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Im Sudan tobt ein globaler Krieg – und keiner schaut hin
Seit zwei Jahren leiden die Menschen im Sudan unter Krieg und Gewalt zwischen dem Militär (SAF) und paramilitärischen Kräften (RSF). Auch andere politische Kräfte mischen mit. PRO ASYL hat mit Adam Bahar, Aktivist bei Sudan Uprising Germany und Mitarbeiter beim Flüchtlingsrat Berlin, gesprochen.
Was hat sich in den letzten zwei Jahren an der Situation im Sudan geändert?
Seit April 2023 hat sich der Krieg massiv ausgeweitet. Die RSF haben Khartum weitgehend verlassen und konzentrieren sich wieder auf Darfur – ihre Herkunftsregion. Dort kontrollieren sie mittlerweile mehrere Großstädte. Zugleich hält die Armee den Norden und Teile Khartums. Das Land ist faktisch in zwei Machtblöcke geteilt, mit der Gefahr einer dauerhaften Aufspaltung.
Dazu kommt eine neue politische Dynamik: Bewaffnete Gruppen aus den Nuba-Bergen haben sich mit der RSF verbündet und unterstützen deren eingerichtete Gegenregierung. Sudan hat also inzwischen zwei konkurrierende Regierungen. Friedensprozesse sind nicht erkennbar.
Parallel ist die staatliche Infrastruktur kollabiert: Schulen und Krankenhäuser funktionieren kaum noch. Die Versorgung mit Nahrung und Medikamenten ist eingebrochen. Hilfsorganisationen werden von beiden Seiten blockiert.
Parallel ist die staatliche Infrastruktur kollabiert: Schulen und Krankenhäuser funktionieren kaum noch. Die Versorgung mit Nahrung und Medikamenten ist eingebrochen. Hilfsorganisationen werden von beiden Seiten blockiert.
Was bedeutet das für die Menschen?
Der Alltag ist geprägt von Gewalt, Angst und Vertreibung. Massaker, willkürliche Angriffe und sexualisierte Gewalt sind weit verbreitet. Frauen und Mädchen sind besonders gefährdet.
Der Alltag ist geprägt von Gewalt, Angst und Vertreibung. Massaker, willkürliche Angriffe und sexualisierte Gewalt sind weit verbreitet. Frauen und Mädchen sind besonders gefährdet.
Welche ausländischen Kräfte mischen im Krieg mit?
Europa, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien spielen eine zentrale Rolle.
Im Rahmen der europäisch gewollten Migrationsabwehr wurden die RSF ab 2015 direkt gestärkt – durch Gelder und Ausrüstung für Grenzschutzprogramme. Mit dieser internationalen Anerkennung konnten sie Einfluss und Ressourcen gewinnen.
Saudi-Arabien setzt seit Jahren sudanesische Kämpfer im Jemenkrieg, dem anderen vergessenen Krieg, ein und zahlt dafür hohe Summen für die Anwerbung von RSF-Kämpfern und deren Transport nach Jemen. Diese kehren nach ihren Einsätzen im Jemen zum Teil höchst bewaffnet in den Sudan zurück. Über den Goldhandel bestehen außerdem enge Verbindungen der RSF zu den Emiraten, die die RSF unterstützt. Über die Goldrouten werden Waffen unkontrolliert in den Sudan hineingebracht. Auch regionale autoritäre Mächte wie Ägypten haben kein Interesse an einem demokratischen Sudan und unterstützen unterschiedliche Kriegsakteure.
Wohin fliehen die Menschen vor der Gewalt und welche Rolle spielt Europa dabei?
Die überwältigende Mehrheit flieht innerhalb des Sudans. Andere versuchen in Nachbarländer wie Ägypten, Tschad, Südsudan, Uganda oder Kenia zu gelangen – oft unter lebensgefährlichen Bedingungen und in völlig überfüllte Camps mit kaum Versorgung.
Wer nach Libyen flieht, riskiert Folter, Versklavung oder den Tod. Nur wenige erreichen Europa. In Griechenland werden sudanesische Schutzsuchende zunehmend pauschal kriminalisiert und inhaftiert, obwohl sie klar asylberechtigt sind.
Europa versucht, Migration möglichst früh zu stoppen – durch Abkommen mit unsicheren Ländern wie Libyen, Tunesien oder Ägypten oder durch die Unterstützung eines neuen Asylsystems in Ägypten, das Menschen vor Ort festhält, aber kaum Perspektiven bietet.
Legale Wege nach Europa bleiben rar: Familiennachzug, Visa oder Aufnahmeprogramme sind stark eingeschränkt. Viele Sudanes*innen erhalten in Deutschland nur einjährig befristeten Schutz, in der Hoffnung, sie bald zurückschicken zu können.
Warum wird in deutschen Medien so wenig über den Sudan berichtet?
Das liegt meines Erachtens an einer Mischung verschiedener Faktoren. Zum einen spielt Rassismus eine Rolle: Schwarze afrikanische Opfer erhalten deutlich weniger Aufmerksamkeit. Zum anderen dominieren innenpolitische Debatten über Migration, und ein offener Blick auf die Lage im Sudan würde diese Diskussionen infrage stellen.
Gleichzeitig würde bei einer intensiveren Berichterstattung auch die europäische Mitverantwortung sichtbar werden – etwa die frühere Kooperation mit den RSF im Rahmen der Migrationsabwehr.
Hinzu kommen geopolitische Interessen, denn Deutschland möchte seine engen Beziehungen zu Saudi-Arabien und den Emiraten nicht gefährden. Zwar sorgen soziale Medien immer wieder für kurzfristige Aufmerksamkeit, doch in den großen deutschen Medien verschwindet der Sudan schnell wieder – obwohl die Gewalt ununterbrochen weitergeht. Im Sudan tobt ein globaler Krieg – und keiner schaut hin.
(nb)