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Katastrophe von Moria: Soforthilfe und Evakuierung jetzt!
Moria ist weitgehend niedergebrannt, tausende Schutzsuchende sind obdachlos und ohne Versorgung. PRO ASYL fordert einen konzertierten europäischen Rettungsplan, die sofortige Evakuierung der Flüchtlinge und die Aufnahme in Deutschland und anderen europäischen Staaten. Jetzt!
Am Dienstag, den 8. September sind mehrere Feuer im EU- Hotspot Moria und in der umliegenden Zeltstadt ausgebrochen. Über 70 % des Lagers auf der griechischen Insel Lesbos sind bereits zerstört. Im Laufe des Mittwochs brachen immer wieder neue Brände aus, es kam vereinzelt zu Explosionen.
Rund 12.500 Schutzsuchende – darunter über 4.000 Kinder – sind obdachlos und ohne jegliche Versorgung komplett auf sich allein gestellt. Schutzsuchende berichten unserem Refugee Support Aegean (RSA) – Team vor Ort, dass sie ohne Wasser und Nahrung seien.
Unsere Anwältin Natassa Stracchini: »Die Flüchtlinge wissen nicht wohin. Moria ist abgebrannt. Sie haben ihre letzten Habseligkeiten verloren. Polizeieinheiten hindern sie, sich der Stadt Mytilini zu nähern. Versuche, ihnen unmittelbare Hilfe zukommen zu lassen, scheitern aktuell an der brachialen Abriegelung durch die Polizeikräfte.«
»Die Flüchtlinge wissen nicht wohin. Moria ist abgebrannt. Sie haben ihre letzten Habseligkeiten verloren.«
Zwischen Polizei-Barrikaden sitzen Flüchtlinge auf der Straße. Diese Katastrophe ist eine direkte Folge der menschenverachtenden Politik der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten.
Was ist jetzt zu tun?
Wir erwarten die gleichen Maßnahmen, wie wenn sich über 10.000 europäische Touristinnen und Touristen in akuter Gefahr befänden: Temporäre Unterbringungen müssen geschaffen, die Essens- und Wasserversorgung sofort sichergestellt, medizinisches Personal muss eingeflogen werden. Nicht irgendwann, sondern sofort!
Zeitgleich ist eine Luftbrücke zu organisieren, um die Schutzsuchende möglichst schnell nach Deutschland und in andere europäische Länder auszufliegen.
Um die verzweifelten Schutzsuchenden kurzfristig zu versorgen, muss der europäische Katastrophenschutz aktiviert werden. Anstatt Schutzsuchende im Umfeld von Moria mit Polizeigewalt unter freiem Himmel festzusetzen, muss die Erstversorgung der Menschen gewährleistet werden.
Die humanitären Zustände in Moria und den anderen Hotspots auf den griechischen Inseln hätten schon vor dem Brand zur Auflösung der Lager führen müssen. Die dramatische Zuspitzung auf Lesbos macht klar: Die Schutzsuchenden von den griechischen Inseln müssen evakuiert werden!
Einer Katastrophe dieses Ausmaßes kann nicht mit Minimallösungen, wie einem Transfer von 400 unbegleiteten Minderjährigen auf das griechische Festland, begegnet werden. Es braucht eine dauerhafte Lösung für alle Betroffenen – und die heißt Aufnahme in anderen europäischen Ländern.
Auf dem griechischen Festland sind bereits tausende Flüchtlinge obdachlos, eine bloße Verlegung aller bisherigen Bewohner*innen von Moria auf das griechische Festland ist keine Alternative.
In Deutschland haben sich mehrere Bundesländer und hunderte Kommunen zur Aufnahme von Geflüchteten bereit erklärt. Diese Bestrebungen dürfen durch das Bundesinnenministerium nicht mehr weiter blockiert werden.
Rückblick: Sechs Monate Isolation
Auf Lesbos folgt eine humanitäre Katastrophe der nächsten. Nachdem es erst Ende Februar 2020 zu gewaltsamen Ausschreitungen, Brandstiftung und Verhinderung der Anlandung von Schutzsuchenden gekommen ist, leben die Schutzsuchenden in Moria seit Mitte März unter Ausgangsbeschränkungen. Diese wurden als Corona-Präventionsmaßnahme angekündigt und seither immer wieder verlängert.
Für die hier untergebrachten Flüchtlinge verschärft das die Lage ungemein: War zunächst die Insel ihr Gefängnis, hat sich dieses Gefängnis im März auf das Lager verkleinert.
Am 2. September und nach Covid-19 Fällen in Lagern auf dem griechischen Festland und dem Hotspot Vial auf Chios erreichte die Pandemie auch das Lager Moria. Die Politik reagierte mit der kompletten Abriegelung des Lagers.
5 Jahre Moria – das traurige Symbol einer gescheiterten Politik
Refugee Support Aegean (RSA) und PRO ASYL dokumentieren seit Jahren die abscheulichen, entmenschlichenden und unsicheren Bedingungen, denen Flüchtlinge in Moria und anderen EU-Hotspots ausgesetzt sind.
Das Konzept hinter diesen Lagern ist der EU-Türkei-Deal, auf dessen Grundlage Geflüchtete auf griechischen Inseln festgehalten und in die Türkei zurückgeschickt werden sollen. Dort gibt es für Flüchtlinge weder Schutz noch Perspektive, die Türkei ist kein sicherer Staat für Flüchtlinge (ausführlicher Text vom März 2020).
»Wer sich jetzt wundert, wie es dort zu einem solchen Inferno kommen konnte, hat offenbar monatelang, jahrelang weggeschaut und sollte jetzt nicht Krokodilstränen heucheln. Nicht in Brüssel, nicht in Berlin oder sonstwo in der EU«, so Alexander Göbel in einem treffenden Kommentar für die ARD.
Haftlager sind keine Lösung
PRO ASYL warnt entschieden davor, nun mit noch größerer Härte zu reagieren und als Reaktion Schutzsuchende einsperren zu wollen. Pläne zur Inhaftierung der Ankommenden liegen in der Schublade der griechischen Regierung. Auch die Pläne der Bundesregierung und der EU-Staaten sehen vor, die Asylverfahren an der Grenze in Haftlagern durchzuführen, mit dem Ziel möglichst viele in angeblich sichere Drittstaaten zurückzuschicken.
Europa braucht unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft einen grundlegenden Paradigmenwechsel hin zu einer menschenrechtsbasierten Politik. Jetzt!
Ende September soll der »New Pact on Migration« der EU-Kommission vorgestellt werden, mit unmittelbaren Folgen für Geflüchtete auf den griechischen Inseln.
Anstatt diese inhumane Politik fortzusetzen, braucht Europa unter der Ratspräsidentschaft von Deutschland einen grundlegenden Paradigmenwechsel hin zu einer menschenrechtsbasierten Politik. Jetzt!