20.11.2023
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Die Duldung von Ahmad F. mit der handschriftlichen Arbeitserlaubnis durch die Ausländerbehörde.

Ahmad F.* floh 2018 aus dem Iran nach Deutschland und versucht seither zu arbeiten. Trotz Arbeits- und Ausbildungsangeboten verwehrte ihm die Ausländerbehörde lange die Arbeitsaufnahme wegen angeblich fehlender Mitwirkung bei der Identitätsklärung. Ein Gespräch über Arbeitsverbote, Benachteiligungen und über die Angst vor der iranischen Botschaft.

UPDATE – Stand 16.12.2024: Ahmad arbei­tet seit eini­gen Mona­ten wie­der und hat nun eine Auf­ent­halts­er­laub­nis nach § 25b Auf­ent­halts­ge­setz auf­grund nach­hal­ti­ger Inte­gra­ti­on erhal­ten. Nach sechs Jah­ren in Deutsch­land fühlt sich die Fami­lie end­lich sicher.

Sie muss­ten 2018 mit Ihrer Frau aus dem Iran nach Deutsch­land flie­hen. Trotz Ableh­nung Ihres Asyl­an­trags fan­den Sie ziem­lich schnell eine Arbeit. Wie ist Ihnen das gelungen? 

Ich woll­te unbe­dingt so schnell wie mög­lich arbei­ten. Im Iran war ich vor mei­ner Flucht zwölf Jah­re als Tisch­ler mit Spe­zia­li­sie­rung auf Schnit­ze­rei tätig. In dem Gebäu­de mei­nes Sprach­kur­ses gab es auch eine Schrei­ne­rei. Nach dem letz­ten Sprach­kurs bin ich dort hin­ge­gan­gen und habe ein­fach geklopft. Mein Deutsch war noch eine Kata­stro­phe [lacht]. Ich habe bei Goog­le Trans­la­te »Ich will arbei­ten« ein­ge­ge­ben und das dem Mann an der Tür gezeigt. Es hat geklappt: Ich habe einen zwei­mo­na­ti­gen Prak­ti­kums­platz erhalten.

Anschlie­ßend woll­te mich die Schrei­ne­rei sogar anstel­len. Damals hat­te ich eine Auf­ent­halts­ge­stat­tung, also kein grund­sätz­li­ches Arbeits­ver­bot. Aber nach zwei Mona­ten Bear­bei­tungs­zeit lehn­te die Aus­län­der­be­hör­de mei­nen Antrag auf Arbeits­auf­nah­me ab, weil das Gehalt zu nied­rig war.

Ich such­te wei­ter. Der Chef einer ande­ren Schrei­ne­rei war inter­es­siert, aber als er mei­ne Auf­ent­halts­ge­stat­tung sah, merk­te ich, dass ihn das ver­un­si­cher­te. Er rück­te mit dem Stuhl zurück und sag­te, dass er sich mit die­sen Papie­ren nicht auskenne.

Schließ­lich bekam ich ein Arbeits­an­ge­bot als Küchen­mon­teur in einem Möbel­haus. Mei­ne Spra­che war nicht gut, aber sie woll­ten mich, weil ich die pas­sen­den Qua­li­fi­ka­tio­nen hat­te. Was mich über­rasch­te: Die Aus­län­der­be­hör­de stimm­te zu, schon nach zwei Wochen. Freun­de hat­ten mir von mona­te­lan­gen War­te­zei­ten erzählt. Aber das war eine sehr net­te Frau – die ein­zig Net­te dort bei der Aus­län­der­be­hör­de, ganz ehrlich.

Das klingt nach einem Hap­py End. Aber es kam anders?

Zwei Jah­re konn­te ich dort arbei­ten. Dann geriet mein Arbeit­ge­ber in Schwie­rig­kei­ten und ich ver­lor mei­nen Job. Kur­ze Zeit spä­ter wur­de mein Asyl­an­trag end­gül­tig abge­lehnt und ich bekam eine Dul­dung. Ich hat­te gro­ße Angst vor einer Abschie­bung, aber ich gab nicht auf. Ich such­te wie­der per­sön­lich Schrei­ne­rei­en auf und fand eine, die mir einen Aus­bil­dungs­platz zusagte.

Bei der Aus­län­der­be­hör­de aber sag­te man mir, dass ich in den ers­ten sechs Mona­ten der Dul­dung ein Arbeits­ver­bot habe und des­we­gen auch kei­ne Aus­bil­dung machen darf. Ich war sehr ent­täuscht. Ich hat­te mir so viel Mühe gege­ben und hat­te ja die Mög­lich­keit, mein eige­nes Ein­kom­men zu verdienen.

Spä­ter erfuhr ich, dass das gar nicht stimm­te. Die Aus­län­der­be­hör­de hät­te mir damals eine Arbeits­er­laub­nis geben kön­nen. Die Regeln sind ein­fach so kom­pli­ziert, wie hät­te ich dar­auf kom­men kön­nen, dass die Behör­den­mit­ar­bei­ter fal­sche Aus­künf­te geben? Spä­ter kam noch hin­zu, dass die Aus­län­der­be­hör­de mir vor­warf, dass ich angeb­lich bei der Pass­be­schaf­fung nicht mit­wir­ken und dadurch mei­ne Abschie­bung ver­hin­dern wür­de. Sie sag­ten, ich darf erst wie­der arbei­ten, wenn ich einen ira­ni­schen Pass vorlege.

»Die Regeln sind ein­fach so kom­pli­ziert, wie hät­te ich dar­auf kom­men kön­nen, dass die Behör­den­mit­ar­bei­ter fal­sche Aus­künf­te geben?«

Ahmad F.

Was sagen Sie zu dem Vor­wurf, dass Sie sich nicht genü­gend um einen ira­ni­schen Pass bemüht hätten? 

Ich habe mich bemüht, einen Pass zu bekom­men. Es ist aber schwie­rig, die dafür not­wen­di­gen Doku­men­te zu beschaf­fen. Als Mann muss man für die Pass­aus­stel­lung eine Befrei­ung vom Wehr­dienst vor­le­gen – oder eine Wehr­dienst­kar­te, die einen bereits abge­leis­te­ten Mili­tär­dienst beweist. Ich hat­te so eine Kar­te, muss­te sie aber bei mei­ner Asyl­an­trags­stel­lung beim BAMF [Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge] abge­ben. Ich habe ver­sucht, die Kar­te wie­der­zu­be­kom­men. Das BAMF sag­te, dass es das Doku­ment der Aus­län­der­be­hör­de geschickt habe, die Aus­län­der­be­hör­de sag­te, dass sie es nicht erhal­ten haben. Ich glau­be, sie ist bei den deut­schen Behör­den ver­lo­ren gegangen.

Mir blieb des­we­gen nur, mei­nen im Iran leben­den Vater zu bit­ten, die Kar­te dort für mich neu zu bean­tra­gen. Dafür brauch­te er eine Voll­macht von mir, für die ich beim ira­ni­schen Kon­su­lat vor­spre­chen musste.

Wie fühl­te es sich für Sie an, beim ira­ni­schen Kon­su­lat um etwas bit­ten zu müssen?

Dort­hin zu gehen, mach­te mir gro­ße Angst. Es war zu einer Zeit, in der ich nach dem Tod Jina Mah­sa Ami­nis oft an den regime­kri­ti­schen Demons­tra­tio­nen vor genau die­sem Kon­su­lat teil­nahm – mit mei­nem unver­deck­ten Gesicht. Ich hat­te Sor­ge, dass die Mit­ar­bei­ter mich durch Fotos und Vide­os von den Demos wie­der­erken­nen und über mei­ne regime­kri­ti­schen Akti­vi­tä­ten Bescheid wis­sen. Als der Tag gekom­men war, teil­te ich Freun­den die Uhr­zeit mit, zu der ich die Bot­schaft betrat. Ich sag­te ihnen: Ihr müsst etwas tun, wenn ihr län­ger als zwei Stun­den nichts von mir hört.

In der Bot­schaft wur­de ich sehr unan­ge­nehm behan­delt. Sie löcher­ten mich mit Fra­gen zu mei­nem Wohn­ort, wo und über wel­chen Weg ich nach Deutsch­land kam und vie­les wei­te­re. Das möch­te ich nicht alles erzählen.

Wie ist Ihre jet­zi­ge Situation?

Mit der Hil­fe von PRO ASYL und einer Anwäl­tin habe ich seit kur­zem end­lich eine Arbeits­er­laub­nis. Ins­ge­samt sind andert­halb Jah­re ver­gan­gen, in denen ich nicht arbei­ten durf­te. Lei­der hat die Sach­be­ar­bei­te­rin der Aus­län­der­be­hör­de die Arbeits­er­laub­nis nur hand­schrift­lich auf mei­ne Dul­dung notiert. Ich habe sie gebe­ten, mir ein neu­es Doku­ment aus­zu­dru­cken, aber sie lehn­te das ab, weil das Geld koste.

Kön­nen Sie sich vor­stel­len, was Arbeit­ge­ber von mir den­ken, wenn ich ihnen die­ses Papier zei­ge? Sie gehen direkt auf Distanz. Sie fra­gen sich wahr­schein­lich, ob ich die Notiz selbst auf das Papier geschrie­ben habe. Es ist schwie­rig für mich, damit eine Arbeit zu bekom­men. Die Arbeit­ge­ber müs­sen auch oft zu lan­ge auf die Bear­bei­tung bei den Aus­län­der­be­hör­den war­ten. Das schreckt ab. Eine Stel­len­zu­sa­ge hat­te ich nur auf­grund der War­te­zeit bei mei­ner Aus­län­der­be­hör­de wie­der verloren.

Was wür­den Sie Politiker*innen raten, was es braucht, damit Geflüch­te­te schnel­ler in Arbeit kommen?

Es braucht Ver­fah­ren, die der tat­säch­li­chen Lebens­si­tua­ti­on der Men­schen gerecht wer­den und weni­ger büro­kra­tisch sind. War­um muss so viel Zeit ver­ge­hen, bis Men­schen wie ich arbei­ten kön­nen? Es gibt doch Fach­kräf­te­man­gel. Ich habe schon viel Arbeit gefun­den, aber sie sel­ten bekommen.

PRO ASYL unter­stützt Ahmad F. wei­ter­hin bei sei­nem Weg zu einem siche­ren Auf­ent­halt und betei­ligt sich an den Anwalts­kos­ten. Lei­der kann er nicht vom Chan­cen­auf­ent­halts­recht pro­fi­tie­ren, da er vier Mona­te nach dem Stich­tag ein­reis­te. Sei­ne Anwäl­tin konn­te mitt­ler­wei­le errei­chen, dass das Arbeits­ver­bot auf­ge­ho­ben wur­de und Ahmad F. ist wie­der auf Arbeits­su­che. Wenn er in Arbeit ist, wer­den PRO ASYL und sei­ne Anwäl­tin ihn dabei unter­stüt­zen, ein Blei­be­recht auf­grund nach­hal­ti­ger Inte­gra­ti­on nach § 25b Auf­ent­halts­ge­setz zu bean­tra­gen – um damit end­lich ein Leben in Sicher­heit zu füh­ren, ohne Angst vor Abschie­bung in den Iran.

*Name geän­dert

fw, jb