07.07.2014
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Mehrere hundert Menschen protestieren am 22.02.2014 in Dautphetal (Hessen) gegen rassistische Gewalt: Ihr Transparent verweist auf Angriffe auf eine Notunterkunft für Asylsuchende in Berlin-Hellersdorf, auf Attacken auf ein von Roma bewohntes Haus in Duisburg und auf einen Angriff in Wohratal (Hessen) am 12.01.2014, bei dem Jugendliche in eine Flüchtlingsunterkunft eindrangen, das Gebäude verwüsten und die Bewohnerinnen und Bewohner bedrohten. Foto: flickr / caruso.pinguin

Statistisch gesehen finden in Deutschland pro Woche fünf rassistische Kundgebungen oder Demonstrationen gegen Flüchtlinge statt. Zu Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte kommt es im Schnitt mindestens ein Mal pro Woche. Dies zeigt eine bundesweite Dokumentation der Amadeu Antonio Stiftung und PRO ASYL.

Das Mus­ter ist meist das­sel­be: Eine Flücht­lings­un­ter­kunft soll im Ort ein­ge­rich­tet wer­den, ein Teil der Anwoh­ne­rin­nen und Anwoh­ner hegt ras­sis­ti­sche Vor­ur­tei­le und fürch­tet um ihre Sicher­heit, Rechts­extre­me sehen ihre Chan­ce, sich als Beschüt­zer aus­zu­ge­ben. Allein im ers­ten Halb­jahr die­ses Jah­res fan­den in Deutsch­land 155 gegen Flücht­lin­ge gerich­te­te Kund­ge­bun­gen und Demons­tra­tio­nen statt – oft mit Betei­li­gung von orga­ni­sier­ten Rechts­extre­mis­ten. Das zeigt die erschre­cken­de Halb­jah­res­bi­lanz einer Doku­men­ta­ti­on von PRO ASYL und der Ama­deu Anto­nio Stif­tung.

Nicht immer sind die ras­sis­ti­schen Pro­tes­te wir­kungs­voll, oft fin­den sich weit mehr Gegen­de­mons­trie­ren­de ein als jene, die Flücht­lin­ge für eine Bedro­hung hal­ten, set­zen der Het­ze Argu­men­te ent­ge­gen und soli­da­ri­sie­ren sich mit den Flüchtlingen.

Doch wenn sich vor Ort kaum jemand fin­det, der den ras­sis­ti­schen Vor­ur­tei­len öffent­lich wider­spricht, ent­steht schnell ein Kli­ma der Gewalt: „ein­fach abfa­ckeln“ oder ähn­lich lau­ten nicht sel­ten die Kom­men­ta­re auf den ent­spre­chen­den Face­book-Sei­ten mit Titel wie „Nein zum Heim“, die meist als „Bür­ger­initia­ti­ven“ getarn­te Rechts­extre­mis­ten ein­rich­ten, um die Stim­mung anzuheizen.

Im ers­ten Halb­jahr 2014 ver­zeich­net die Doku­men­ta­ti­on, die die Ama­deu Anto­nio Stif­tung und PRO ASYL Anfang des Jah­res star­te­ten, 34 Anschlä­ge auf Flücht­lings­un­ter­künf­te. In 18 Fäl­len han­del­te es sich um Brand­an­schlä­ge. Auch Anschlä­ge mit Spreng­kör­pern oder Schüs­se auf Unter­künf­te wie etwa Ende Mai im baden-würt­tem­ber­gi­schen Rhein­stet­ten lis­tet die Doku­men­ta­ti­on auf. In min­des­tens 18 Fäl­len wur­den Schutz­su­chen­de tät­lich ange­grif­fen. Und das sind nur die Fäl­le, die durch Medi­en­be­rich­te oder Mel­dun­gen von Initia­ti­ven vor Ort öffent­lich bekannt wur­den. Die tat­säch­li­chen Zah­len lie­gen ver­mut­lich höher.

Häu­fig bleibt es vor Ort nicht bei einem ein­zi­gen Vor­fall: Allein in Mer­se­burg (Sach­sen-Anhalt) sind fünf Taten in der ers­ten Jah­res­hälf­te bekannt gewor­den. Immer wie­der wur­den hier Flücht­lin­ge auf offe­ner Stra­ße geschla­gen, belei­digt und bedroht. Regel­mä­ßig hetzt die NPD vor Ort bei Demons­tra­tio­nen gegen Flüchtlinge.

Die Situa­ti­on hat sich emp­find­lich ver­schärft:  2013 hat­te das Bun­des­kri­mi­nal­amt   58 gegen Flücht­lin­ge gerich­te­te Straf­ta­ten erfasst, dar­un­ter Pro­pa­gan­da­de­lik­te, Sach­be­schä­di­gung, Brand­stif­tung, Volks­ver­het­zun­gen, Kör­per­ver­let­zun­gen und Belei­di­gun­gen. 2012 lag die­se Zahl noch bei 24 Delik­ten. Es ist zu befürch­ten, dass die Zahl von 2013 im Jahr 2014 weit über­trof­fen wird.

Ange­sichts die­ser bedroh­li­chen Ten­denz appel­lie­ren die Orga­ni­sa­tio­nen an die poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen und die Zivil­ge­sell­schaft, sich rech­ter Het­ze und ras­sis­ti­schen Vor­ur­tei­len ent­schie­den ent­ge­gen­zu­stel­len. Wenn flücht­lings­feind­li­che Res­sen­ti­ments nicht klar zurück­ge­wie­sen wer­den, bestärkt das ras­sis­ti­sche Gewalt­tä­ter in ihrem Tun. PRO ASYL und die Ama­deu Anto­nio Stif­tung  rufen die poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen wie auch die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger auf, vor Ort ein Kli­ma des Will­kom­mens zu gestal­ten, in dem sich Schutz­su­chen­de sicher füh­len können.

Sie wol­len sich vor Ort gegen Ras­sis­mus und für den Schutz von Flücht­lin­gen ein­set­zen? Im Rah­men der Kam­pa­gne #Gemein­sam­Ge­gen­Rass­mis­mus haben wir Ihnen hier­für Infor­ma­tio­nen und hilf­rei­che Mate­ria­li­en zusammengestellt.

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