14.10.2013
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Das Flüchtlingsboot kenterte offenbar nach Beschuss durch libysches Militär. Die Schüsse haben zwei Menschen unmittelbar getötet. Bild: Armed Forces of Malta

Nachdem am Freitag vor Lampedusa ein weiteres Flüchtlingsboot gesunken ist, erheben Überlebende schwere Vorwürfe: Ihr Boot sei von libyschen Streitkräften beschossen worden. Trotz des Vorfalls soll Libyen der EU bei der Abwehr von Flüchtlingen helfen.

Es war die zwei­te gro­ße Kata­stro­phe in kur­zer Zeit: Nach­dem der Kata­stro­phe vom 3. Okto­ber ken­ter­te am Frei­tag ein wei­te­res Flücht­lings­boot rund 60 Mei­len süd­öst­lich von Lam­pe­du­sa. Dass dies­mal das Mili­tär Mal­tas den Schiff­brü­chi­gen unter ande­rem mit Hub­schrau­bern zur Hil­fe kam, sodass rund 200 Men­schen geret­tet wer­den konn­ten, ver­dankt sich nicht zuletzt der gestei­ger­ten Auf­merk­sam­keit der Euro­päi­schen Öffent­lich­keit für das Ster­ben von Flücht­lin­gen auf dem Mittelmeer.

Nach offi­zi­el­len Zah­len kamen rund 50 Men­schen ums Leben. Nach einem Bericht von Mal­ta Today, der sich auf zahl­rei­che Aus­sa­gen von Über­le­ben­den stützt, könn­ten jedoch weit mehr Flücht­lin­ge ertrun­ken sein: Ihnen zufol­ge sol­len sich rund 400 oder 450 Schutz­su­chen­de – davon rund 100 Kin­der  – auf dem Schiff befun­den haben. Der Groß­teil der Flücht­lin­ge stammt aus Syrien.

Zwei Men­schen durch Schüs­se getötet 

Über­le­ben­de berich­te­ten zudem gegen­über Mal­ta Today und ande­ren Medi­en, dass ihr Boot schon kurz nach dem Able­gen in Zwa­ra /Libyen beschos­sen wor­den sei.  Die Schüs­se sei­en von einem Schiff des liby­schen Mili­tärs abge­ge­ben wor­den, nach­dem die­ses das Flücht­lings­boot bis in inter­na­tio­na­le Gewäs­ser ver­folgt habe. Ande­re, weni­ger plau­si­ble Berich­te behaup­ten dage­gen, die Schüs­se sei­en von kon­kur­rie­ren­den Schleu­sern abge­ge­ben wor­den. Fest steht dage­gen offen­bar, dass die Schüs­se zwei Men­schen unmit­tel­bar getö­tet und zum Ken­tern des Flücht­lings­boo­tes geführt haben. UN-Flücht­lings­kom­mis­sar Anto­nio Guter­res for­der­te eine Unter­su­chung des Vor­falls, eben­so der mal­te­si­sche Minis­ter­prä­si­dent Muscat.

Mal­ta und Liby­en bera­ten über enge­re Kooperation

Mus­cat hat­te anläss­lich der Flücht­lings­ka­ta­stro­phen Liby­ens  Pre­mier­mi­nis­ter Ali Zei­dan besucht, um mit die­sem über „bes­se­re Koope­ra­ti­on zwi­schen der EU und Liby­en“ zu bera­ten. Zei­dan sprach davon, sein Land wol­le „ille­ga­le Migra­ti­on“ unter­bin­den und bat dafür die Euro­päi­sche Uni­on um Trai­nings­maß­nah­men und tech­ni­sche Aus­rüs­tung. Auch erbat er Zugang zu den Daten euro­päi­scher Über­wa­chungs­sa­tel­li­ten, damit Liby­en sei­ne Land- und See­gren­zen effek­ti­ver über­wa­chen könne.

Sei­ne Bit­ten sind alles ande­re als uto­pisch, sieht doch jüngst ver­ab­schie­de­te  Pro­gramm Euro­sur eben­so wie die Arbeit der EU-Grenz­agen­tur Fron­tex die enge Ein­bin­dung von Dritt­staa­ten bei der Ver­hin­de­rung „ille­ga­ler Migra­ti­on“ vor. Zudem koope­rie­ren Ita­li­en und Liby­en bereits bei der Migra­ti­ons­be­kämp­fung, etwa im Rah­men eines am 07. Okto­ber 2013 abge­schlos­se­nen Über­ein­kom­mens, nach dem vor der liby­schen Küs­te liby­sche Grenz­po­li­zis­ten unter Über­wa­chung durch ita­lie­ni­sche Grenz­po­li­zis­ten patrouillieren.

Schwer­wie­gen­de Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen zu befürchten

Die Schwei­zer Poli­ti­ker Chris­toph Blo­cher (SVP), Kurt Flu­ri (FDP) und Ger­hard Pfis­ter (CVP) schlu­gen vor, die Uno oder die EU soll­ten in Nord­afri­ka Flücht­lings­la­ger ein­rich­ten. Die euro­päi­schen Staa­ten könn­ten die Asyl­ver­fah­ren dort durch­füh­ren. Das erin­nert deut­lich an die eins­ti­gen eben­so pro­ble­ma­ti­schen Plä­ne des ehe­ma­li­gen deut­schen Innen­mi­nis­ters Schily.

Nicht erst die Schüs­se auf das Flücht­lings­boot wei­sen dar­auf hin, dass die Koope­ra­ti­on mit Dritt­staa­ten wie Liby­en schwer­wie­gen­de Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen in Kauf nimmt oder die­se sogar ver­an­lasst. Statt die Zusam­men­ar­beit mit Dritt­staa­ten in der Flücht­lings­ab­wehr aus­zu­bau­en muss die EU Schutz­su­chen­den end­lich gefah­ren­freie Wege für Flücht­lin­ge eröff­nen. „Jeder hat das Recht, in ande­ren Län­dern vor Ver­fol­gung Asyl zu suchen und zu genie­ßen“, heißt es in der All­ge­mei­nen Erklä­rung der Men­schen­rech­te (Arti­kel 14, Absatz 1).

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