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Eritrea: Ein Land im Griff einer Diktatur
Die Schutzquoten für eritreische Flüchtlinge sind zwar immer noch hoch, in einigen europäischen Ländern wird aber immer wieder behauptet, die menschenrechtliche Lage dort würde sich verbessern. Die Beiträge bei der europaweiten Eritrea-Konferenz im vergangenen Jahr widerlegen diese Mutmaßungen, sie wurden nun in einer Broschüre zusammengefasst.
Zu diesem Anlass veröffentlichen wir hier leicht verändert den ersten Teil der Einleitung. Die vollständige Broschüre kann hier heruntergeladen und bei Connection e.V. bestellt werden.
1993 wurde Eritrea, nach einem jahrzehntelangen Krieg gegen Äthiopien, unabhängig. Seitdem herrscht dort die »Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit« (PFDJ), die aus der früheren bewaffneten »Unabhängigkeitsbewegung der Eritreischen Volksbefreiungsfront« (EPLF) hervorgegangen ist.
Die Willkür hat System
Der Parteivorsitzende Isayas Afewerki ist seither gleichzeitig Staatspräsident und Regierungschef. Die Verfassung, obwohl von der konstituierenden Nationalversammlung kurz nach der Unabhängigkeit beschlossen, trat zu keinem Zeitpunkt in Kraft. Präsident Afewerki ordnete stattdessen die Erstellung einer alternativen Verfassung an, die nie bekannt wurde.
»Eritrea wird in willkürlicher Art und Weise durch den Präsidenten & seine engsten Vertrauten regiert. Die Höhe der staatlichen Einnahmen, z.B. durch die Minen, sind nicht öffentlich bekannt. Die größten Teile der Wirtschaft werden durch die Einheitspartei kontrolliert.«
Der Präsident und seine Regierung sind nicht gewählt. Es hat kein einziges Mal eine Wahl stattgefunden. Es gab noch nicht einmal eine Versammlung der regierenden Partei.
Fortwährende Menschenrechtsverletzungen
Als Folge des Krieges mit Äthiopien (1998–2000) gilt das Land als hochgradig militarisiert. Willkür und Menschenrechtsverletzungen sind weit verbreitet. Menschenrechtsorganisationen und die Vereinten Nationen kritisieren beispielsweise willkürliche Verhaftungen und Tötungen, Folter, politische Verfolgung, grausame Haftbedingungen, Zwangsarbeit sowie Einschränkungen der Bewegungs‑, Meinungs‑, Glaubens- und Religionsfreiheit.
»Es gibt keine unabhängige Justiz, kein Parlament & keine anderen demokratischen Institutionen im Land. Das hat zu einer Herrschaft ohne jede Rechtsgrundlage geführt. Resultat ist seit 25 Jahren ein Klima der Straffreiheit bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit.«
Willkürlicher »Nationaldienst«
Seit dem Krieg mit Äthiopien müssen außerdem alle Männer und Frauen zwischen dem 18. und dem 50. Lebensjahr Militärdienst leisten, der eigentlich auf 18 Monate begrenzt ist, aber regelmäßig über Jahre verlängert wird. Die Kriegsdienstleistenden werden häufig zu Arbeiten in der Landwirtschaft oder Verwaltung zwangsverpflichtet und sind Misshandlungen ausgesetzt.
Die Situation wird noch dadurch verschärft, dass der Nationaldienst von einer völlig willkürlich ausgeführten Kontrolle durchdrungen ist, wie Gaim Kibreab, ein aus Eritrea nach London emigrierter Wissenschaftler berichtete.
»Es gibt keinerlei Regelungen, die wichtige Bereiche – wie den Jahresurlaub, welche Art von Bestrafung bei Fehlverhalten vorgesehen ist oder die Beziehung zwischen Wehrpflichtigen und Vorgesetzten – definieren würden.«
Damit haben die Befehlshaber freie Hand und können alles tun, was sie wollen, einschließlich unmenschlicher und erniedrigender Bestrafung, Ausbeutung der Arbeitskraft der Wehrpflichtigen zum persönlichen Vorteil und sexueller Gewalt gegenüber Rekrutinnen.
Exilsteuer zur Regimefinanzierung
Konsulate und Botschaften verlangen stellvertretend für die eritreische Regierung eine sogenannte Exilsteuer. Bei Inanspruchnahme von konsularischen Diensten wird die Zahlung einer 2%-Steuer auf das gesamte Einkommen fällig. Eine Studie im Auftrag der niederländischen Regierung zeigt, dass diese Steuer willkürlich, ohne klare Ziele und zwangsweise eingezogen wird.
Die Gelder der Migrant*innen werden so zynischerweise zu einer wichtigen Einnahmequelle für das eritreische Regime, für deren Eintreibung auch noch in Eritrea befindliche Familienangehörige unter Druck gesetzt oder gar inhaftiert werden.
»Die eritreische Regierung kontrolliert die Grenzen rigoros, auch durch einen Schießbefehl gegenüber jeder Person, die versucht, unerlaubt die Grenzen zu übertreten. Zur gleichen Zeit gibt es zunehmend Beweise dafür, dass die gleiche Regierung vom Menschenhandel profitiert.«
Jeden Monat sind Tausende auf der Flucht
Auch die UN-Sonderberichterstatterin zur Situation der Menschenrechte in Eritrea, Sheila Keetharuth, nannte willkürliche Haft, Tod im Gewahrsam, Verschwindenlassen, Unterdrückung der religiösen Freiheit, ein sklavereiähnliches System des Nationaldienstes und sexuellen Missbrauch von Frauen in diesem als Gründe für Flucht aus Eritrea.
Es wird davon ausgegangen, dass monatlich rund 5.000 Menschen aus dem Land in die Nachbarstaaten Äthiopien, Sudan, Dschibuti oder auch den Jemen flüchten – bei nur rund 4,5 Millionen Einwohner*innen. Eritreer*innen waren mit 21.253 Personen 2016 die fünftgrößte Gruppe von Geflüchteten, die Europa über das Mittelmeer erreichten – und dabei die die einzige aus den Top 5, in deren Heimatland es keinen aktuellen bewaffneten Konflikt gab.
Die meisten der eritreischen Flüchtlinge verbleiben zwar in den Nachbarstaaten, viele suchen unter Lebensgefahr aber auch den Weg nach Europa. Einige europäische Länder, darunter die Schweiz, Deutschland und Dänemark, versuchen daher die katastrophale Menschenrechtslage und die Verfolgungsgefahr für Flüchtlinge herunterzuspielen.
In Deutschland erhalten Eritreer*innen immer seltener den vollen Flüchtlingsschutz. Diese Entwicklung ist mit der unveränderten Situation in der Militärdiktatur nicht zu rechtfertigen.
In Deutschland hat das bereits dazu geführt, dass Eritreer*innen immer seltener den vollen Flüchtlingsstatus erhalten. Während noch Anfang 2016 fast jede*r als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) anerkannt wurde, sank die Zahl im Jahr 2017 auf nur noch 54 Prozent, gleichzeitig stieg zwar die Zahl derjenigen, denen subsidiärer Schutz gewährt oder bei denen ein Abschiebeverbot festgestellt wurde, aber auch die der Ablehnungen. Diese Entwicklung ist mit der unveränderten Situation in der Militärdiktatur nicht zu rechtfertigen.
Rudi Friedrich, Connection e.V.