26.02.2014
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Das Haftlager Hal Far auf Malta. Alle neu ankommenden Asylsuchenden werden inhaftiert, auch die Überlebenden der zahlreichen Flüchtlingskatastrophen vor der maltekischen Küste. Bild: bordermonitoring.eu

Im Juli 2013 war Malta vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dafür verurteilt worden, Flüchtlinge unter menschenunwürdigen und unrechtmäßigen Bedingungen zu inhaftieren. Die jüngsten Vorfälle im Haftlager Hal Far werfen ein Schlaglicht auf die weiterhin prekäre Lage von Schutzsuchendem in dem Inselstaat.

Die Poli­zei war offen­bar geru­fen wor­den, nach­dem am Mon­tag­nach­mit­tag Unru­hen in dem Lager aus­ge­bro­chen waren. In einem von der Zei­tung Times of Mal­ta ver­öf­fent­lich­tem Video sind zunächst Schreie und Lärm aus dem Gebäu­de des Haft­la­gers zu hören. Dann zei­gen die Auf­nah­men den Ein­satz von Poli­zis­ten, die mit Hel­men, Schlag­stö­cken, Schutz­schil­den und eini­ge mit Geweh­ren aus­ge­stat­tet sind, gegen vor dem Gebäu­de am Boden lie­gen­de Flücht­lin­ge. Ein Flücht­ling, mög­li­cher­wei­se gefes­selt an Hand- und Fuß­ge­len­ken, wird von zwei Poli­zis­ten und einem Sani­tä­ter in einen Kran­ken­wa­gen gehievt.

Rufe aus ver­git­ter­ten Fenstern

Hin­ter min­des­tens zwei ver­git­ter­ten Fens­tern in dem drei­ge­schos­si­gen Gebäu­des machen Flücht­lin­ge die Repor­ter auf ihre Lage auf­merk­sam. Die Zei­tung zitiert einen Schutz­su­chen­den mit den Wor­ten: „Es gibt kei­ne Demo­kra­tie in Mal­ta, kei­ne Frei­heit, ich bin seit sechs Mona­ten hier ein­ge­sperrt. Jeden Tag sagen sie mir, dass ich mor­gen frei käme”. Jour­na­lis­ten der Zei­tung Mal­ta Indi­pen­dent film­ten, wie Poli­zis­ten die Flücht­lin­ge zu Boden zwan­gen und mit Kabel­bin­dern fes­sel­ten. Teil­wei­se auf Anwei­sung schei­nen eini­ge Uni­for­mier­te mit Geweh­ren in Rich­tung der obe­ren Stock­wer­ke des Gebäu­des zu zie­len. Schüs­se sind hörbar. 

Unab­hän­gi­ge Unter­su­chung gefordert 

Meh­re­re Flücht­lings­or­ga­ni­sa­tio­nen for­dern eine unab­hän­gi­ge Unter­su­chung des Poli­zei­ein­sat­zes, der Fra­gen auf­wirft: Anders als es die Vide­os erschei­nen las­sen, bestrei­tet das mal­te­ki­sche Innen­mi­nis­te­ri­um, dass die Schüs­se gezielt gegen Fens­ter des Gebäu­des oder Flücht­lin­ge abge­ge­ben wor­den sei­en. Bei den Schüs­sen habe es sich um Warn­schüs­se mit Gummi-„Pellets“ gehan­delt, mit­tels derer die Poli­zei die Lage unter Kon­trol­le gebracht habe. Der ins Kran­ken­haus gebrach­te Flücht­ling sei nicht ver­letzt, son­dern ohn­mäch­tig gewesen.

Flücht­lin­ge pro­tes­tier­ten gegen Inhaftierung 

Die Unru­hen waren aus­ge­bro­chen, wäh­rend vier Par­la­men­ta­ri­er des „Immigration“-Aussschusses das Lager besuch­ten. Medi­en­be­rich­ten zufol­ge sol­len rund 70 Flücht­lin­ge aus Nige­ria und Soma­lia betei­ligt gewe­sen sein. Als sie die Abge­ord­ne­ten sahen,  sol­len eini­ge begon­nen haben, laut­stark gegen ihre Inhaf­tie­rung zu pro­tes­tie­ren. Dem Innen­mi­nis­te­ri­um zufol­ge hät­ten Flücht­lin­ge aus dem zwei­ten Stock Ange­stell­te und Poli­zis­ten mit Stei­nen und ande­ren Objek­ten bewor­fen. Die Par­la­men­ta­ri­er hör­ten offen­bar Mobi­li­ar bers­ten, als sie von der Poli­zei aus dem Gebäu­de gelei­tet wur­den. Die Poli­zei war in das Gebäu­de gedrun­gen und hat­te meh­re­re Flücht­lin­ge ver­haf­tet. Sie­ben Flücht­lin­ge sol­len ange­klagt werden.

Anläss­lich der Vor­gän­ge in Hal Far for­der­ten die Flücht­lings­or­ga­ni­sa­tio­nen einen radi­ka­len Kurs­wech­sel der men­schen­rechts­ver­let­zen­den Inhaf­tie­rungs­po­li­tik. Alle neu­an­kom­men­den Flücht­lin­ge in Mal­ta wer­den inhaf­tiert. Im Juli 2013 hat­te der EGMR Mal­ta dazu ver­ur­teilt, der aus Soma­lia geflo­he­nen und 18 Mona­te lang inhaf­tier­ten Aden A. für die erlit­ten­e­n­en Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen eine Ent­schä­di­gung von 30.000 Euro zu bezahlen.

Medi­en­be­rich­te: times of mal­ta 26.2.; times of mal­ta 25.2.; Mal­ta Inde­pen­dent; Mal­ta Today;

Bericht Out of Sys­tem – Zur Situa­ti­on von Flücht­lin­gen auf Malta

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