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Tripolis, Lampedusa, Hamburg – kein Schutz, nirgendwo?
Rund 300 Flüchtlinge suchen Obdach und eine menschenwürdige Zukunft in Hamburg. Doch die Stadt lässt sie abblitzen.
Die Schutzsuchenden stammen aus Ghana, Togo, Nigeria und weiteren afrikanischen Ländern und hatten in Libyen gearbeitet.
Sie haben den Bürgerkrieg in Libyen und die lebensgefährliche Überfahrt nach Europa überlebt. Sie waren im Rahmen eines Notprogramms Nordafrika in italienischen Lagern untergebracht, vielleicht besser: geparkt. Und dann wurden die EU- Finanzmittel knapp und sie wurden auf die Straße gesetzt. Die italienischen Behörden haben ihnen einen humanitären Schutzstatus gewährt. Sie dürfen sogar arbeiten in Italien. Nur: In dem rezessionsgeplagten Land gibt es keine Jobs.
Elend und Obdachlosigkeit in Italien
Für Asylsuchende, für anerkannte Flüchtlinge, aber auch für diese Bürgerkriegsflüchtlinge bedeutet das defizitäre italienische Aufnahmesystem: Obdachlosigkeit, Elend und völlige Rechtslosigkeit. Das einzige, das die Regierung in Rom ihnen offeriert, ist ein Ausweisdokument mit einem humanitären Status – was ihnen zumindest eine dreimonatige Reisefreiheit im Schengengebiet eröffnet – und 500 Euro Rückkehrprämie.
Erst nach Protesten will Hamburg für Unterbringung sorgen
So kamen die Bürgerkriegsflüchtlinge nach Hamburg, wo sie seit Wochen obdachlos sind. Erst nach öffentlichen Protesten und Medienberichten sagte Senatssprecher Christoph Holstein den Flüchtlingen eine „humanitäre Lösung“ zu. Derzeit bemühen sich die Evangelische Kirche und Stadt gemeinsam um die Schaffung von eines Notquartiers.
Eine Aufenthaltsperspektive bietet Hamburg den Flüchtlingen nicht: Der Spiegel zitiert Sozialsenator Detlef Scheele mit den Worten, die Rückreise sei die einzige Option. „Die zu uns gekommenen Menschen aus Afrika haben hier grundsätzlich kaum Chancen, da sie hier – anders als in Italien – keine Arbeitserlaubnis haben“, zitiert das Hamburger Abendblatt den Senator. Nach dem Willen der Stadt sollen die Flüchtlinge nach Italien zurückkehren.
Die Flüchtlinge selbst fordern in einer Petition Wohnung, freien Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Bildung, medizinischer und sozialer Versorgung sowie die freie Wahl des Aufenthaltsortes bzw. Wohnortes innerhalb der EU. Sie informieren über sich in einem Blog und auf Facebook.
Debatte auf dem Rücken der Flüchtlinge
Unterdessen schieben sich Deutschland und Italien gegenseitig die Verantwortung für die Flüchtlinge zu. Wie im Frühjahr 2011, als nach Ausbruch des Bürgerkriegs in Libyen die ersten Boote aus Libyen und Tunesien in Italien und Malta ankamen, droht auch heute eine „europäische“ Debatte, die vor allem auf dem Rücken der betroffenen Flüchtlinge ausgetragen wird.
Im Jahr 2011 gab es keine europäische Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme aus Nordafrika – zwei Jahre später droht das Trauerspiel sich zu wiederholen. Nur mit dem Unterschied, dass die Elendsverhältnisse von Lampedusa sich in Richtung Norden verlagern – nach Hamburg, Berlin und anderswo.
Medienberichte: lampedusa in hamburg; the caravan; taz; ARD; Die Welt; Spiegel-online
Update: Nachdem die Stadt Hamburg ihre Hilfe für die Flüchtlinge an die Einwilligung zur Rückkehr nach Italien geknüpft hat, ist die Evangelische Kirche aus dem gemeinsamen Nothilfeprojekt mit der Stadt ausgestiegen und bietet den Flüchtlingen jetzt im Alleingang Schlafplätze in der St.-Pauli-Kirche.
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