15.12.2016
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Mit dem Asylbewerberleistungsgesetz wird seit Jahren die soziale Ausgrenzung von Flüchtlingen betrieben. Jetzt steht eine weitere Verschärfung bevor. Foto: flickr, Medien AG , CC BY-NC-SA 2.0

Und wieder wird am menschenwürdigen Existenzminimum für Flüchtlinge gesägt: Mit der geplanten Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) sind nochmalige gravierende Leistungskürzungen binnen weniger Monate geplant.

Am Frei­tag soll der Bun­des­rat über das drit­te Gesetz zur Ände­rung des Asyl­bLG end­gül­tig abstim­men (BR-Drs 713/16). Die Geset­zes­vor­la­ge sieht eine noch­ma­li­ge gra­vie­ren­de Kür­zung der Asyl­bLG-Leis­tun­gen vor. PRO ASYL hat­te über die Initia­ti­ve bereits im Sep­tem­ber berich­tet.

Sparen auf Kosten von Flüchtlingen

Allein­ste­hen­de in Gemein­schafts­un­ter­künf­ten wür­den qua­si »zwangs­ver­part­nert« und sol­len mit die­ser Begrün­dung nur noch 90% des Regel­sat­zes erhal­ten. Für sie soll ab 1. Janu­ar 2017 die eigent­lich für gemein­sam aus einem Topf wirt­schaf­ten­de Ehe­part­ner gedach­te Regel­be­darfs­stu­fe 2 gel­ten. Dass es sich bei den Men­schen in staat­li­chen Unter­künf­ten gera­de nicht um frei­wil­li­ge, enge Lebens­part­ner­schaf­ten, son­dern um Zwangs­ge­mein­schaf­ten han­delt, die in der Regel auch nicht gemein­sam haus­hal­ten, wird offen­sicht­lich ignoriert.

Kürzungen nicht mit Urteil des BVerfG vereinbar

Die mit einem rea­len Min­der­be­darf der Betrof­fe­nen nicht wirk­lich sach­lich begründ­ba­re Geset­zes­vor­la­ge wider­spricht nach unse­rer Ein­schät­zung klar dem Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 18.07.2012 zum Asyl­bLG, wonach »die Men­schen­wür­de migra­ti­ons­po­li­tisch nicht rela­ti­vier­bar« ist, das men­schen­wür­di­ge Exis­tenz­mi­ni­mum für Deut­sche und Aus­län­der glei­cher­ma­ßen sicher­zu­stel­len ist und migra­ti­ons­po­li­tisch moti­vier­te Kür­zun­gen am Exis­tenz­mi­ni­mum ver­fas­sungs­wid­rig sind.

Dem­ge­mäß argu­men­tiert auch der Aus­schuss für Arbeit und Sozia­les des Bun­des­ra­tes: »Die spe­zi­el­le (abge­senk­te) Bedarfs­stu­fe für Leistungsbezieher/innen in Gemein­schafts­un­ter­brin­gung, die nicht in einer Paar­be­zie­hung leben, basiert auf sach­lich nicht gerecht­fer­tig­ten Annah­men und ist aufzuheben.«

Leistungen für Flüchtlinge sinken immer weiter

Die Asyl­bLG-Leis­tun­gen wür­den noch wei­ter unter das Niveau des Arbeits­lo­sen­gel­des II (ALG II) bzw. des Regel­be­darfs­sat­zes des SGB II sin­ken. Ab 1. Janu­ar 2017 bekä­me ein Allein­ste­hen­der in einer Unter­kunft mit Selbst­ver­sor­gung nur noch 299 Euro im Monat, der ALG II-Regel­satz beträgt ab 1. Juli 2017 hin­ge­gen 409 Euro pro Monat. Auch die Taschen­geld­sät­ze bei Voll­ver­pfle­gung wür­den zum 1. Janu­ar 2017 erneut gekürzt.

Kürzungen dienen Abschreckung

Statt der vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt gefor­der­ten Anglei­chung des Leis­tungs­ni­veaus im Asyl­bLG an das ALG II zu ent­spre­chen, wird mit der geplan­ten Ver­schär­fung des Asyl­bLG erneut der Weg beschrit­ten, die Leis­tun­gen aus migra­ti­ons­po­li­ti­schen Grün­den, näm­lich der Abschre­ckung, zu kürzen.

Soziale Teilhabe für Flüchtlinge!

Dabei kann eine dis­kri­mi­nie­rungs­freie und ver­fas­sungs­kon­for­me Leis­tungs­ge­wäh­rung für Flücht­lin­ge aber nur in der Form erfol­gen, dass das Asyl­bLG ganz abge­schafft wird und Flücht­lin­ge in das sozia­le Siche­rungs­sys­tem nach dem Sozi­al­ge­setz­buch ein­ge­glie­dert wer­den. Dies wäre auch im Inter­es­se einer früh­zei­ti­gen gesell­schaft­li­chen Teilhabe.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum Gesetz­ent­wurf gibt es hier.

Update vom Frei­tag, 16.12.2016: Der von PRO ASYL, Flücht­lings­rä­ten und Wohl­fahrts­ver­bän­den scharf kri­ti­sier­te Gesetz­ent­wurf hat im Bun­des­rat kei­ne Zustim­mung gefun­den.

Die Ent­schei­dung des Bun­des­ra­tes ist zu begrü­ßen. Gleich­wohl ändert sie nichts an der grund­sätz­li­chen Kri­tik am Asyl­bLG als einem ins­ge­samt dis­kri­mi­nie­ren­den und aus­gren­zen­den Gesetz (sie­he dazu unse­re Pres­se­er­klä­rung von heu­te).