Image
Seit 2014 hat das Alarm Phone mit rund 3.200 Flüchtlingsbooten Kontakt gehabt. Durch die Durchgabe der Koordinaten können Rettungsschiffe aktiv werden - wie auf diesem Symbolbild. Foto: Christian Gohdes auf der Sea-Watch

Die EU-Mitgliedstaaten ignorieren im zentralen Mittelmeer ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen. Die Arbeit vom Watch the Med - Alarm Phone legt die unterlassene Hilfeleistung und den fortwährenden Völkerrechtsbruch durch die EU offen. Für ihren Einsatz für Menschen in Seenot erhalten sie den diesjährigen Menschenrechtspreis der Stiftung PRO ASYL.

Im Mit­tel­meer kamen seit 2014 nach offi­zi­el­len Zah­len 20.180 Men­schen im Mit­tel­meer ums Leben (Stand: 2. Juli 2020). Die meis­ten von ihnen ertran­ken im zen­tra­len Mit­tel­meer. Dort haben die EU und ihre Mit­glied­staa­ten ihre Kapa­zi­tä­ten für Such- und Ret­tungs­mis­sio­nen suk­zes­si­ve abgebaut.

Seit der Coro­na-Pan­de­mie haben Ita­li­en und Mal­ta erklärt, kei­ne Schutz­su­chen­den auf­zu­neh­men. In Fäl­len von See­not wer­den Küs­ten­wa­chen bei­der Staa­ten, wenn über­haupt, nur mit gro­ßer Ver­zö­ge­rung tätig.

Aktiv sind Ita­li­en, Mal­ta und die EU hin­ge­gen in die Zurück­schlep­pung Schutz­su­chen­der in die berüch­tig­ten Flücht­lings­la­ger Liby­ens invol­viert: über 4.000 Schutz­su­chen­de wur­den in die­sem Jahr von der »liby­schen Küs­ten­wa­che« abge­fan­gen und in das Bür­ger­kriegs­land zurück geschleppt.

Die Part­ner der EU, die Mili­zen der soge­nann­ten »liby­schen Küs­ten­wa­che«, gefähr­den bei ihren Ein­sät­zen die Leben der Schutz­su­chen­den und bedro­hen zivi­le Seenotretter*innen.

IMMER WIEDER WOCHENLANGES AUSHARREN AUF RETTUNGSSCHIFFEN

Wer­den Schutz­su­chen­de durch zivi­le See­not­ret­tungs­or­ga­ni­sa­tio­nen oder pri­va­te Han­dels­schif­fe geret­tet, hän­gen die Schif­fe teils wochen­lang vor den Küs­ten Mal­tas und Ita­li­ens fest, da ihnen die Aus­schif­fung unter­sagt wird.

Seit 2014 war das Alarm Pho­ne mit fast 3.200 Boo­ten in Kontakt!

Durf­ten die Schutz­su­chen­de zuvor an Land, nach­dem ande­re EU-Staa­ten ihre Auf­nah­me zuge­sagt hat­ten, hat sich wäh­rend der Coro­na-Pan­de­mie ein neu­es Vor­ge­hen eta­bliert: Schutz­su­chen­de wer­den auf »Qua­ran­tä­ne­schif­fe« ver­frach­tet und dort aber­mals meh­re­re Wochen festgehalten.

Am 06. Juli sol­len 180 Schutz­su­chen­de das zivi­le See­not­ret­tungs­schiff »Oce­an Viking« von »SOS Médi­ter­ra­née« ver­las­sen dür­fen. Aller­dings wer­den die Schutz­su­chen­den nicht an Land blei­ben, son­dern wer­den auf das Fähr­schiff »Moby Zaza« gebracht. Nach­dem sie in vier Ein­sät­zen am 25. und 30. Juni von der NGO aus See­not geret­tet wur­den und es Sui­zid­ver­su­che gab, wur­de der Not­stand an Bord ausgerufen.

Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft: »Seenotrettung« sucht man vergebens

Deutsch­land hat vom 01. Juli an bis Ende des Jah­res die EU-Rats­prä­si­dent­schaft inne. In dem Pro­gramm der Bun­des­re­gie­rung taucht »See­not­ret­tung« jedoch nicht auf.

Am 07. Juli trifft sich Bun­des­in­nen­mi­nis­ter, Horst See­ho­fer, mit sei­nen Amts­kol­le­gen zu einer infor­mel­len Video­kon­fe­renz. Auf der Tages­ord­nung steht ein Aus­tausch zum The­ma »See­not­ret­tung«. Im Fokus soll die Fra­ge ste­hen, wie Fort­schrit­te in den Berei­chen »Schleu­ser­be­kämp­fung, Außen­grenz­schutz und Rück­kehr« erzielt wer­den können.

Menschenrechtspreis 2020 der Stiftung PRO ASYL für Watch the Med – Alarm Phone

Seit 2014 war das Alarm Pho­ne mit fast 3.200 Boo­ten in Kon­takt und ver­such­te in oft ver­zwei­fel­ten Situa­tio­nen alles, um die Ret­tung der Men­schen sicherzustellen.

Das poli­ti­sche Umfeld, in dem das Alarm Pho­ne ope­riert, könn­te feind­se­li­ger kaum sein. Beson­ders die zivi­len See­not­ret­tungs­or­ga­ni­sa­tio­nen sehen sich seit Jah­ren poli­ti­schen Angrif­fen aus­ge­setzt und von Kri­mi­na­li­sie­rung bedroht. Zuletzt ver­wei­ger­te die See­not­leit­stel­le Mal­tas die Annah­me von Infor­ma­tio­nen zu einem Boot in See­not von Alarm Pho­ne mit den Wor­ten: »Wir reden nicht mit NGOs«.

Das Alarm Pho­ne trotzt allen men­schen­ver­ach­ten­den Ver­su­chen, den Zugang zu Schutz in Euro­pa zu blo­ckie­ren und bleibt stets an der Sei­te der Schutz­su­chen­den. Mit der rund um die Uhr von Ehren­amt­li­chen in Euro­pa und Nord­afri­ka betrie­be­nen Not­ruf-Hot­line ver­tei­digt Alarm Pho­ne im Mit­tel­meer kon­se­quent das Recht auf Leben.

Die Stif­tung PRO ASYL steht an der Sei­te der zivi­len See­not­ret­tungs­or­ga­ni­sa­tio­nen und unter­stützt mit der Aus­zeich­nung die Arbeit des Alarm Pho­nes. Das hat nicht nur sym­bo­li­schen Wert: Der Men­schen­rechts­preis, die »PRO ASYL – Hand«wird jähr­lich ver­ge­ben und ist mit 5.000 € dotiert.