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Humanitäre Krise: Erzwungene Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan
Im vergangenen Jahr sind knapp 600.000 afghanische Flüchtlinge aus Pakistan zurückgekehrt – viele von ihnen unfreiwillig. Dazu kommt die ohnehin schon hohe Zahl an Binnenflüchtlingen im Land: Die humanitäre Krise droht sich zu verschlimmern. Human Rights Watch kritisiert das Verhalten des UNHCR in Pakistan.
Knapp 2,5 Millionen afghanische Flüchtlinge lebten Ende 2015 in Pakistan – aber nur rund 1,5 Millionen von ihnen sind registriert, seit 2007 wurden keine Neuregistrierungen mehr vorgenommen. Viele Flüchtlinge sind bereits seit Jahrzehnten im Nachbarland, 2016 kehrten nun knapp 600.000 Afghan*innen allein aus Pakistan zurück.
Pakistan: Misshandlung von Flüchtlingen
Das liegt nicht etwa an einer Verbesserung der Situation dort, sondern an Zwangsabschiebungen und massivem Druck seitens der pakistanischen Regierung, wie Human Rights Watch (HRW) in einem ausführlichen Bericht darlegt. Unter dem Titel »Pakistans Zwang, Komplizenschaft der UN« wirft die Organisation auch UNHCR vor, mitschuldig daran zu sein.
»UNHCR fundamentally abrogated its refugee protection mandate by effectively supporting Pakistan’s mass refoulement.«
In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres hat die pakistanische Regierung damit begonnen, afghanische Flüchtlinge immer deutlicher zum Verlassen des Landes aufzufordern. Neben Abschiebedrohungen und repressiven Polizeimaßnahmen (willkürliche Verhaftungen, Misshandlungen, Erpressung) gibt es auch Berichte über geschlossene Flüchtlingsschulen und den Ausschluss afghanischer Kinder von staatlichen Schulen.
HRW: UNHCR unterstützt Pakistans Rechtsbrüche
Zeitgleich wurde auch die finanzielle Rückkehrhilfe von UNHCR verdoppelt und die afghanische Regierung versprach rückkehrenden Familien Land in Afghanistan – eine Zusage, die niemals eingehalten wurde.
Human Rights Watch kritisiert UNHCR dafür, dass die Erhöhung der Rückkehrhilfe im Zusammenspiel mit der Perspektivlosigkeit in Pakistan und dem ausgeübten Druck zu einem pull factor wurde, der für eine übereilte Rückkehr afghanischer Flüchtlinge sorgte.
Zudem seien viele Menschen nicht ausreichend darüber informiert worden, wie schlecht die Lage im Land, in das sie zurückkehren, tatsächlich ist. Außerdem wirft man UNHCR vor, zu den fortgesetzten Rechtsbrüchen der pakistanischen Regierung zu schweigen.
Hoffnungslose Situation für Rückkehrer
Afghanistan »bleibt eines der gefährlichsten, gewalttätigsten und krisengeschütteltsten Länder der Welt«, konstatierte UNOCHA im Jahresbericht »Humanitarian Needs Overview«. Mittlerweile sind vermutlich über 1,5 Millionen Menschen innerhalb des Landes als Binnenvertriebene auf der Flucht.
Dazu kommen nun noch viele der Rückkehrer aus Pakistan, die sich vor allem in Kabul und Dschalalalabad niederlassen, denn gerade Flüchtlinge, die nach Jahren oder Jahrzehnten und teilweise unter Zwang zurückkehren, haben Probleme, schnell wieder Fuß zu fassen.
»UNHCR failed to ensure that refugees were fully informed of the conditions to which they were returning. And regardless of conditions in Afghanistan, huge numbers of refugees […] did not return voluntarily.«
Bereits bei 40 Prozent der Rückkehrer in den Vorjahren hat UNHCR »ernsthafte Schwierigkeiten« beim »Wiederaufbau des Lebens in Afghanistan« ausgemacht – und hierbei handelt es sich um weitaus weniger Menschen als 2016 zurückgekehrt sind.
Abschiebungen in eine humanitäre Krise hinein
Rückkehrer in Afghanistan erhalten – von der einmaligen Hilfe durch UNHCR abgesehen – kaum weitere Unterstützung. Viele von ihnen leben daher in slumähnlichen Zuständen, wie auch in einem ARD-Bericht von Anfang Januar deutlich wird.
Auch UNHCR spricht nach Angaben von Human Rights Watch davon, dass sich eine große humanitäre Krise entwickele – eine Krise, zu der auch Deutschland mit dem Beginn der Sammelabschiebungen nach Afghanistan Ende des vergangenen Jahres offenbar beitragen möchte.