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picture alliance / ZUMAPRESS.com | Marco Di Gianvito

Seit zwei Jahren leiden die Menschen im Sudan unter Krieg und Gewalt zwischen dem Militär (SAF) und paramilitärischen Kräften (RSF). Auch andere politische Kräfte mischen mit. PRO ASYL hat mit Adam Bahar, Aktivist bei Sudan Uprising Germany und Mitarbeiter beim Flüchtlingsrat Berlin, gesprochen.

Was hat sich in den letzten zwei Jahren an der Situation im Sudan geändert?

Seit April 2023 hat sich der Krieg mas­siv aus­ge­wei­tet. Die RSF haben Khar­tum weit­ge­hend ver­las­sen und kon­zen­trie­ren sich wie­der auf Dar­fur – ihre Her­kunfts­re­gi­on. Dort kon­trol­lie­ren sie mitt­ler­wei­le meh­re­re Groß­städ­te. Zugleich hält die Armee den Nor­den und Tei­le Khar­tums. Das Land ist fak­tisch in zwei Macht­blö­cke geteilt, mit der Gefahr einer dau­er­haf­ten Aufspaltung.

Dazu kommt eine neue poli­ti­sche Dyna­mik: Bewaff­ne­te Grup­pen aus den Nuba-Ber­gen haben sich mit der RSF ver­bün­det und unter­stüt­zen deren ein­ge­rich­te­te Gegen­re­gie­rung. Sudan hat also inzwi­schen zwei kon­kur­rie­ren­de Regie­run­gen. Frie­dens­pro­zes­se sind nicht erkennbar.

Par­al­lel ist die staat­li­che Infra­struk­tur kol­la­biert: Schu­len und Kran­ken­häu­ser funk­tio­nie­ren kaum noch. Die Ver­sor­gung mit Nah­rung und Medi­ka­men­ten ist ein­ge­bro­chen. Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen wer­den von bei­den Sei­ten blockiert.

Par­al­lel ist die staat­li­che Infra­struk­tur kol­la­biert: Schu­len und Kran­ken­häu­ser funk­tio­nie­ren kaum noch. Die Ver­sor­gung mit Nah­rung und Medi­ka­men­ten ist ein­ge­bro­chen. Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen wer­den von bei­den Sei­ten blockiert.

Was bedeutet das für die Menschen?

Der All­tag ist geprägt von Gewalt, Angst und Ver­trei­bung. Mas­sa­ker, will­kür­li­che Angrif­fe und sexua­li­sier­te Gewalt sind weit ver­brei­tet. Frau­en und Mäd­chen sind beson­ders gefährdet.

Der All­tag ist geprägt von Gewalt, Angst und Ver­trei­bung. Mas­sa­ker, will­kür­li­che Angrif­fe und sexua­li­sier­te Gewalt sind weit ver­brei­tet. Frau­en und Mäd­chen sind beson­ders gefährdet.

Welche ausländischen Kräfte mischen im Krieg mit?

Euro­pa, die Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­te und Sau­di-Ara­bi­en spie­len eine zen­tra­le Rolle.
Im Rah­men der euro­pä­isch gewoll­ten Migra­ti­ons­ab­wehr wur­den die RSF ab 2015 direkt gestärkt – durch Gel­der und Aus­rüs­tung für Grenz­schutz­pro­gram­me. Mit die­ser inter­na­tio­na­len Aner­ken­nung konn­ten sie Ein­fluss und Res­sour­cen gewinnen.

Sau­di-Ara­bi­en setzt seit Jah­ren suda­ne­si­sche Kämp­fer im Jemen­krieg, dem ande­ren ver­ges­se­nen Krieg, ein und zahlt dafür hohe Sum­men für die Anwer­bung von RSF-Kämp­fern und deren Trans­port nach Jemen. Die­se keh­ren nach ihren Ein­sät­zen im Jemen zum Teil höchst bewaff­net in den Sudan zurück. Über den Gold­han­del bestehen außer­dem enge Ver­bin­dun­gen der RSF zu den Emi­ra­ten, die die RSF unter­stützt. Über die Gold­rou­ten wer­den Waf­fen unkon­trol­liert in den Sudan hin­ein­ge­bracht. Auch regio­na­le auto­ri­tä­re Mäch­te wie Ägyp­ten haben kein Inter­es­se an einem demo­kra­ti­schen Sudan und unter­stüt­zen unter­schied­li­che Kriegsakteure.

Wohin fliehen die Menschen vor der Gewalt und welche Rolle spielt Europa dabei?

Die über­wäl­ti­gen­de Mehr­heit flieht inner­halb des Sudans. Ande­re ver­su­chen in Nach­bar­län­der wie Ägyp­ten, Tschad, Süd­su­dan, Ugan­da oder Kenia zu gelan­gen – oft unter lebens­ge­fähr­li­chen Bedin­gun­gen und in völ­lig über­füll­te Camps mit kaum Versorgung.

Wer nach Liby­en flieht, ris­kiert Fol­ter, Ver­skla­vung oder den Tod. Nur weni­ge errei­chen Euro­pa. In Grie­chen­land wer­den suda­ne­si­sche Schutz­su­chen­de zuneh­mend pau­schal kri­mi­na­li­siert und inhaf­tiert, obwohl sie klar asyl­be­rech­tigt sind.

Euro­pa ver­sucht, Migra­ti­on mög­lichst früh zu stop­pen – durch Abkom­men mit unsi­che­ren Län­dern wie Liby­en, Tune­si­en oder Ägyp­ten oder durch die Unter­stüt­zung eines neu­en Asyl­sys­tems in Ägyp­ten, das Men­schen vor Ort fest­hält, aber kaum Per­spek­ti­ven bietet.

Lega­le Wege nach Euro­pa blei­ben rar: Fami­li­en­nach­zug, Visa oder Auf­nah­me­pro­gram­me sind stark ein­ge­schränkt. Vie­le Sudanes*innen erhal­ten in Deutsch­land nur ein­jäh­rig befris­te­ten Schutz, in der Hoff­nung, sie bald zurück­schi­cken zu können.

War­um wird in deut­schen Medi­en so wenig über den Sudan berichtet?

Das liegt mei­nes Erach­tens an einer Mischung ver­schie­de­ner Fak­to­ren. Zum einen spielt Ras­sis­mus eine Rol­le: Schwar­ze afri­ka­ni­sche Opfer erhal­ten deut­lich weni­ger Auf­merk­sam­keit. Zum ande­ren domi­nie­ren innen­po­li­ti­sche Debat­ten über Migra­ti­on, und ein offe­ner Blick auf die Lage im Sudan wür­de die­se Dis­kus­sio­nen infra­ge stellen.

Gleich­zei­tig wür­de bei einer inten­si­ve­ren Bericht­erstat­tung auch die euro­päi­sche Mit­ver­ant­wor­tung sicht­bar wer­den – etwa die frü­he­re Koope­ra­ti­on mit den RSF im Rah­men der Migrationsabwehr.

Hin­zu kom­men geo­po­li­ti­sche Inter­es­sen, denn Deutsch­land möch­te sei­ne engen Bezie­hun­gen zu Sau­di-Ara­bi­en und den Emi­ra­ten nicht gefähr­den. Zwar sor­gen sozia­le Medi­en immer wie­der für kurz­fris­ti­ge Auf­merk­sam­keit, doch in den gro­ßen deut­schen Medi­en ver­schwin­det der Sudan schnell wie­der – obwohl die Gewalt unun­ter­bro­chen wei­ter­geht. Im Sudan tobt ein glo­ba­ler Krieg – und kei­ner schaut hin.

(nb)