihrer Ret­tung in der Regel selbst das Nötigs­te und sorgt so dafür, dass den Schutz­su­chen­den nichts ande­res bleibt, als ille­gal in ande­re EU-Staa­ten zu fliehen.

PRO ASYL for­dert lega­le und siche­re Ein­rei­se­mög­lich­kei­ten für Flücht­lin­ge in die EU, ein zivi­les euro­päi­sches See­not­ret­tungs­sys­tem und eine grund­le­gen­de Reform der bis­he­ri­gen Asyl­zu­stän­dig­keits­re­ge­lung Dub­lin-III, die die Ver­ant­wor­tung für den Flücht­lings­schutz auf EU-Rand­staa­ten abschiebt, die die­ser nicht nach­kom­men. Euro­pa braucht eine soli­da­ri­sche Auf­nah­me­re­ge­lung, die die Bedürfnisse der Schutz­su­chen­den in den Mit­tel­punkt stellt.