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Das Haftlager Moria auf Lesbos. Hier werden Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in Griechenland eingesperrt. Die Versorgung in den Lagern ist häufig mangelhaft, juristische Unterstützung gibt es nur von nichtstaatlichen Akteuren. Foto: Björn Kietzmann

Am 31. Mai wurden drei positive Entscheidungen des Asylkomitees auf Lesbos veröffentlicht: Die Türkei ist kein sicherer Drittstaat, die betroffenen Syrer dürfen nicht abgeschoben werden. Anwältinnen des PRO ASYL-Projektes „RSPA“ hatten die Vertretung der neun syrischen Schutzsuchenden in den Verfahren übernommen.

Der Druck auf die 2. Asy­l­in­stanz in Grie­chen­land ist gigan­tisch. Die EU-Kom­mis­si­on, die Mit­glieds­staa­ten und das Migra­ti­ons­mi­nis­te­ri­um erwar­ten Voll­zug. Das heißt: Den Weg frei zu machen für Abschie­bun­gen in die Tür­kei. Men­schen­rech­te und Flücht­lings­schutz spie­len dabei kei­ne Rol­le. Immer öfter beur­teilt das Asyl­ko­mi­tee die Situa­ti­on aber anders, so auch bei den ges­tern ver­öf­fent­lich­ten Ent­schei­dun­gen. In den Fäl­len ging es um die Fest­stel­lung der Zuläs­sig­keit eines Asyl­an­trags in Grie­chen­land, im Zusam­men­hang mit der Fra­ge, ob die Tür­kei ein „siche­rer Dritt­staat“ ist.

Mittlerweile zehn positive Entscheidungen 

Mit gro­ßer Erleich­te­rung haben die betrof­fe­nen Asyl­su­chen­den die Nach­richt auf­ge­nom­men, dass ihre Abschie­bung in die Tür­kei nun­mehr gestoppt ist. Damit gibt es mitt­ler­wei­le zehn ver­öf­fent­lich­te Ent­schei­dun­gen der 2. Asy­l­in­stanz, in denen fest­ge­stellt wur­de, dass die Tür­kei kein „siche­rer Dritt­staat“ für syri­sche Flücht­lin­ge ist. Bereits ver­gan­ge­ne Woche wur­den posi­ti­ve Ent­schei­dun­gen öffent­lich. Dar­über hin­aus lie­gen zahl­rei­che wei­te­re posi­ti­ve Ent­schei­dun­gen vor, die bis­lang jedoch noch nicht zuge­stellt wurden.

Das „Admi­nis­tra­ti­ve Appeals Comit­tee“ ist kein Gericht, son­dern ein drei­köp­fi­ges Komi­tee.  Dort kann Wider­spruch gegen die erst­in­stanz­li­che Ableh­nung durch die grie­chi­schen Asyl­be­hör­den ein­ge­legt wer­den. Trotz des mas­si­ven Dru­ckes haben die Mit­glie­der des Asyl­ko­mi­tees stand­ge­hal­ten und im Ein­klang mit dem Völ­ker­recht zuguns­ten der Schutz­su­chen­den entschieden.

RSPA-Anwältinnen vertreten die Schutzsuchenden

Anwäl­tin­nen des PRO ASYL-Pro­jekts „Refu­gee Sup­port Pro­gram Aege­an“ (RSPA) haben auch die neun syri­schen Schutz­su­chen­den in den Anhö­run­gen in der 2. Instanz am 20. und 21. April 2016 ver­tre­ten. Seit Inkraft­tre­ten des zyni­schen Deals mit Erdo­gan arbei­ten unse­re Kol­le­gin­nen auf Les­bos, Chi­os und in Athen rund um die Uhr, um Schutz­su­chen­den in einem als rechts­staats­wid­rig ange­leg­ten Ver­fah­ren den­noch zu ihrem Recht zu verhelfen.

Der EU-Tür­kei-Deal hat ein men­schen­recht­li­ches Desas­ter in der Ägä­is verursacht.

Schlechte Versorgung, Kein rechtsstaatliches Verfahren

Der zyni­sche Groß­ver­such in der Ägä­is muss end­lich gestoppt wer­den. Die Abschie­bun­gen in die Tür­kei müs­sen been­det wer­den. Tau­sen­de Schutz­su­chen­de wur­den seit dem 20. März inhaf­tiert, es fehlt an Essen, es man­gelt an medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung. Die Haft­la­ger und pro­vi­so­ri­schen Unter­künf­te sind völ­lig über­füllt und die hygie­ni­schen Ver­hält­nis­se kata­stro­phal. In den soge­nann­ten Hot­spots gelan­gen Schutz­su­chen­de kaum an Infor­ma­tio­nen zum Verfahren.

Ledig­lich weni­ge spen­den­fi­nan­zier­te Anwäl­tIn­nen ver­su­chen, unter wid­rigs­ten Bedin­gun­gen gegen ableh­nen­de Ent­schei­dun­gen der ers­ten Instanz vor­zu­ge­hen. In solch einer Situa­ti­on, in der Flücht­lin­gen weder eine gere­gel­te Basis­ver­sor­gung, noch ihre Sicher­heit in den Lagern gewähr­leis­tet wird, kann es kein rechts­staat­li­ches Ver­fah­ren geben.

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All­tag im Haft­la­ger Moria auf Les­bos. Die grie­chi­schen Behör­den sind über­for­dert, vie­le Flücht­lin­ge konn­ten bis­lang nicht ein­mal einen Asyl­an­trag stel­len. Foto: Björn Kietzmann

Menschenrechtliches Desaster beenden!

Der EU-Tür­kei-Deal hat ein men­schen­recht­li­ches Desas­ter in der Ägä­is ver­ur­sacht. Dies war der EU, der Bun­des­re­gie­rung und allen Beob­ach­tern vor­her klar. Das Cha­os wur­de aber bil­li­gend in Kauf genom­men, da es den poli­ti­schen Ver­ant­wort­li­chen in Brüs­sel und in Ber­lin ledig­lich um den Voll­zug der Abschie­bun­gen in die Tür­kei geht. Men­schen­rech­te und Flücht­lings­schutz geht haben dabei dort kei­ne Prio­ri­tät mehr. PRO ASYL wird Kla­gen bis zu den höchs­ten euro­päi­schen Gerich­ten unter­stüt­zen, damit die Recht­lo­sig­keit von Schutz­su­chen­den auf den grie­chi­schen Inseln been­det wird.