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Krise des Flüchtlingsschutzes in Europa
Statt zu handeln, behaupten politisch Verantwortliche seit Monaten in alarmistischen Debatten, in Europa gebe es eine vermeintliche Flüchtlingskrise. Doch es ist der Flüchtlingsschutz, der in einer Krise steckt – mit tödlichen Folgen für Menschen auf der Flucht.
Fakt ist: Heute kommen deutlich weniger Flüchtlinge nach Europa als im Jahr 2015. Damals wie heute heißt das Dauerproblem: mangelnde europäische Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme. Es gibt keine Flüchtlingskrise in Europa, sondern eine noch nie dagewesene Krise des Flüchtlingsschutzes.
Die Bereitschaft der EU-Staaten, Schutzsuchende aufzunehmen, ist nach wie vor erbärmlich gering. Es existiert nicht einmal in Ansätzen eine »Koalition der Willigen« innerhalb der EU, Flüchtlinge aufzunehmen.
Weniger Ankünfte, mehr Todesopfer
Aktuell (Stand 23. Juli 2017) sind 110.950 Bootsflüchtlinge im Griechenland, Italien, Zypern und Spanien angekommen. Die Mehrheit von ihnen – 93.314 – landete meist nach dramatischen Seennotrettungsaktionen an den italienischen Küsten. Mindestens 2.365 Menschen (Stand 21. Juli 2017) sind seit Jahresbeginn auf dem Weg nach Europa bereits gestorben.
EU sieht Sterben im Mittelmeer zu
Es wären noch viel mehr, wenn nicht humanitäre Rettungsorganisationen maßgeblich den Auftrag der EU und ihrer Mitgliedstaaten übernehmen würden: Sie retten, sie versuchen, das Recht auf Leben auch für die Bootsflüchtlinge einzulösen. Aktuell leisten sie knapp 40 Prozent aller Seenotrettungsmaßnahmen.
Retter*innen unter Druck
Anstatt ihnen zu helfen und endlich einen robusten, flächendeckenden EU- Seenotrettungseinsatz zu organisieren, werden die humanitären Seenotrettungsorganisationen seit Monaten von Rechtsradikalen, dem österreichischen Außenminister, den deutschen und österreichischen Innenministern und dem Frontex- Chef und anderen attackiert.
Die EU entzieht sich der Verantwortung
Die Angriffe und Kriminalisierungsversuche gegen die Lebensretter sollen nicht nur von der humanitären Katastrophe, dem Massensterben im Mittelmeer und der EU-Politik des organisierten Sterbenlassens ablenken. Die Hilfsorganisationen sind auch die einzigen, die auf hoher See das Handeln der EU und ihrer dubiosen libyschen »Partner« zumindest teilweise kritisch beobachten können.
Keine Solidarität innerhalb der EU
Verantwortung für den Flüchtlingsschutz möglichst abwälzen heißt die Devise. Bezeichnend ist, dass selbst der Kanzlerkandidat der SPD die Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme ausschließlich den anderen abverlangen will. Schulz schlägt aktuell vor, dass andere EU-Staaten Italien gegen finanzielle Unterstützung Flüchtlinge abnehmen. Deutschland will er davon aber ausnehmen.
Es gibt keine Flüchtlingskrise in Europa, sondern eine noch nie dagewesene Krise des Flüchtlingsschutzes.
Nur ein Bruchteil der Flüchtlinge umverteilt
Ohnehin werden die Einreisestaaten mit der Verantwortung allein gelassen. Die Bundesregierung beispielsweise hatte sich im September 2015 verpflichtet, rund 27.500 Schutzsuchende aus Italien und Griechenland bis September 2017 aufzunehmen. Deutschland hat bis zum 19. Juli 2017 lediglich 3.026 Flüchtlinge aus Italien über das Relocation-Programm aufgenommen, 3.712 aus Griechenland. Europaweit wurden bisher lediglich 7.615 Schutzsuchende aus Italien und 16.573 aus Griechenland umverteilt.
Neuausrichtung der EU-Flüchtlingspolitik
Angesichts der sich zuspitzenden Lage der Flüchtlinge in Italien und in Griechenland müssen die deutsche Regierung wie auch die anderen EU-Staaten endlich Verantwortung übernehmen und die schnelle und unbürokratische Übernahme von Flüchtlingen organisieren.
Eine europäische Seenotrettung muss her
Eine verantwortliche und den Menschenrechten verpflichtete Politik muss Flüchtlinge in Seenot retten. Humanitäre Seenotrettungsorganisationen dürfen nicht diffamiert, sondern müssen unterstützt werden. Der Aufbau einer robusten europäischen Seenotrettung ist dringend geboten.
Sichere und legale Fluchtwege nach Europa eröffnen!
Darüber hinaus müssen die politisch Verantwortlichen in der EU Alternativen zur lebensgefährdenden Flucht über das Mittelmeer schaffen. Ohne legale und gefahrenfreie Wege zu eröffnen, z.B. durch umfangreiche Programme zur Neuansiedlung von Flüchtlingen (Resettlement), Gewährung humanitärer Visa, ungehinderten Familiennachzug etc., wird das Massensterben an Europas Grenzen weiter gehen.