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Bremen: Erstes Denkmal für tote Flüchtlinge in Deutschland
Hoffentlich entstünden auch noch an vielen anderen Orten derartige Mahnmale, sagte Jürgen Micksch, Pastor & PRO ASYL - Ehrenvorsitzender im Gottesdienst zur Einweihung des Denkmals für Menschen, die ihr Leben auf der Flucht verloren haben. Er regt an, dass künftig auch »an die gestorbenen Flüchtlinge zum Volkstrauertag im November erinnert wird.«
Das Mittelmeer bleibt ein Massengrab. Alleine seit 1. Januar 2014 haben dort nach UN-Angaben 16.315 Menschen ihr Leben verloren. Jürgen Micksch mahnte in seiner Predigt: »Seenotrettung ist ein Menschenrecht.« Die europäische Politik der Abschottung hingegen sei verantwortungslos. Auf die Kriminalisierung der Seenotrettung, antwortet Micksch: »Kriminell sind diejenigen, die Rettung verhindern und nicht die Retter von Flüchtlingen.« In Italien kam es erst im April zu einem umstrittenen Urteil, in dem die Beschlagnahmung des Schiffs der Seenotrettungsorganisation »Jugend Rettet« als zulässig bestätigt wurde.
»Wir dürfen nicht hinnehmen, dass nun sogar diejenigen kriminalisiert werden, die Flüchtlingen helfen und ihnen die Tränen abwischen. Darunter sind viele junge Menschen, die sich auf einen gefährlichen Weg machen und mit Booten unterwegs sind, um in Seenot geratene Menschen zu retten. Seenotrettung ist ein Menschenrecht. Wer dies verhindert begeht ein Verbrechen. Kriminell sind diejenigen, die Rettung verhindern und nicht die Retter von Flüchtlingen.« (Jürgen Micksch am 3. Juni 2018)
Gegen das Vergessen und die Gleichgültigkeit
Mohammedi Naiem, Mitarbeiter von PRO ASYL/Refugee Support Aegean (RSA) teilte seine Erfahrungen per Videobotschaft mit den Anwesenden der Einweihungsfeier. Unser Kollege Mohammedi lebt und arbeitet seit 2002 auf der Insel Lesbos. Er versucht seither, einen würdigen Umgang mit den toten Flüchtlingen in der Ägäis zu ermöglichen. Er steht den Überlebenden von Schiffskatastrophen bei und versucht sie und ihre Familienangehörigen gemeinsam mit unserem Team von RSA rechtlich zu unterstützen.
Mohammedi Naiem verdeutlicht in seiner Botschaft, die wunderschöne Ägäis sei zu einem »Friedhof der Flüchtlinge« geworden. Nur sichere Wege für Schutzsuchende können dieses Leid beenden. Die Toten der gescheiteren Fluchten gehörten zum vergessenen Teil der Flüchtlingskrise. Es sei wichtig, die Verunglückten nicht zu vergessen. Für Angehörige sei eine Bestattung nach ihren kulturellen und religiösen Vorstellungen notwendig, um den Tod eines geliebten Menschen zu akzeptieren undmit ihrem Leben weiterzumachen. »It’s not a wish«, erklärt er nachdrücklich.
»Kriminell sind diejenigen, die Rettung verhindern und nicht die Retter von Flüchtlingen«
Umdenken in der Politik gefordert
Die Gedenkstätte soll aber auch in das Bewusstsein von Gesellschaft und Politik vordringen. Denn hierin sind sich alle Beteiligten einig: Das Sterben auf dem Mittelmeer muss aufhören. Am 11.05.2018 wurde von dem Netzwerk »Last Rights« auf Lesbos ein Zusammentreffen organisiert, an dem neben PRO ASYL auch die UN-Sonderberichterstatterin zu extralegalen, summarischen und willkürlichen Hinrichtungen teilnahm. In der verabschiedeten Erklärung wird gefordert, dass sowohl die Seenotrettung als auch die Suche nach Vermissten intensiviert und sichere Zugangswege geschaffen werden. Neben einem respektvollen Umgang mit den Körpern der Toten verlangen die Unterzeichner umfassende Rechte für die Angehörigen der Verstorbenen.
Um den tödlich Verunglückten auch in Deutschland angemessen zu gedenken, forderte Jürgen Micksch, auch am Volkstrauertag der verstorbenen Flüchtlinge zu gedenken. So werde die Bedeutung dieses Tages erweitert und schließe auch Menschen ein, die in unserer Zeit sterben und weiterhin sterben.
„An die gestorbenen Flüchtlinge sollte zum Volkstrauertag im November erinnert werden. Dieser Tag erhält dadurch eine neue Dimension. Erinnerungen zum Volkstrauertag beziehen sich dann nicht mehr nur auf eine lang zurückliegende Geschichte. Sie schließen die in unserer Zeit Gestorbenen und weiterhin Sterbende mit ein. Die in der Flüchtlingsarbeit Engagierten könnten den Volkstrauertag in ihre Aktivitäten einbeziehen.“ (Jürgen Micksch am 3. Juni 2018)
(dm / kk)