21.12.2021
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Für Familie Tewelde hat das Warten ein Ende! Foto: privat

Acht Jahre lang lebte Habtemariam Tewelde getrennt von seiner Familie – auch weil das Auswärtige Amt den ihm zustehenden Familiennachzug behinderte. Nun konnte er Sohn und Ehefrau endlich umarmen. Die Freude ist groß – doch er, die Initiative Familiennachzug Eritrea, PRO ASYL und viele andere kämpfen weiter mit denen, die noch warten müssen.

Seit sie­ben Wochen sind Ihre Frau und Ihr Sohn end­lich hier bei Ihnen in Deutsch­land, acht Jah­re lang waren Sie getrennt. Wie waren die ers­ten gemein­sa­men Wochen für Sie?

Wir freu­en uns sehr und sind erleich­tert! Wir umar­men uns immer wie­der, ohne Ende! Und wir machen, was Fami­li­en zusam­men tun: Wir sit­zen zusam­men, essen, trin­ken, spre­chen, lachen. Das ist Fami­lie. Schon vor eini­gen Mona­ten habe ich eine grö­ße­re Woh­nung gemie­tet, jetzt sit­ze ich nicht mehr allein auf dem Sofa, wir kön­nen zusam­men dort sitzen.

Und was machen Sie zu Weihnachten?

Am 24. Dezem­ber sind wir bei deut­schen Freun­den ein­ge­la­den, da war ich auch schon in den ver­gan­ge­nen Jah­ren. Das wird neu sein für mei­ne Fami­lie. Und Anfang Janu­ar kom­men die Freun­de zu uns zum Fei­ern. Denn in der eri­tre­ischen Kir­che ist Weih­nach­ten Anfang Januar.

Wie gewöh­nen sich Ihre Frau und Ihr Sohn ein?

Es wird lang­sam. Gegen die Käl­te, die sie nicht gewohnt sind, hat­te ich schon vor­her Pull­over und war­me Jacken gekauft. Und mein Sohn, er ist acht Jah­re alt, geht schon zur Schu­le. Er ver­steht zwar bis­her nichts, aber er wird sicher­lich schnell ler­nen. Ein ande­res Kind aus Eri­trea gibt es nicht in sei­ner Klas­se, er sagt: Es gibt nur ein Kind, das ist wie ich, es hat brau­ne Augen. Ich den­ke, es ist aus Soma­lia – aber die spre­chen eine ande­re Spra­che als wir. Mei­ne Frau will natür­lich auch deutsch ler­nen, sie war­tet auf den Bescheid für den Inte­gra­ti­ons­kurs. Ein biss­chen lernt sie schon, zum Bei­spiel das deut­sche Alphabet.

Das Ein­ge­wöh­nen war auch etwas schwie­rig bis­her: Zuerst muss­ten sie wegen Coro­na zehn Tage in Qua­ran­tä­ne hier in der Woh­nung. Und danach muss­te ich plötz­lich für zehn Tage ins Kran­ken­haus, ich hat­te eine klei­ne Ope­ra­ti­on. Da war mei­ne Frau ganz allein hier – aber Freun­de kamen und haben ihr gehol­fen, haben ihr zum Bei­spiel den Super­markt gezeigt.

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Die Fami­lie am Frank­fur­ter Flug­ha­fen. Foto: privat

Das war ja ein beson­ders schwie­ri­ger Start.

Ja. Da waren wir end­lich zusam­men und ich muss­te mir nicht mehr so Sor­gen machen, weil mei­ne Fami­lie im Kriegs­ge­biet in Gefahr war. Und nun mach­te sich mei­ne Frau Sor­gen um mich, und mein Sohn frag­te: War­um ist Papa wie­der weg?

»Sogar als sie schon in Frank­furt gelan­det war, konn­te mei­ne Frau noch nicht glau­ben, dass sie wirk­lich in Deutsch­land war. Sie hat sich ein­fach nicht getraut, es zu glauben.«

Hab­te­ma­ri­am Tewelde

Die erzwun­ge­ne Tren­nung von Ihrem Sohn war ja sowie­so  beson­ders tra­gisch, weil Sie nicht wuss­ten, dass Ihre Frau schwan­ger war, als Sie vor dem lebens­lan­gen Mili­tär­dienst in Eri­trea  flie­hen muss­ten. Seit 2014 sind Sie in Deutsch­land, den Antrag auf Fami­li­en­nach­zug haben sie direkt gestellt, nach­dem Sie Flücht­lings­schutz erhal­ten hat­ten. Aber erst vor einem Jahr konn­ten Sie ihre Fami­lie sehen, in deren Exil in Äthio­pi­en, nicht in Deutsch­land. Sie und Ihr Sohn tra­fen sich da das aller­ers­te Mal. Das war sehr schwie­rig, hat­ten Sie damals erzählt, er woll­te nicht glau­ben, dass Sie sein Vater sind.

Ja, ich hat­te ihn noch nie gese­hen und er mich ja auch nicht, so lan­ge war die Tren­nung. Dies­mal am Flug­ha­fen hat er mich aber erkannt, es war etwas bes­ser. Jetzt gewöh­nen wir uns anein­an­der, aber das geht lang­sam. Nach acht Jah­ren Tren­nung ken­nen wir uns ja nicht, mein Sohn und ich.

Ihre Fami­lie kam am Frank­fur­ter Flug­ha­fen an. Wie haben Sie die­sen Tag erlebt?

Das kann ich gar nicht beschrei­ben. Mein Freund hat mich beglei­tet und sag­te: »Hey, was ist los? Da sind sie, dein Sohn und dei­ne Frau. Wach auf!« Es war ein beson­de­rer Tag für mich. Aber die Situa­ti­on war nicht so gut, wir konn­ten uns nicht sofort sehen, da waren vie­le ande­re Pas­sa­gie­re. Ich glau­be, ich habe gedacht: Das War­ten ist end­lich zu Ende, bald bin ich end­lich mit mei­ner Fami­lie zusammen.

Mei­ne Frau hat mir hin­ter­her erzählt, dass sie es nicht glau­ben konn­te. Sogar als sie schon in Frank­furt gelan­det war, konn­te sie noch nicht glau­ben, dass sie wirk­lich in Deutsch­land war. Sie hat sich ein­fach nicht getraut, es zu glauben.

Und inzwi­schen trau­en Sie sich?

Ja, wir trau­en uns, zu glau­ben, dass wir end­lich zusam­men sind, nach­dem wir so vie­le Jah­re war­ten muss­ten. Und inzwi­schen sind auch Freun­de gekom­men, haben ange­ru­fen und haben uns gratuliert.

»Es war wich­tig, dass ihr hier rich­tig Druck gemacht habt für mich, für alle ande­ren aus Eri­trea und natür­lich auch für alle Geflüch­te­ten aus ande­ren Her­kunfts­län­dern, die seit vie­len Jah­ren auf ihre Fami­li­en warten.«

Hab­te­ma­ri­am Tewelde

Ich möch­te mich bei allen ganz, ganz herz­lich bedan­ken, die uns so viel gehol­fen haben! Beim Flücht­lings­rat Ber­lin zum Bei­spiel, der unse­re Initia­ti­ve Fami­li­en­nach­zug Eri­trea unter­stützt, bei der See­brü­cke – und bei Euch von PRO ASYL. Ihr habt immer wie­der inter­ve­niert, die Kos­ten für die Rechts­an­wäl­tin bezahlt und mir enor­men Mut gege­ben. Es war wich­tig, dass ihr hier rich­tig Druck gemacht habt für mich, für alle ande­ren aus Eri­trea und natür­lich auch für alle Geflüch­te­ten aus ande­ren Her­kunfts­län­dern, die seit vie­len Jah­ren auf ihre Fami­li­en war­ten. Ohne die­se Unter­stüt­zung hät­te ich mich nicht so gefühlt, dass ich die­sen lan­gen Kampf durch­ste­hen könnte.

Und es gab und gibt vie­le Men­schen, die mir und ande­ren zu jeder Zeit gehol­fen haben und noch hel­fen. Zum Bei­spiel mei­ne deut­schen Freun­din­nen und Freun­de, auch sehr net­te älte­re Men­schen, die sich wün­schen, dass alle Freu­de und ein gutes Fami­li­en­le­ben haben. Es gibt vie­le, die uns ohne Ende Hoff­nung und Mut gege­ben haben und immer noch geben.

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Sie haben es end­lich geschafft, nach­dem die deut­schen Behör­den Ihnen jah­re­lang Stei­ne in den Weg gelegt haben. In der Initia­ti­ve Fami­li­en­nach­zug Eri­trea, in der Sie sich seit vie­len Jah­ren enga­gie­ren, gibt es aber noch immer vie­le Väter, Müt­ter und Kin­der, die nicht wis­sen, wann sie ihre Fami­lie wie­der­se­hen wer­den. Enga­gie­ren Sie sich dort ehren­amt­lich weiter?

Ja klar, wir haben zusam­men ange­fan­gen und wir wer­den zusam­men wei­ter kämp­fen für alle. Was in den letz­ten Jah­ren beson­ders bei  der Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung in Deutsch­land ver­hin­dert wur­de, ist sehr schlimm für alle.

Was sagen Sie zum Koali­ti­ons­ver­trag der neu­en Regie­rung? Dort ist die Rede davon, dass die Ver­fah­ren zum Fami­li­en­nach­zug beschleu­nigt wer­den sollen.

Wir haben gro­ße Hoff­nung, dass die Anträ­ge nun end­lich schnel­ler bear­bei­tet wer­den in den Bot­schaf­ten und hier in Deutsch­land. Das ist das aller­wich­tigs­te. Denn sonst ver­lie­ren sie Men­schen nicht nur ihre Hoff­nung und ihre Geduld, son­dern manch­mal sogar ihr Leben. Und die Anfor­de­run­gen an die Doku­men­te müs­sen geän­dert werden.

Zum Bei­spiel gibt es in Eri­trea kaum staat­li­che Hei­rats­ur­kun­den, wir haben kirch­li­che Ehe­pa­pie­re. Und auch kaum rich­ti­ge Aus­wei­se, weil es in Eri­trea kei­ne rich­ti­gen Geset­ze gibt. Wir haben auch nur kirch­li­che Geburts­ur­kun­den. Aber die deut­schen Bot­schaf­ten akzep­tie­ren die kirch­li­chen Urkun­den nicht.

Wir wün­schen uns von der Ampel-Koali­ti­on: Las­sen Sie es nicht bei den Wor­ten! Tun Sie das, was Sie geschrie­ben haben! Und wir wis­sen auch, mit Euch von PRO ASYL müs­sen und wer­den wir wei­ter Druck machen. Damit das Recht als Fami­lie für alle gilt. Weil das unser Recht ist.

(wr)