21.01.2025
Image
Schon 2015 hat Ungarn begonnen, die Außengrenzen aufzurüsten. Foto: picture alliance / dpa / Thomas Brey

Schutzsuchende sind in Ungarn gänzlich unerwünscht. Seit Jahren setzt das Land auf eine rigorose Praxis der Entrechtung und Gewalt. Betroffene können oft erst im Nachhinein in langwierigen Klageverfahren auf die Anerkennung der erlittenen Menschenrechtsverletzungen hoffen.

Gren­zen schlie­ßen, Leis­tun­gen kap­pen, Grenz­ver­fah­ren ein­füh­ren oder Asyl­ver­fah­ren doch gleich in ver­meint­lich siche­re Dritt­staa­ten aus­la­gern – die roten Lini­en in der Abschot­tungs­de­bat­te sind aktu­ell aus­ra­diert, der For­de­rungs­ka­ta­log der Hardliner*innen scheint gren­zen­los. Dabei wer­den das Grund­recht auf Asyl und die Men­schen­rech­te Schutz­su­chen­der aus unter­schied­li­chen Rich­tun­gen zur Dis­po­si­ti­on gestellt.

Ungarns Lang­zeit-Regie­rungs­chef Vik­tor Orbán ver­folgt seit fast einem Jahr­zehnt genau die­se men­schen­rechts­wid­ri­ge Abschot­tungs­po­li­tik. Regel­mä­ßig wird das Land dafür vom Euro­päi­schen Gerichts­hof für Men­schen­rech­te (EGMR) und vom Euro­päi­schen Gerichts­hof (EuGH) ver­ur­teilt. Die dar­aus resul­tie­ren­den Straf- und Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen gehen in die Mil­lio­nen­hö­he. Ungarn galt bis­her auch des­we­gen auf euro­päi­scher Ebe­ne als iso­liert. Doch der euro­päi­sche Rechts­ruck droht, die­se men­schen­rechts­wid­ri­gen Prak­ti­ken salon­fä­hig zu machen.

Ein Blick auf die unga­ri­sche Pra­xis zeigt die gra­vie­ren­den Kon­se­quen­zen des Über­bie­tungs­wett­be­werbs der Ver­schär­fun­gen für Geflüch­te­te. Die Abschot­tungs­po­li­tik Ungarns wird jedoch von der uner­schro­cke­nen Arbeit der PRO ASYL-Part­ner­or­ga­ni­sa­ti­on und des Stif­tungs­preis­trä­gers Hun­ga­ri­an Hel­sin­ki Com­mit­tee beglei­tet. Trotz Anfein­dun­gen und Kri­mi­na­li­sie­rung ste­hen sie ent­schlos­sen an der Sei­te Schutz­su­chen­der, set­zen sich für das Recht auf Schutz ein und beglei­ten Betrof­fe­ne in lang­wie­ri­gen Klageverfahren.

Legalisierung der Pushbacks

Ungarn ist abge­schot­tet. Gleich zwei Zäu­ne mar­kie­ren die Gren­ze zwi­schen Ser­bi­en und Ungarn, sie wer­den ver­stärkt von Sta­chel­draht und Elek­tro­nik. Das Signal ist klar: Hier kommt kei­ner rein! Schon lan­ge greift Ungarn zudem auf Gewalt zurück, um Geflüch­te­te nach Ser­bi­en zurückzudrängen.

Trotz mehr­fa­cher Ver­ur­tei­lung vor euro­päi­schen Gerich­ten ändert Ungarn nichts an der men­schen­ver­ach­ten­den Praxis.

Um die­se Push­back-Pra­xis zu lega­li­sie­ren, hat die unga­ri­sche Regie­rung im Jahr 2016 ein Gesetz erlas­sen, das Push­backs an der Gren­ze erlaubt, 2017 wur­de es auf das gan­ze Land aus­ge­wei­tet. Begrün­det wur­de das Gesetz mit einem Aus­nah­me­zu­stand als Reak­ti­on auf eine angeb­li­che soge­nann­te Mas­sen­mi­gra­ti­on. Auf Grund­la­ge des Geset­zes kann jede Per­son, die sich ille­gal in Ungarn auf­hält, nach Ser­bi­en ohne Über­prü­fung des Asyl­ge­suchs zurück­ge­schickt wer­den. Im Dezem­ber 2020 stell­te der EuGH in einem Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren die Rechts­wid­rig­keit die­ses Push­back-Geset­zes fest. Im Juli 2021 urteil­te der EGMR erst­mals, dass sowohl das Gesetz als auch die damit ver­bun­de­ne Pra­xis gegen die euro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on ver­sto­ßen. Es folg­ten vie­le wei­te­re Urteile.

98.000

Push­backs gab es im Jahr 2023 – das bestä­tigt die unga­ri­sche Regie­rung sogar offiziell

Den­noch sind Push­backs an der unga­ri­schen Gren­ze auch neun Jah­re nach der Geset­zes­in­itia­ti­ve wei­ter­hin All­tag. Ihre mehr­fach von euro­päi­schen Gerich­ten fest­ge­stell­te Rechts­wid­rig­keit hat dar­an bis­her nichts geän­dert – im Gegen­teil: Die unga­ri­sche Poli­zei ver­öf­fent­licht die Zah­len zu die­sen Push­backs sogar offi­zi­ell. Im Jahr 2023 wur­den 98.000 sol­cher Fäl­le registriert.

Da Ungarn an die­ser Pra­xis fest­hält, sind Geflüch­te­te gezwun­gen, lang­wie­ri­ge Kla­ge­we­ge zu durch­lau­fen, um zumin­dest die Aner­ken­nung des ihnen wider­fah­re­nen Unrechts durch­zu­set­zen. Die meis­ten Betrof­fe­nen haben jedoch kaum eine rea­lis­ti­sche Chan­ce, die­sen Rechts­weg zu beschrei­ten. Die PRO ASYL-Part­ner­or­ga­ni­sa­ti­on Hun­ga­ri­an Hel­sin­ki Com­mit­tee kämpft regel­mä­ßig für die Ent­schä­di­gung der Opfer von Push­backs – zuletzt erfolg­reich in einem Fall vor dem EGMR im Sep­tem­ber 2024.

M.D. und S.A. lern­ten sich nach der Flucht aus Afgha­ni­stan im Iran ken­nen, wo sie hei­ra­te­ten und vier Kin­der beka­men. Als die Situa­ti­on für afgha­ni­sche Geflüch­te­te im Iran zuneh­mend pre­kär wur­de, floh die Fami­lie nach Europa.

Im Janu­ar 2019 erreich­ten sie die Tran­sit­zo­ne in Röszke. Ihr Asyl­an­trag wur­de umge­hend abge­lehnt und sie erhiel­ten einen Aus­wei­sungs­be­scheid nach Ser­bi­en. Da Ser­bi­en die Auf­nah­me ver­wei­ger­te, droh­ten die unga­ri­schen Behör­den mit einer Abschie­bung nach Afghanistan.

Trotz der Ver­su­che vom UNHCR zu inter­ve­nie­ren, soll­te die Abschie­bung per Flug­zeug einen Tag nach Bekannt­ga­be durch­ge­führt wer­den. Auf­grund von Unru­hen in der Tran­sit­zo­ne wur­de die Abschie­bung nach Afgha­ni­stan abge­bro­chen, die Fami­lie wur­de statt­des­sen in einen Bus gesetzt, um sie nach Ser­bi­en abzuschieben.

Der ältes­te Sohn der Fami­lie, damals 17 Jah­re alt, wur­de aus dem Bus von sei­ner Fami­lie getrennt. Ohne Dol­met­scher oder Rechts­bei­stand wur­de er gezwun­gen, im Namen der gesam­ten Fami­lie ein Doku­ment zu unter­zeich­nen, in dem er erklär­te, sie wür­den »frei­wil­lig« nach Ser­bi­en aus­rei­sen. Die Fami­lie wur­de spät abends in der Dun­kel­heit auf ser­bi­scher Sei­te des Grenz­zauns aus­ge­setzt. Sie berich­te­te, dass sie kei­ne Ahnung hat­ten, wo sie sich zu dem Zeit­punkt befan­den, und dass es lan­ge dau­er­te, bis sie in Ser­bi­en Hil­fe fanden.

Am 19. Sep­tem­ber 2024 ver­ur­teil­te der EGMR Ungarn wegen Ver­sto­ßes gegen das Ver­bot der Kol­lek­tiv­aus­wei­sung zu einer Ent­schä­di­gungs­zah­lung in Höhe von 9.000 Euro. Mit Hil­fe des Hun­ga­ri­an Hel­sin­ki Com­mit­tee konn­te die Fami­lie eine Kla­ge ein­rei­chen und erfolg­reich gegen den Push­back vorgehen.

Der EGMR hat seit 2021 wie­der­holt fest­ge­stellt, dass Zurück­wei­sun­gen nach Ser­bi­en, die oft unter Anwen­dung von Gewalt und Täu­schung erfol­gen, eine Ver­let­zung der Men­schen­rech­te dar­stel­len, – ins­be­son­de­re des Ver­bots der kol­lek­ti­ven Aus­wei­sung. Das jüngs­te Urteil aus Straß­burg ver­deut­licht ein­mal mehr die Bru­ta­li­tät die­ser all­täg­li­chen Praxis.

Aushungern in den Transitzonen

Auch Opfer von unmensch­li­cher oder ernied­ri­gen­der Behand­lung beglei­tet das Hun­ga­ri­an Hel­sin­ki Com­mit­tee bis heute.

Von Sep­tem­ber 2015 bis Mai 2020 inhaf­tier­te Ungarn Geflüch­te­te in soge­nann­ten Tran­sit­zo­nen in Röszke und Tom­pa, ent­lang des durch­gän­gi­gen Grenz­zauns zu Ser­bi­en. Schutz­su­chen­de durf­ten ihre Asyl­an­trä­ge aus­schließ­lich in die­sen Tran­sit­zo­nen stel­len. Dort wur­de zunächst im Rah­men eines soge­nann­ten Grenz­ver­fah­rens die Zuläs­sig­keit des Asyl­an­trags geprüft Ab März 2017 wur­de das Ver­fah­ren auf das regu­lä­re Asyl­ver­fah­ren und das Rück­füh­rungs­ver­fah­ren aus­ge­wei­tet. Die Antrags­stel­len­den waren dort fak­tisch inhaf­tiert – ohne Rechts­grund. Von der Inhaf­tie­rungs­pra­xis wur­den Fami­li­en mit Kin­dern und unbe­glei­te­te min­der­jäh­ri­ge Kin­der und Jugend­li­che nicht verschont.

Im Jahr 2018 wur­de erst­mals bekannt, dass einer Per­son in der Tran­sit­zo­ne die Essens­ver­sor­gung kom­plett ver­wei­gert wur­de. Mit die­ser Pra­xis des Aus­hun­gerns soll­te eine schnel­le Aus­rei­se bewirkt und der Gang vor Gericht ver­hin­dert wer­den. Der Asyl­an­trag des betrof­fe­nen Fami­li­en­va­ters aus Afgha­ni­stan war zuvor als unzu­läs­sig abge­lehnt wor­den, da Ser­bi­en für ihn als siche­res Dritt­land ein­ge­stuft wur­de. Eine Ent­schei­dung, gegen die er Kla­ge ein­leg­te. Ungarn argu­men­tier­te, eine Essens­ver­sor­gung des Man­nes sei nicht län­ger not­wen­dig, da er jeder­zeit nach Ser­bi­en aus­rei­sen kön­ne. Dort wäre es ihm jedoch nicht mög­lich gewe­sen, sei­ne Kla­ge gegen die­se Ent­schei­dung wei­ter­zu­ver­fol­gen. Der Schutz­su­chen­de sah sich vor einer exis­ten­zi­el­len Wahl gestellt: Ent­we­der das Asyl­ver­fah­ren wei­ter­ver­fol­gen oder Nah­rung erhalten.

Ungarn scheu­te auch bei vie­len wei­te­ren Schutz­su­chen­den nicht davor zurück, sie in sol­che ver­zwei­fel­ten Situa­tio­nen zu bringen.

Denn die­ser Fall blieb kein Ein­zel­fall. In den fol­gen­den Jah­ren erstritt das Hun­ga­ri­an Hel­sin­ki Com­mit­tee ins­ge­samt in 24 Fäl­len für 34 Per­so­nen durch Eil­an­trä­ge vor dem EGMR die Ver­sor­gung in den Tran­sit­zo­nen. Den Betrof­fe­nen wur­de für Zeit­räu­me von einem bis zu acht Tagen das Essen verweigert.

Bis heu­te sind zahl­rei­che Fäl­le vor dem EGMR anhän­gig, bei denen das Hun­ga­ri­an Hel­sin­ki Com­mit­tee für die Aner­ken­nung und Ent­schä­di­gung für die­se und ande­re Rechts­ver­let­zun­gen kämpft.

Zwar schloss Ungarn bei­de Tran­sit­zo­nen im Jahr 2020, nach­dem der Zugang zum Asyl­ver­fah­ren durch ein neu­es Ver­fah­ren ver­hin­dert wur­de. Die Struk­tu­ren der Tran­sit­zo­nen sind jedoch wei­ter­hin vor­han­den. Für die Umset­zung der durch die GEAS-Refor­men vor­ge­se­he­nen Scree­ning- und Grenz­ver­fah­ren sind sie jeder­zeit reaktivierbar.

Die Mut­ter Z.L. floh mit ihrer Fami­lie, ihrem Mann und ihren fünf Kin­dern, aus Afgha­ni­stan, sie wur­de auf der Flucht von ihrem Mann und einem ihrer Kin­der getrennt. Im Dezem­ber 2018 erreich­te sie mit ihren vier ver­blie­be­nen Kin­dern die Tran­sit­zo­ne in Röszke, wo sie sofort einen Asyl­an­trag stell­te. Drei der vier Kin­der waren minderjährig.

Die Asyl­an­trä­ge aller Fami­li­en­mit­glie­der wur­den jedoch unmit­tel­bar mit der Begrün­dung abge­lehnt, dass Ser­bi­en einen siche­ren Dritt­staat für sie sei. Dies geschah trotz mehr­fa­cher Urtei­le des EuGH und EGMR, die die­se auto­ma­ti­sche Ein­stu­fung für rechts­wid­rig erklärt hat­ten. Die Fami­lie hat­te kei­ne Mög­lich­keit recht­lich gegen die­se Ent­schei­dung vor­zu­ge­hen. Da Ser­bi­en sich wei­ger­te, Z.L. und ihre Kin­der auf­zu­neh­men, wur­de der Fami­lie eine Abschie­be­an­ord­nung nach Afgha­ni­stan ausgestellt.

Nach drei Mona­ten im Fami­li­en­be­reich der Tran­sit­zo­ne wur­den Z.L. und ihre Kin­der unter noch här­te­ren Bedin­gun­gen in der soge­nann­ten »Ein­wan­de­rungs­ab­tei­lung« der Tran­sit­zo­ne inhaf­tiert. Dort wur­den der Mut­ter und ihrem 20-jäh­ri­gen ältes­ten Kind vier Tage lang die Essens­ver­sor­gung ver­wei­gert. Erst nach­dem das Hun­ga­ri­an Hel­sin­ki Com­mit­tee einen Eil­an­trag beim EGMR ein­ge­reicht hat­te, erhiel­ten sie wie­der Lebensmittel.

Die Fami­lie wur­de ins­ge­samt 17 Mona­te lang fest­ge­hal­ten, obwohl eines der Kin­der an einer schwe­ren Herz­er­kran­kung litt. Erst mit der Schlie­ßung der Tran­sit­zo­nen im Mai 2020 wur­de die Fami­lie in eine offe­ne Ein­rich­tung ver­legt. Die lan­ge Inhaf­tie­rung unter den unmensch­li­chen Bedin­gun­gen der Tran­sit­zo­ne hat­te schwer­wie­gen­de psy­chi­sche Fol­gen für die Familie.

Am 12. Sep­tem­ber 2024 ver­ur­teil­te der EGMR Ungarn wegen Ver­stö­ßen gegen Arti­kel 5 (Recht auf Frei­heit und Sicher­heit) und Arti­kel 3 (Fol­ter­ver­bot) der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on. Vier Jah­re nach ihrer wie­der­ge­won­ne­nen Frei­heit erreich­te das Hun­ga­ri­an Hel­sin­ki Com­mit­tee die Aner­ken­nung der Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen, die der Fami­lie in der Tran­sit­zo­ne wider­fah­ren waren, sowie eine Ent­schä­di­gung von 12.000 Euro durch den EGMR.

Heu­te lebt Z.L. mit ihren Kin­dern und ihrem Ehe­mann in Öster­reich. Die Fami­lie benö­tig­te nach ihrer Frei­las­sung inten­si­ve psy­cho­lo­gi­sche Unter­stüt­zung, um die trau­ma­ti­schen Erleb­nis­se zu verarbeiten

Asylverfahren in Drittstaaten 

Nach der Schlie­ßung der Tran­sit­zo­nen im Jahr 2020 soll­te der ein­zi­ge Weg für Geflüch­te­te nach Ungarn über Ver­fah­ren in den nicht-EU Staa­ten Ser­bi­en oder die Ukrai­ne füh­ren. Seit Mai 2020 müs­sen, neben weni­gen Aus­nah­men, nahe­zu alle Asyl­su­chen­den ein neu­es Bot­schafts­ver­fah­ren durch­lau­fen, um in Ungarn Schutz bean­tra­gen zu kön­nen. Die­se Ände­rung stell­te jedoch kei­nes­wegs eine Reak­ti­on auf die Ver­ur­tei­lun­gen Ungarns durch euro­päi­sche Gerich­te dar, son­dern wur­de offi­zi­ell mit der Coro­na-Pan­de­mie begrün­det, um die öffent­li­che Gesund­heit zu schüt­zen und der Aus­brei­tung von Covid-19 einzudämmen.

Um das Bot­schafts­ver­fah­ren zu initi­ie­ren, müs­sen Asyl­su­chen­de bei den unga­ri­schen Bot­schaf­ten in Kiew oder Bel­grad einen Ter­min ver­ein­ba­ren, um dort eine Absichts­er­klä­rung zur Asyl­an­trag­stel­lung ein­rei­chen zu kön­nen. Dar­auf folgt ein lang­wie­ri­ges und kom­pli­zier­tes Vor­prüf­ver­fah­ren. Theo­re­tisch kann nach die­sem Vor­prüf­ver­fah­ren bei einer der Bot­schaf­ten die Ein­rei­se nach Ungarn zum Zwe­cke der Durch­füh­rung des Asyl­ver­fah­rens gestat­tet wer­den. Erst dann wür­de das eigent­li­che Asyl­ver­fah­ren beginnen.

Die­ses Ver­fah­ren ist jedoch nicht dazu ein­ge­führt wor­den, den Zugang zum Asyl­ver­fah­ren für Schutz­su­chen­de zu ermög­li­chen. Es ist viel­mehr ein Mit­tel, um die­sen Zugang zu ver­hin­dern. Das Hun­ga­ri­an Hel­sin­ki Com­mit­tee wer­tet die ihnen vor­lie­gen­den offi­zi­el­len Sta­tis­ti­ken zu den Bot­schafts­ver­fah­ren regel­mä­ßig aus: In den letz­ten vier­ein­halb Jah­ren konn­ten sich nur 101 Per­so­nen an eine der Bot­schaf­ten wen­den, wobei nur 21 Ein­rei­se­er­laub­nis­se nach Ungarn für die Durch­füh­rung des Asyl­ver­fah­rens erteilt wur­den. Mit die­sem Pseu­do­ver­fah­ren ist der Zugang zum Asyl­ver­fah­ren in Ungarn fak­tisch ver­sperrt, wäh­rend die Push­back-Pra­xis wei­ter fort­ge­setzt wird.

Ein einmaliges Urteil des EuGH

Ange­sichts der Push­back-Pra­xis und der sys­te­ma­ti­schen Ver­hin­de­rung des Zugangs zu Asyl­ver­fah­ren hat die EU-Kom­mis­si­on mehr­fach Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren gegen Ungarn ein­ge­lei­tet. Zuletzt stell­te der Euro­päi­sche Gerichts­hof (EuGH) im Juni 2024 in einem ein­ma­li­gen Urteil fest, dass die Bot­schafts­ver­fah­ren und Push­back-Pra­xis Ungarns die Ein­heit des Uni­ons­rechts gra­vie­rend bedro­hen und schwer­wie­gen­de Aus­wir­kun­gen auf die Rech­te von Schutz­su­chen­den sowie auf das öffent­li­che Inter­es­se haben.

Der EuGH ver­ur­teil­te Ungarn zur Zah­lung eines Pau­schal­be­trags von 200 Mil­lio­nen Euro und eines Zwangs­gelds von einer Mil­li­on Euro pro Tag, solan­ge die bean­stan­de­ten Umstän­de nicht beho­ben werden.

Bei aller Kri­tik an der GEAS-Reform wür­de die­se im Ver­gleich zur aktu­el­len unga­ri­schen Pra­xis sogar eine Ver­bes­se­rung dar­stel­len. Dies unter­streicht umso mehr, wie men­schen­ver­ach­tend und unrecht­mä­ßig die der­zei­ti­ge Pra­xis dort ist.

Das Hun­ga­ri­an Hel­sin­ki Com­mit­tee hat die rechts­wid­ri­ge Pra­xis Ungarns in zahl­rei­chen Berich­ten doku­men­tiert und tritt wei­ter­hin vehe­ment für ein Ende der Push­backs und das Grund­recht auf Asyl ein. »Die­ses Urteil bedeu­tet hof­fent­lich das Ende der beschä­men­den Push­back-Pra­xis Ungarns. Die hohe Stra­fe ist die Fol­ge der bei­spiel­lo­sen Wei­ge­rung, das frü­he­re Urteil des Gerichts­hofs zu befol­gen«, kom­men­tier­te Ani­kó Bak­onyi vom Hun­ga­ri­an Hel­sin­ki Com­mit­tee das Urteil.

Ungarns Regie­rung wies das Urteil jedoch als inak­zep­ta­bel zurück und hält an der rechts­wid­ri­gen und men­schen­ver­ach­ten­den Pra­xis fest.

Bei aller Kri­tik an den abge­senk­ten Stan­dards im Umgang mit Asyl­su­chen­den und den gra­vie­ren­den Fol­gen der ver­ab­schie­de­ten GEAS-Reform wür­de die­se im Ver­gleich zur aktu­el­len unga­ri­schen Pra­xis sogar eine Ver­bes­se­rung dar­stel­len. Dies unter­streicht umso mehr, wie men­schen­ver­ach­tend und unrecht­mä­ßig die der­zei­ti­ge Pra­xis in Ungarn ist. Es ist daher wenig über­ra­schend, dass Ungarn sich wei­ger­te, die­sen Refor­men zuzu­stim­men. Daher ist auch zu befürch­ten, dass Ungarn an der bis­he­ri­gen Pra­xis fest­hal­ten und die Anwen­dung der ab 2026 gel­ten­den Ver­ord­nun­gen ver­wei­gern wird.

(ja)