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Ene, mene, muh und raus bist du! Mehr Asylsuchende von Integrationschancen ausgeschlossen

Seit dem 1. August 2019 gelten nur noch Asylsuchende aus zwei Ländern als Personen mit »guter Bleibeperspektive«: jene aus Syrien und Eritrea. Eine Einordnung, die der Realität und Bedürfnissen der Betroffenen widerspricht. Wertvolle Zeit zur Integration geht verloren.
Die »gute Bleibeperspektive«: von Anfang an eine Fehlkonstruktion
Seit 2015 unterscheiden deutsche Politiker*innen bei Maßnahmen zur Integration von Asylbewerber*innen gerne nach »guter« und »schlechter Bleibeperspektive«. Mit dem Asylpaket I wurde dann bezüglich der Teilnahme an Integrationskursen festgelegt, dass nur Asylbewerber auf einen freien Platz im Integrationskurs nachrücken können, bei denen ein »rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist«. Die Bundesagentur für Arbeit hat diese Unterscheidung übernommen und nutzt sie bei Entscheidungen über Maßnahmen der Arbeitsförderung. Auch wird berichtet, dass Ausländerbehörden, insbesondere in Bayern, bei einer vermeintlich schlechten Bleibeperspektive keine Beschäftigungserlaubnis erteilen.
Die Frage nach der Bleibeperspektive wird jedoch nicht nach einer individuellen Prognose bestimmt, sondern pauschal nach dem Herkunftsstaat. Bei Personen aus Herkunftsländern mit einer (unbereinigten) Schutzquote von über 50% wird von einer »gute Bleibeperspektive« ausgegangen, bei unter 50% von einer schlechten. Damit wird eine unfaire und diskriminierende Unterscheidung zwischen verschiedenen Asylbewerber*innen getroffen, nach der einige während des Asylverfahrens bessere Integrationsmöglichkeiten als andere bekommen – obwohl sich die tatsächlichen Möglichkeiten in Deutschland zu bleiben bei allen erst aus dem individuellen Asylverfahren ergeben. Und dieses kann lange dauern – für viele verschenkte Zeit, wenn sie wegen ihres Herkunftsstaates keinen Zugang zu Integrationskursen oder Arbeitsförderung haben.
Zudem gilt: Den Zugang zu Sprachförderung oder auch anderen Qualifizierungsmaßnahmen nur geflüchteten Menschen anzubieten, die eine (vermeintlich) »gute Bleibeperspektive« haben, stellt nicht nur jede Regel des Sozialstaatsprinzips auf den Kopf. Sie ist auch kontraproduktiv, weil sie jede Eigeninitiative und Selbsthilfe im Keim erstickt und damit die Abhängigkeit von (staatlicher) Hilfe verfestigt.
Ab dem 1. August 2019: weniger Asylbewerber*innen mit »guter Bleibeperspektive«
Bislang galten Menschen aus Eritrea, Irak, Iran, Syrien und Somalia als Asylbewerber*innen mit »guter Bleibeperspektive«. Doch das ändert sich mit dem 1. August, da im Zuge einer Aktualisierung der Liste nur noch Eritrea und Syrien übrig bleiben.
Bislang galten Menschen aus Eritrea, Irak, Iran, Syrien und Somalia als Asylbewerber*innen mit »guter Bleibeperspektive«. Doch das ändert sich mit dem 1. August, da im Zuge einer Aktualisierung der Liste nur noch Eritrea und Syrien übrig bleiben.
Dabei zeichnet die bereinigte Schutzquote – bei der formale Verfahrenserledigungen und Dublin-Fälle rausgerechnet werden, was sie aussagekräftiger macht – ein ganz anderes Bild: Während Syrien (99.9%) und Eritrea (90.4%) bei der Schutzquote klar vorne sind, liegen Somalia (67,3%) sowie Afghanistan (63,1%) deutlich und auch noch der Irak (53%) und die Türkei (50,7%) über der Schwelle von 50 Prozent und müssten entsprechend von den Regelungen umfasst sein. Nach einem – oftmals langen – Gerichtsverfahren erhalten außerdem noch viele weitere Menschen einen Schutzstatus, die aktuelle Erfolgsquote liegt bei rund einem Drittel.
Auch aus individueller Perspektive erweist sich der Ausschluss einer Vielzahl von Flüchtlingen anhand der Bleibeperspektive häufig als falsch: Zahlreiche Menschen, die nicht in die Kategorie »gute Bleibeperspektive« sortiert werden, erhalten später eben doch einen Schutzstatus oder bleiben aus vielerlei Gründen zumindest für eine längere Zeit in Deutschland – damit ist die vorgenommene Unterscheidung integrations- und sozialpolitisch fatal.
Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz: keine Lösung struktureller Probleme
Die Änderung der Liste kommt zu einem bezeichnenden Zeitpunkt, denn am gleichen Tag tritt das Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz in Kraft. Mit diesem Gesetz wird zum Beispiel die Möglichkeit einer frühzeitigen Arbeitsförderung für Asylbewerber*innen mit »guter Bleibeperspektive« entfristet.
Außerdem wird eine Stichtagsregelung dafür eingeführt, dass man bei freien Plätzen im Integrationskurs an diesem teilnehmen darf. Dies gilt für Asylbewerber*innen, die vor dem 1. August 2019 eingereist sind, sich seit mindestens drei Monaten gestattet im Bundesgebiet aufhalten und die entweder Arbeit suchen oder schon eine Beschäftigung oder Ausbildung haben – aber unabhängig davon, wie die pauschale Bleibeperspektive aus diesen Herkunftsländern bewertet wird. Ausgeschlossen bleiben allerdings Menschen aus vermeintlich »sicheren Herkunftsstaaten«.
PRO ASYL fordert die sofortige Einstellung der pauschalen Unterscheidung von Geflüchteten in Menschen mit »guter« oder »schlechter Bleibeperspektive« und stattdessen eine Öffnung von Integrations- und Sprachkursen für alle von Anfang an!
Die Stichtagsregelung ist als Eingeständnis der Politik zu sehen, dass es eben nicht sinnvoll war, einen Großteil der Asylsuchenden durch die pauschale Behauptung angeblicher Bleibeperspektiven von solchen Integrationsmöglichkeiten auszuschließen. Leider geht die Erkenntnis nicht so weit, die grundsätzliche falsche Unterscheidung in »gute« und »schlechte Bleibeperspektive« bei der Ermöglichung des Zugangs zu Integrationsleistungen auch künftig aufzugeben. Denn nach dem Stichtag geht es weiter wie bisher – nur dass durch die Verkleinerung der Liste von Staaten, deren Staatsangehörige eine »gute Bleibeperspektive« haben, das Problem sogar noch verschärft wird.
PRO ASYL fordert die sofortige Einstellung der pauschalen Unterscheidung von Geflüchteten in Menschen mit »guter« oder »schlechter Bleibeperspektive« und stattdessen eine Öffnung von Integrations- und Sprachkursen für alle von Anfang an!
(wj)