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Humanitäre Situation für Schutzsuchende in nordgriechischen Haftlagern dramatisch
PRO ASYL veröffentlicht neue Recherche über griechisch-türkisches Grenzgebiet
Griechenland ist einer der letzten Zugangspunkte für Flüchtlinge nach Europa. Schutzsuchende aus Afghanistan, dem Irak, Iran und Somalia müssen diese Fluchtroute über die Türkei nach Griechenland wählen. Da der Seeweg über die Ägäis mittlerweile weitgehend abgeriegelt ist, steigt die Zahl der Einreiseversuche an der griechisch-türkischen Landgrenze – im sogenannten Evros-Gebiet – stark. Nach Angaben der Polizei sind in diesem Jahr bereits 34.000 Flüchtlinge und Migranten dort aufgegriffen und inhaftiert worden – 2009 waren es etwa 9.000.
Wie es Schutzsuchenden dort ergeht, haben die Rechtsanwältinnen Marianna Tzeferakou (Athen) und Natassa Strachini (Chios) im Auftrag von PRO ASYL recherchiert. Alle Neuankömmlinge, die von der Polizei aufgegriffen werden, werden in einem der zahlreichen Haftlager inhaftiert. Die Lebensbedingungen in diesen sind katastrophal, die Haftzellen überfüllt, Hofgang wird kaum gewährt, die sanitären Bedingungen sind gesundheitsgefährdend und eine medizinische Versorgung ist nicht gewährleistet. Die Flüchtlinge werden nicht einmal über die Gründe der Inhaftierung in einer ihnen verständlichen Sprache informiert. So wissen viele nicht, dass sie unmittelbar von einer Zurückschiebung in die Türkei bedroht sind. Die einzigen Dolmetscher, die in diesen Lagern vorhanden sind, arbeiten für die europäische Grenzagentur Frontex. Die beiden Rechtsanwältinnen haben Fälle dokumentiert, in denen durch falsche Altersangaben von Frontex Minderjährige zu Erwachsenen gemacht werden. Desweiteren wurden Flüchtlingen falsche Herkunftsländer zugeordnet. Asylanträge sind unter diesen Bedingungen unmöglich. Zudem werden Schutzsuchende durch Einschüchterung und bewusste Fehlinformationen davon abgehalten, Asylanträge zu stellen. Es wurden bei den Besuchen Fälle schwerer Misshandlungen durch das Wachpersonal dokumentiert. Die Ergebnisse ihrer Recherche haben die beiden Anwältinnen dem Griechischen Ombudsmann, UNHCR Griechenland und den zuständigen griechischen Ministerien vorgelegt. PRO ASYL veröffentlicht diesen Bericht in anonymisierter Form. Bericht zum Download (Bereits im Jahr 2009 veröffentlichte PRO ASYL einen Bericht).
Auch das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen UNHCR hat mittlerweile Recherchen in der Region durchgeführt. Am 12. und 13. Oktober konnte sich eine UNHCR Delegation von den katastrophalen Bedingungen in den Haftlagern der Evros-Region überzeugen. (Presseerklärung des UNHCR)
Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Folter hat die Ergebnisse ebenfalls bestätigt und am 20. Oktober eine weitere Dokumentation veröffentlicht.
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