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Erneute Flucht: Aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben, jetzt in Griechenland gestrandet

Aus Deutschland abgeschobene afghanische Schutzsuchende sind erneut zur Flucht gezwungen. Jetzt sitzen sie in Griechenland unter unmenschlichen Bedingungen fest. Mitarbeiter*innen von Refugee Support Aegean (RSA), Partnerorganisation von PRO ASYL in Griechenland, haben vier Flüchtlinge getroffen, die in den griechischen Lagern gestrandet sind.
Kaum abgeschoben, wieder auf der Flucht
Ali Mohammad*, Mostafa*, Jafar* und Hassan Jan* (*alle Namen geändert) sind aus Afghanistan geflohen, als sie noch sehr jung waren. Sie beantragten in Deutschland Asyl, erhielten aber nur den prekären Status einer Duldung. Sie alle waren gut integriert, arbeiteten oder gingen zur Schule. Dennoch wurden sie im Morgengrauen festgenommen, auf einen Charter-Flug verbracht und zwangsweise nach Afghanistan abgeschoben. Zurück in Kabul konnten sie nur für kurze Zeit eine Unterkunft finden. Sie wurden bedroht und erlebten Anschläge in ihrer unmittelbaren Nähe.
Mostafa, 24 Jahre alt, spricht von den Gefahren, denen er sich nach seiner Abschiebung nach Kabul ausgesetzt sah: »Als ich in Afghanistan war, explodierte drei Mal eine Bombe in meiner unmittelbaren Nähe.« Alle vier flohen schließlich erneut nach Europa und sitzen jetzt unter menschenunwürdigen Bedingungen in griechischen Flüchtlingscamps fest. Dort sprachen sie mit Mitarbeiter*innen von Refugee Support Aegean (RSA).
»Als ich in Afghanistan war, explodierte drei Mal eine Bombe in meiner unmittelbaren Nähe.«
Traumatisierende Abschiebung aus Deutschland
Seit der Unterzeichnung des »Joint Way Forward«-Abkommens zwischen der EU und Afghanistan im Oktober 2016, mit dem Ziel Abschiebungen nach Afghanistan zu erleichtern, wurden insgesamt 174 afghanische Schutzsuchende aus Deutschland nach Kabul abgeschoben. Die vier jungen Männer waren auf den ersten drei Charter-Flügen, die aus Deutschland starteten. Die Erfahrung der Abschiebung beschreiben alle vier als traumatisierend.
»Im Morgengrauen stand die Polizei plötzlich in meinem Zimmer. Sie gaben mir nur zehn Minuten Zeit, ich konnte nur die Kleider mitnehmen, die ich anhatte.«
Ali Mohammad, 27 Jahre alt, berichtet: »Im Morgengrauen stand die Polizei plötzlich in meinem Zimmer. Sie gaben mir nur zehn Minuten Zeit, ich konnte nur die Kleider mitnehmen, die ich anhatte. Vor lauter Aufregung vergaß ich, mein Schulzeugnis einzupacken. Dann war ich auf einmal in Kabul, nach sechs Jahren in Deutschland. Was ich dort sah, war für mich sehr schwierig. In den ersten Tagen hatte ich zu viel Angst, um raus zu gehen.«
Erneute Flucht aus Afghanistan
Die vier jungen Männer sahen sich gezwungen, erneut aus Afghanistan zu fliehen. Auf ihrer Flucht nach Europa wurden sie abermals Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen, wie völkerrechtswidrigen Zurückweisungen (sogenannte Push-Backs) an der türkisch-griechischen Grenze.
»Sie ließen uns auf einer kleinen Insel mitten im Fluss zurück.«
Hassan Jan erzählt von einer kollektiven Zurückweisung aus Griechenland im Juni 2017: »…Sie [die griechischen Beamten] verbrachten uns in einen fensterlosen Lieferwagen und fuhren mich und andere Flüchtlinge, darunter Familien, an das Ufer des Evros-Flusses. Sie zwangen uns auf ein Boot. Sie ließen uns auf einer kleinen Insel mitten im Fluss zurück. Wir wurden gezwungen, durch den Fluss bis an das türkische Ufer zu laufen…«
In Griechenland gestrandet
Jafar ist 25 Jahre alt. Die Erfahrungen der Abschiebung, die Risiken in Afghanistan und die Lebensbedingungen in den griechischen Flüchtlingslagern haben seine psychische Gesundheit massiv beeinträchtigt.
Er berichtet: »Alle hier können diese Bedingungen nicht mehr ertragen und die Unsicherheit, wie es für sie weitergeht. Immer wieder kommt es zu Handgreiflichkeiten und Konflikten. Im Dezember 2017 wurden unsere Zelte aufgrund von Unruhen erneut zerstört. Alle unsere Sachen sind verloren gegangen, wurden gestohlen oder zerstört. Wir haben nichts mehr und müssen wieder von Null beginnen.«
»Alle unsere Sachen sind verloren gegangen, wurden gestohlen oder zerstört. Wir müssen wieder von Null beginnen.«
Die vier jungen Männer sitzen alle in Griechenland fest. Hassan Jan versucht, in Athen zu überleben, während die anderen drei auf einer der ägäischen Inseln festsitzen – als Folge des EU-Türkei-Deals. Sie hoffen immer noch, nach Deutschland zurück zu kommen, wo sie sich zuhause gefühlt haben.
Afghanistan ist nicht sicher!
2017 kamen in Afghanistan 3.438 Zivilist*innen ums Leben und auch in den letzten Wochen ereigneten sich zahlreiche tödliche Anschläge. Die Geschichten der jungen Männer zeigen: Die Bundesregierung ist bereit, die gewaltvolle Realität in Afghanistan zu ignorieren, um Flucht- und Migrationsbewegungen zu unterbinden. Mit weiteren Abschiebungen gefährden die deutschen Behörden das Leben schutzbedürftiger Flüchtlinge – Afghanistan ist nicht sicher!