03.12.2014
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Nicht das, was Flüchtlingsorganisationen seit Jahren fordern: Der aktuelle Gesetzentwurf zum Bleiberecht sieht massive Verschärfungen des Aufenthaltsrechts vor. Foto: <a href="http://archive.jogspace.net/2010/11/19/3000-menschen-auf-der-jog-demo-i-%E2%99%A5-bleiberecht/">Bleiberechtsdemonstration der Jugendlichen ohne Grenzen, Hamburg, 2010 (JOG)</a>

Verstärkte Inhaftierung von Schutzsuchenden, mehr Abschiebungen und Möglichkeiten zur Aushebelung des geplanten Bleiberechts – darauf droht der heute im Bundeskabinett beratene Gesetzentwurf zur Neubestimmung von Bleiberecht und Aufenthaltsbeendigung hinauszulaufen. Das Vorhaben der großen Koalition zielt auf eine massive Verschärfung des Aufenthaltsrechts.

Das begrü­ßens­wer­te Vor­ha­ben des Koali­ti­ons­ver­trags, Tau­sen­den nur gedul­de­ten Men­schen in Deutsch­land end­lich ein Blei­be­recht zu bie­ten, droht in der Umset­zung durch Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Tho­mas DeMai­ziè­re in eine per­fi­de Geset­zes­ver­schär­fung ver­kehrt zu wer­den. Schon der ers­te Ent­wurf des Innen­mi­nis­te­ri­ums vom April 2014 ziel­te dar­auf, Asyl­su­chen­den in Deutsch­land den rechts­staat­li­chen Boden unter ihren Füßen wegzuziehen.

Nach koali­ti­ons­in­ter­nen Ver­hand­lun­gen liegt nun ein neu­er Ent­wurf vor, der heu­te im Bun­des­ka­bi­nett bera­ten wird. Die Neu­for­mu­lie­rung des Ent­wur­fes kann nicht dar­über hin­weg­täu­schen, dass wei­ter­hin eine mas­si­ve Ver­schär­fung des Auf­ent­halts­rechts droht.

Ver­schärf­te Inhaftierungsregeln

Neu for­mu­liert wur­den unter ande­rem die Haft­grün­de, die im ers­ten Ent­wurf vehe­men­te Kri­tik von Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen auf sich gezo­gen hat­ten. So soll als Anhalts­punkt für eine Inhaf­tie­rung nun aus­rei­chen, dass „der Aus­län­der zu sei­ner uner­laub­ten Ein­rei­se erheb­li­che Geld­be­trä­ge für einen Schleu­ser auf­ge­wen­det“ habe. Nach der Begrün­dung des Geset­zes­tex­tes sol­len Beträ­ge zwi­schen 3.000 und 20.000 Euro pro Per­son als Indiz für eine Ein­schleu­sung in das Bun­des­ge­biet her­hal­ten (Sei­te 39 Gesetz­ent­wurf). Das ist hane­bü­chen: Schutz­su­chen­de haben oft kei­ne ande­re Wahl, als teu­re Flucht­hel­fer zu enga­gie­ren, da ihnen lega­le Flucht­we­ge sys­te­ma­tisch ver­sperrt wer­den. Kaum ein Flücht­ling kann ohne die Auf­wen­dung erheb­li­cher Geld­be­trä­ge nach Deutsch­land kom­men. Ähn­li­ches gilt für die Haft­grün­de „Ver­nich­tung von Iden­ti­täts- oder Rei­se­do­ku­men­ten“ oder „Täu­schung der Iden­ti­tät“. Auch die­se ermög­lich­ten in einer Viel­zahl von Fäl­len die Inhaf­tie­rung von Flücht­lin­gen zum Zwe­cke der Rücküberstellung.

Unver­hält­nis­mä­ßig und recht­staat­lich frag­wür­dig ist zudem der in §62b Auf­enthG neu geschaf­fe­ne „Aus­rei­se­ge­wahr­sam“. Zur Siche­rung der Abschie­bung kön­nen Aus­län­der auf rich­ter­li­che Anord­nung für die Dau­er von längs­tens vier Tage in sol­chen „Aus­rei­se­ge­wahr­sam“ genom­men wer­den. Die sonst not­wen­di­gen Haft­grün­de müs­sen hier nicht ein­mal vor­lie­gen. Statt­des­sen sol­len unbe­stimm­te vage Gene­ral­klau­seln gelten.

Wie­der­ein­rei­se­sper­ren füh­ren zu Kriminalisierung

Hoch­pro­ble­ma­tisch sind auch die im Auf­ent­halts­ge­setz vor­ge­se­he­nen Wie­der­ein­rei­se­sper­ren nach §11 Abs. 7. Hier sieht der Gesetz­ge­ber unter ande­rem vor, dass Schutz­su­chen­de, deren Asyl­an­trag als „offen­sicht­lich unbe­grün­det“ abge­lehnt wur­de, mit einem Ein­rei­se- und Auf­ent­halts­ver­bot belegt wer­den kön­nen. Dies zielt auf die Kri­mi­na­li­sie­rung von Schutz­su­chen­den aus den angeb­lich siche­ren Her­kunfts­staa­ten. Ver­su­chen die Betrof­fe­nen nach einer Abschie­bung auf­grund einer etwa­igen Ver­fol­gungs­si­tua­ti­on erneut zu flie­hen, kön­nen sie bereits in jedem Schen­gen-Staat als Kri­mi­nel­le inhaf­tiert werden.

Blei­be­recht: Aus­he­be­lung durch restrik­ti­ve Ausländerbehörden?

Auch droht der vor­lie­gen­de Geset­zes­ent­wurf sei­nen eigent­li­chen Zweck, Tau­sen­den Men­schen durch eine Blei­be­rechts­re­ge­lung end­lich eine siche­re Auf­ent­halts­per­spek­ti­ve zu geben, durch restrik­ti­ve Details zu unter­lau­fen: So wird Aus­län­der­be­hör­den die Mög­lich­keit ein­ge­räumt, das im Koali­ti­ons­ver­trag ver­ein­bar­te Blei­be­recht durch die Ver­hän­gung eines zeit­lich befris­te­ten Auf­ent­halts­ver­bots aus­zu­he­beln. Nach §11 Abs. 6 kann ein Ein­rei­se- und Auf­ent­halts­ver­bot ange­ord­net wer­den, das zunächst auf ein Jahr befris­tet wird. Die­se Frist ver­streicht jedoch erst ab dem Zeit­punkt, an dem der Betrof­fe­ne tat­säch­lich aus­ge­reist ist. Durch die­se Rege­lung wer­den Ket­ten­dul­dun­gen nicht abge­schafft. Statt­des­sen wird der Druck auf die Betrof­fe­nen erhöht, das Land zu ver­las­sen. Die­se Rege­lung ist geeig­net, das ver­spro­che­ne Blei­be­recht in vie­len Fäl­len leer­lau­fen zu lassen.

Gene­rell gilt: Die im Gesetz­ent­wurf vor­ge­se­he­nen Ver­bes­se­run­gen für im Inland leben­de Men­schen gehen ein­her mit mas­si­ven Restrik­tio­nen für neu Ein­rei­sen­de. Der Ent­wurf zielt dar­auf, Deutsch­land künf­tig noch effek­ti­ver gegen Schutz­su­chen­de abzuschotten.

 Bun­des­tag beschließt Aus­wei­tung der Abschie­bungs­haft und Blei­be­rechts­re­ge­lung (02.07.15)

 Ver­schär­fung des Auf­ent­halts­rechts droht (20.11.14)

 Gesetz­ent­wurf zum Blei­be­recht: Wie Bun­des­in­nen­mi­nis­ter DeMai­ziè­re das Asyl­recht durch die Hin­ter­tür ver­schärft (11.06.14)