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EuGH-Urteil: Asylsuchende haben Recht auf menschenwürdige Unterbringung
Mit dem heutigen Urteil hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) klargestellt, dass die finanzielle Unterstützung für Asylsuchende so bemessen sein muss, dass ein menschenwürdiges Leben möglich ist.
In dem Verfahren in Belgien, das dem heutigen Urteil des EuGH zugrunde liegt, ging es insbesondere um die Frage, wie eine menschenwürdige Unterbringung von Asylsuchenden sicher zu stellen ist. Geklagt hatte Familie Saciri mit drei minderjährigen Kindern. Die zuständige Föderalagentur für die Aufnahme von Asylbewerbern (Fedasil) hatte ihnen einen Aufnahmeplatz verweigert und sie an das Öffentliche Sozialhilfezentrum Diest (ÖSHZ) weiter verwiesen.
Aber auch dort hatte Familie Saciri keine Unterkunft hatte bekommen können. Schließlich versuchte sie es auf dem privaten Wohnungsmarkt. Allerdings konnte sie sich die hohen Mieten nicht leisten, sodass sie einen Antrag auf staatliche Unterstützung stellten. Diese wurde ihnen mit der Begründung verweigert, dass die von der Fedasil bereitgestellten Aufnahmestrukturen für sie zuständig seien. Hiergegen klagte die Familie.
Die belgische Justiz verurteilte die Fedasil daraufhin, der Familie Saciri Aufnahme zu gewähren und knapp 3.000 Euro für die drei Monate zu zahlen, in denen sie nicht von der Fedasil untergebracht worden war. Hiergegen legte Fedasil bei der nächsthöheren Gerichtsinstanz Rechtsmittel ein. Diese rief den EuGH an, um eine europarechtliche Klärung herbeizuführen.
EuGH gab Flüchtlingen Recht
Daraufhin entschied nun der EuGH: Wird die Versorgung von Asylsuchenden nicht durch Sachleistungen, sondern durch Geldmittel gewährleistet, müssen diese die Betroffenen insbesondere in die Lage versetzen, eine Unterkunft zu finden, wobei gegebenenfalls die Wahrung der Interessen besonders bedürftiger Personen zu berücksichtigen ist. Ein menschenwürdiges Leben, bei dem die Gesundheit und der Lebensunterhalt der Schutzsuchenden gesichert ist, muss gewährleistet sein.
Der EuGH betonte zudem, dass das europäische Recht die familiäre Gemeinschaft und das Wohl des Kindes schützt. Kinder dürften nicht von ihren Eltern getrennt werden. Die Unterstützung müsse bereits ab Asylantragstellung gewährt werden. Eine Vollauslastung der Aufnahmeplätze rechtfertige nicht, dass von den Garantien der Richtlinie abgewichen werde.
Urteil auch für andere EU-Staaten bedeutsam
Auch in Ländern wie In Ländern wie Italien, Bulgarien und Ungarn ist das Urteil von hoher Brisanz für Flüchtlinge. Denn dort sind Asylsuchende vielfach mit einer katastrophalen Unterbringungssituation konfrontiert. Selbst Familien mit kleinen Kindern landen immer wieder in der Obdachlosigkeit. In Italien kommt es wegen der zu geringen Zahl an Aufnahmeeinrichtungen oft zur Familientrennung: Mütter und Kinder werden in einem Zentrum, Väter in einem anderen untergebracht. Es gibt auch Fälle, in denen Mutter, Vater und Kind sogar in drei verschiedenen Zentren untergebracht werden. In Bulgarien leben die Flüchtlinge in slum-ähnlichen Verhältnissen. Und in Ungarn werden Familien dadurch getrennt, dass viele Familienväter willkürlich inhaftiert werden.
PRO ASYL begrüßt das heutige Urteil als wichtiges Signal für die Behandlung von Asylsuchenden in den EU-Mitgliedstaaten. Das Urteil muss sich auch auf die Dublin-Entscheidungen auswirken: Asylsuchende, die nach Deutschland weitergereist sind, weil sie in anderen EU-Ländern obdachlos oder auf andere Weise menschenunwürdig untergebracht waren, dürfen nicht mehr dorthin zurückgeschoben werden. So lange die Mindeststandards des EU-Rechts bei der Unterbringung nicht beachtet werden, müssen Asylsuchende vor Überstellungen in diese Länder geschützt werden.
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