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Haftlager Hal Far auf Malta: Polizeieinsatz gegen Flüchtlinge

Im Juli 2013 war Malta vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dafür verurteilt worden, Flüchtlinge unter menschenunwürdigen und unrechtmäßigen Bedingungen zu inhaftieren. Die jüngsten Vorfälle im Haftlager Hal Far werfen ein Schlaglicht auf die weiterhin prekäre Lage von Schutzsuchendem in dem Inselstaat.
Die Polizei war offenbar gerufen worden, nachdem am Montagnachmittag Unruhen in dem Lager ausgebrochen waren. In einem von der Zeitung Times of Malta veröffentlichtem Video sind zunächst Schreie und Lärm aus dem Gebäude des Haftlagers zu hören. Dann zeigen die Aufnahmen den Einsatz von Polizisten, die mit Helmen, Schlagstöcken, Schutzschilden und einige mit Gewehren ausgestattet sind, gegen vor dem Gebäude am Boden liegende Flüchtlinge. Ein Flüchtling, möglicherweise gefesselt an Hand- und Fußgelenken, wird von zwei Polizisten und einem Sanitäter in einen Krankenwagen gehievt.
Rufe aus vergitterten Fenstern
Hinter mindestens zwei vergitterten Fenstern in dem dreigeschossigen Gebäudes machen Flüchtlinge die Reporter auf ihre Lage aufmerksam. Die Zeitung zitiert einen Schutzsuchenden mit den Worten: „Es gibt keine Demokratie in Malta, keine Freiheit, ich bin seit sechs Monaten hier eingesperrt. Jeden Tag sagen sie mir, dass ich morgen frei käme”. Journalisten der Zeitung Malta Indipendent filmten, wie Polizisten die Flüchtlinge zu Boden zwangen und mit Kabelbindern fesselten. Teilweise auf Anweisung scheinen einige Uniformierte mit Gewehren in Richtung der oberen Stockwerke des Gebäudes zu zielen. Schüsse sind hörbar.
Unabhängige Untersuchung gefordert
Mehrere Flüchtlingsorganisationen fordern eine unabhängige Untersuchung des Polizeieinsatzes, der Fragen aufwirft: Anders als es die Videos erscheinen lassen, bestreitet das maltekische Innenministerium, dass die Schüsse gezielt gegen Fenster des Gebäudes oder Flüchtlinge abgegeben worden seien. Bei den Schüssen habe es sich um Warnschüsse mit Gummi-„Pellets“ gehandelt, mittels derer die Polizei die Lage unter Kontrolle gebracht habe. Der ins Krankenhaus gebrachte Flüchtling sei nicht verletzt, sondern ohnmächtig gewesen.
Flüchtlinge protestierten gegen Inhaftierung
Die Unruhen waren ausgebrochen, während vier Parlamentarier des „Immigration“-Aussschusses das Lager besuchten. Medienberichten zufolge sollen rund 70 Flüchtlinge aus Nigeria und Somalia beteiligt gewesen sein. Als sie die Abgeordneten sahen, sollen einige begonnen haben, lautstark gegen ihre Inhaftierung zu protestieren. Dem Innenministerium zufolge hätten Flüchtlinge aus dem zweiten Stock Angestellte und Polizisten mit Steinen und anderen Objekten beworfen. Die Parlamentarier hörten offenbar Mobiliar bersten, als sie von der Polizei aus dem Gebäude geleitet wurden. Die Polizei war in das Gebäude gedrungen und hatte mehrere Flüchtlinge verhaftet. Sieben Flüchtlinge sollen angeklagt werden.
Anlässlich der Vorgänge in Hal Far forderten die Flüchtlingsorganisationen einen radikalen Kurswechsel der menschenrechtsverletzenden Inhaftierungspolitik. Alle neuankommenden Flüchtlinge in Malta werden inhaftiert. Im Juli 2013 hatte der EGMR Malta dazu verurteilt, der aus Somalia geflohenen und 18 Monate lang inhaftierten Aden A. für die erlittenenen Menschenrechtsverletzungen eine Entschädigung von 30.000 Euro zu bezahlen.
Medienberichte: times of malta 26.2.; times of malta 25.2.; Malta Independent; Malta Today;
Bericht Out of System – Zur Situation von Flüchtlingen auf Malta
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