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Otto Schily lässt grüßen: DeMaizière fordert Auffanglager für Flüchtlinge in Nordafrika
Bundesinnenminister DeMaizière hat gegenüber den Medien erklärt, dass „Willkommens- und Ausreisezentren“ außerhalb Europas in Transitländern eingerichtet werden sollen. Sein Vorstoß ähnelt einem des ehemaligen Innenministers Otto Schilys von 2004. Der Vorschlag ist heute so falsch wie damals.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat im Morgenmagazin des ZDF heute erläutert, dass „Willkommens- und Ausreisezentren“ außerhalb Europas eingerichtet werden sollen. „Was wir eigentlich brauchen – das haben wir auch mit den Innenministern besprochen – wir müssen in den Transitländern möglicherweise so etwas wie Willkommens- und Ausreisezentren machen. Der UNHCR, das Weltflüchtlingswerk der UNO könnte sie betreiben, um dann zu entscheiden, wer geht zurück und wer kommt nach Europa“, so der Bundesinnenminister.
In den Augen DeMaiziéres stellt sich die Seenotrettungsaktion Mare Nostrum, die mehr als 150.000 Menschenleben rettete, „als Brücke nach Europa“ und „eine Art Beihilfe für die Vermögen von Menschenhändlern“ dar. Deshalb sollen die Rettungsaktionen beendet und die Flüchtlinge in den Transitländern aufgefangen werden. Sein Vorstoß erinnert damit stark an die Vision Otto Schilys von Auffanglagern in Nordafrika, in denen Schutzsuchende schon in Transitländern abgefangen werden sollen. Schilys Vorhaben stieß 2004 auf vehemente Kritik von Menschenrechtsorganisationen.
PRO ASYL lehnt die Idee, Auffanglager zum Beispiel in Nordafrika zu errichten, vehement ab. Deutschland und Europa werden ihrem menschenrechtlichen Anspruch nicht gerecht, wenn sie die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz immer weiter wegschieben. Die Externalisierung der Asylverfahren ist keine Lösung für das Sterben von Flüchtlingen auf dem Meer sondern ein Instrument zur Aushebelung des Asylrechts in Europa.
Die vier wichtigsten Argumente gegen sogenannte „Willkommenszentren“ in Transitländern:
1. Das Sterben im Mittelmeer wird nicht verhindert. Auffanglager, die nur wenigen Flüchtlingen eine Perspektive bieten, können Schutzsuchende nicht davon abhalten, in seeuntüchtigen Booten nach Europa aufzubrechen.
2. Die Zielsetzung der Staaten in diesem Konzept ist es, das individuelle Recht auf Asyl in ein Gnadenrecht zu verwandeln, nach dem sie sich selbst handverlesen Flüchtlinge auswählen, denen sie die Einreise gestatten. Das Asylrecht dagegen entzieht sich per se einer politisch motivierten Begrenzung der Zahl. Es richtet sich nach dem Schutzbedürfnis der Betroffenen, nicht nach den Interessen des Staates. Dieses Verhältnis würde umgekehrt.
3. In den sogenannten „Willkommenszentren“ gibt keine rechtsstaatlichen Garantien: Zu einem rechtsstaatlichen Verfahrens gehört, dass negative Behördenentscheidungen von Gerichten überprüft werden können. Dies wäre in Lagern in Nordafrika nicht möglich. Außerdem wäre eine unabhängige Beratung und Vertretung durch Rechtsanwälte nicht möglich. Mit dem Recht auf ein faires Verfahren und Rechtsstaatlichkeit sind solche Vorschläge nicht zu vereinen.
4. Das Modell würde dazu führen, dass auch Flüchtlinge, die in einem externalisierten Verfahren anerkannt würden, ohne Asylland bleiben. Denn Ungeklärt ist bislang die Frage, welcher Staat schließlich für die Aufnahme der als schutzbedürftig anerkannten verantwortlich ist. Es ist zu befürchten, dass sich die europäischen Staaten über die Auslagerung des Verfahrens in Transitstaaten dieser Verantwortung entziehen wollen.
Schwierige bis katastrophale Menschenrechtslage in Transitstaaten
Neben diesen grundsätzlichen Einwänden gegen die Auslagerung des Flüchtlingsschutzes in Transitstaaten ist daran zu errinnern, dass die aktuelle Menschenrechtslage in den zentralen Transitstaaten eine solche Kooperation nicht zuließe: In Libyen, dem derzeit wichtigsten Transitland für Schutzsuchende auf der Flucht nach Europa, herrscht Bürgerkrieg. Auch in Ägypten sind schwere Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Human Rights Watch spricht vom „dramatischsten Niedergang der Menschenrechtslage in Ägyptens moderner Geschichte unter der Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi“.
Broschüre „Flucht braucht Wege – Positionen für eine neue europäische Flüchtlingspolitik
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