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EU-Kommission: Asylsuchende sollen nach Quoten verteilt werden
Die EU-Kommission drängt auf eine Quotenregelung zur Verteilung von Asylsuchenden in der EU. Doch zahlreiche EU-Staaten verwehren sich dem Reformvorhaben. Vor allem aber würde die Regelung das Grundproblem der bislang geltenden Dublin-Regelung nicht lösen: Flüchtlinge würden weiterhin wie Stückgut behandelt.
Wie die Süddeutsche Zeitung vorab berichtete hat die EU-Kommission in Brüssel heute den Mitgliedsstaaten vorschlagen, rund 40.000 Schutzsuchende im Rahmen einer Notfallmaßnahme aus Italien und Griechenland in andere EU-Staaten umzusiedeln, um die beiden Länder zu entlasten.
In Griechenland kamen allein in den letzten zwei Tagen über 1.200 Schutzsuchende auf den Ägäis-Inseln an, wo sie oft kaum Erstversorgung erhalten, über kurz oder lang obdachlos auf der Straße landen und aufgrund des kaum existierenden Asylsystems so gut wie keine Chance haben, einen Asylantrag zu stellen. Auch Flüchtlinge, die über das zentrale Mittelmeer nach Italien fliehen, erhalten dort keine angemessene Versorgung. In Italien, wo von Januar bis Anfang Mai 2015 rund 35.500 Schutzsuchende anlandeten, ist das Aufnahmesystem längst kollabiert, vielen Schutzsuchenden droht über kurz oder lang Obdachlosigkeit.
Quoten als Alternative zu Dublin III?
Die Umverteilung soll auf der Grundlage einer Quotenregelung erfolgen, die die EU-Kommission generell als Alternative zum bisherigen System der Dublin-III-Verordnung vorschlägt. Der Verteilungsschlüssel soll Bevölkerungszahl, Wirtschaftsleitung und Arbeitslosenquote der EU-Staaten berücksichtigen.
Auch wenn eine sogenannte „Relocation“ von Flüchtlingen aus den EU-Randstaaten, in denen Schutzsuchende in Not und Elend leben, wünschenswert ist, geht der Vorschlag der EU-Kommission aus zwei Gründen an der Realität vorbei:
Zahlreiche Mitgliedstaaten verwehren sich den Plänen der EU-Kommission. Frankreichs Premierminister Manuel Valls sprach sich gegen eine Quotenregelung aus. Der Regelung entsprechend müsste Frankreich 14 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen, an zweiter Stelle nach Deutschland (18 Prozent). Auch Polen, Ungarn, Dänemark und vor allem Großbritannien lehnen den Vorschlag der EU-Kommission ab.
Keine Rücksicht auf die Bedürfnisse der Betroffenen
Vor allem aber würde der Vorschlag nichts an der Tatsache ändern, dass Flüchtlinge weiterhin gegen ihren Willen zwangsverteilt würden. Flüchtlinge verfolgen das legitime Interesse, dorthin zu fliehen, wo sie am ehesten Chancen haben, sich ein neues, selbstbestimmtes Leben aufzubauen – und damit dorthin, wo sie Bezugspunkte wie Angehörige, Freunde oder Bekannte haben, die ihnen die Integration erleichtern können.
Deutschland ist daher eines der Hauptzielländer: Europaweit lebt hier die höchste Zahl von Flüchtlingen aus Syrien, Irak, und Afghanistan: Über 130.000 Syrer, rund 90.000 Iraker und rund 75.000 Afghanen leben z.T. seit Jahren in Deutschland. In anderen EU-Staaten leben weitaus weniger Menschen aus den genannten Staaten.
Als Folge einer starren Zwangsverteilung würden Flüchtlinge weiterhin gezwungen sein, mit Hilfe von Schleppern kreuz und quer durch Europa zu reisen. Weiterhin würden ihnen Abschiebungen in EU-Staaten drohen, in denen sie keine Aussicht auf eine neue Lebensperspektive haben. Dies wäre keine Verbesserung gegenüber dem jetzigen Dublin-System, das vorsieht, dass Schutzsuchende in dem EU-Staat bleiben müssen, den sie zuerst betreten haben.
Free Choice statt Zwangsverteilung
PRO ASYL setzt sich gemeinsam mit dem Deutschen Anwaltsverein, der Diakonie Deutschland, AWO, dem Paritätischen, der Neuen Richtervereinigung und anderen Organisationen dafür ein, dass die berechtigten Belange der Flüchtlinge berücksichtigt werden und Flüchtlinge in dem Land den Asylantrag stellen, das sie erreichen möchten. Das gemeinsam veröffentlichte „Memorandum: Für ein gerechtes und solidarisches System der Verantwortlichkeit“ schlägt vor, dass Ungleichgewichte zwischen den EU-Staaten durch einen finanziellen Ausgleich kompensiert werden – denn Geld lässt sich fraglos unproblematischer hin- und hertransferieren als Menschen.
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