News
Vom Aufnahmeland zum Abschiebeland: »Hau-Ab-Gesetz« tritt in Kraft
Das sogenannte »Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht« tritt am 29.07. in Kraft. Im Vorfeld wurde das Vorhaben von in der Flüchtlingsarbeit aktiven Verbänden und Organisationen scharf kritisiert. Ein Paket mit teils verfassungsbedenklichen Verschärfungen, mit denen Deutschland immer weiter vom Aufnahmeland zum Abschiebeland mutiert.
PRO ASYL, Kirchen, Wohlfahrts- und Fachverbände sowie weitere Organisationen aus der Flüchtlingsarbeit haben sich gegen das Gesetz ausgesprochen. (Eine Übersicht über die Stellungnahmen findet sich im Anschluss.) Die Kritik stieß auf taube Ohren. Wie so viele Asylgesetzverschärfungen der vergangenen Monate wurde auch das sogenannte »Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht« im Hauruck-Verfahren durchgepeitscht.
PRO ASYL nahm zum Gesetzentwurf kritisch und ausführlich Stellung. Im Besonderen ändert sich Folgendes:
Datenauslese der besonderen Art
Schon bei Stellung des Asylantrages werden die Asylsuchenden unter einen Generalverdacht gestellt, vorsätzlich getäuscht zu haben. Systematisch sollen bei rund der Hälfte aller Asylsuchenden die Handydaten ausgelesen werden. Damit entsteht eine massenhafte Auslesung noch vor Anhörung – ein faires Verfahren sieht anders aus. Dies ist ein tiefgreifender Eingriff in die Privatsphäre und aus Sicht von PRO ASYL und anderen Organisationen verfassungswidrig.
Das Gesetz schafft die rechtliche Grundlage für den gläsernen Flüchtling: Es muss befürchtet werden, dass nicht kontrolliert werden kann, ob auch private Daten wie Kontakte zu Anwält*innen, Ärzt*innen oder Unterstützer*innen abgegriffen werden. Während das Bundesverfassungsgericht bei der Entscheidung über den »Großen Lauschangriff« Eingriffe in die Privatsphäre ohne richterlichen Beschluss verboten hat, soll dies nun bei Asylsuchenden umgangen werden.
Zu befürchten ist, dass es dabei keineswegs bei Daten zur Feststellung von Staatsangehörigkeit und Identität bleiben wird. Schon bei der Sachverständigenanhörung vor dem Bundestag sprach das Bundesamt von der Prüfung materieller Angaben des Antragstellers. Inzwischen werden beim BAMF IT-Systeme getestet, mit denen etwa Fotos oder Spracheinstellungen in Handys von Flüchtlingen ausgewertet werden können. Eine Ausweitung auch auf Reisedaten ist auch zu befürchten vor dem Hintergrund der Verhandlungen der geplant Dublin-IV-Verordnung und den Bestrebungen der Bundesregierung, Überstellungen gemäß Dublin rigoros durchzusetzen.
Lagerpflicht für alle
Die Bundesländer werden ermächtigt, grundsätzlich alle Asylsuchenden bis zum Ende der Asylverfahren in Erstaufnahmeeinrichtungen festzuhalten. Dies verhindert Kontakte zu Ehrenamtlichen und UnterstützerInnen. Damit stehen sie sowohl bei der Anhörung, wo etliche Fehler passieren können, als auch bei der Abschiebung ohne Hilfestellung da. Wir müssen davon ausgehen, dass so viele Schutzsuchende nicht das Recht auf Asyl bekommen, das ihnen zusteht. Selbst Minderjährige werden von dieser Unterbringungsform nicht ausgenommen – das Kindeswohl bleibt auf der Strecke, damit wird schon gegen Völkerrecht und Europarecht verstoßen.
Überraschungsinhaftierungen und –abschiebungen
Personen, die sich über einen längeren Zeitraum geduldet in Deutschland aufhalten, sollen überraschend abgeschoben werden können – ohne vorherige Ankündigung. Bislang musste bei Duldungen von länger als einem Jahr die Duldung zunächst widerrufen und die Abschiebung mindestens einen Monat vorher angekündigt werden (einmonatige Widerrufsfrist bei Abschiebungen nach § 60a Abs. 5 AufenthG).
Diese Regelung im Aufenthaltsgesetz soll für bestimmte Personengruppen ersatzlos gestrichen werden und für Personen gelten, die angeblich durch Identitätstäuschung oder durch Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen an die Mitwirkung ihre Aufenthaltsbeendigung verhindert oder – laut Gesetzesbegründung – »verzögert« haben. Es bleibt insbesondere offen, ob es sich um eine aktuelle Täuschungshandlung handeln muss oder nicht. Auch der Begriff der »zumutbaren« Anforderungen ist nicht weiter konkretisiert. In der Praxis wird Flüchtlingen immer wieder ohne belastbare Begründung vorgeworfen, ihre Abschiebung selbstverschuldet verhindert zu haben. Die Regelung ist so unscharf formuliert, dass sie ein Einfallstor für Willkür sein kann.
Rechtsstaatswidriger Freiheitsentzug
Neben der Abschiebungshaft gibt es zusätzlich die Möglichkeit des Ausreisegewahrsams mit niedrigeren Anforderungen – der nun von vier auf zehn Tage verlängert wird. Die Betroffenen haben dann aber nur eingeschränkt Chancen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen um gegen die Abschiebung vorzugehen.
(beb/akr)
Weitere Stellungnahmen: