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»Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen« (Offenbarung 21:4) ist auf dem Bremer Denkmal zu lesen. Foto: PRO ASYL

Hoffentlich entstünden auch noch an vielen anderen Orten derartige Mahnmale, sagte Jürgen Micksch, Pastor & PRO ASYL - Ehrenvorsitzender im Gottesdienst zur Einweihung des Denkmals für Menschen, die ihr Leben auf der Flucht verloren haben. Er regt an, dass künftig auch »an die gestorbenen Flüchtlinge zum Volkstrauertag im November erinnert wird.«

Das Mit­tel­meer bleibt ein Mas­sen­grab. Allei­ne seit 1. Janu­ar 2014 haben dort nach UN-Anga­ben 16.315 Men­schen ihr Leben ver­lo­ren. Jür­gen Micksch mahn­te in sei­ner Pre­digt: »See­not­ret­tung ist ein Men­schen­recht.« Die euro­päi­sche Poli­tik der Abschot­tung hin­ge­gen sei ver­ant­wor­tungs­los. Auf die Kri­mi­na­li­sie­rung der See­not­ret­tung, ant­wor­tet Micksch: »Kri­mi­nell sind die­je­ni­gen, die Ret­tung ver­hin­dern und nicht die Ret­ter von Flücht­lin­gen.« In Ita­li­en kam es erst im April zu einem umstrit­te­nen Urteil, in dem die Beschlag­nah­mung des Schiffs der See­not­ret­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on »Jugend Ret­tet« als zuläs­sig bestä­tigt wurde.

»Wir dür­fen nicht hin­neh­men, dass nun sogar die­je­ni­gen kri­mi­na­li­siert wer­den, die Flücht­lin­gen hel­fen und ihnen die Trä­nen abwi­schen. Dar­un­ter sind vie­le jun­ge Men­schen, die sich auf einen gefähr­li­chen Weg machen und mit Boo­ten unter­wegs sind, um in See­not gera­te­ne Men­schen zu ret­ten. See­not­ret­tung ist ein Men­schen­recht. Wer dies ver­hin­dert begeht ein Ver­bre­chen. Kri­mi­nell sind die­je­ni­gen, die Ret­tung ver­hin­dern und nicht die Ret­ter von Flücht­lin­gen.« (Jür­gen Micksch am 3. Juni 2018) 

Gegen das Vergessen und die Gleichgültigkeit 

Moham­m­e­di Naiem, Mit­ar­bei­ter von PRO ASYL/Refugee Sup­port Aege­an (RSA) teil­te sei­ne Erfah­run­gen per Video­bot­schaft mit den Anwe­sen­den der Ein­wei­hungs­fei­er. Unser Kol­le­ge Moham­m­e­di lebt und arbei­tet seit 2002 auf der Insel Les­bos. Er ver­sucht seit­her, einen wür­di­gen Umgang mit den toten Flücht­lin­gen in der Ägä­is zu ermög­li­chen. Er steht den Über­le­ben­den von Schiffs­ka­ta­stro­phen bei und ver­sucht sie und ihre Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen gemein­sam mit unse­rem Team von RSA recht­lich zu unterstützen.

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Moham­m­e­di Naiem ver­deut­licht in sei­ner Bot­schaft, die wun­der­schö­ne Ägä­is sei zu einem »Fried­hof der Flücht­lin­ge« gewor­den. Nur siche­re Wege für Schutz­su­chen­de kön­nen die­ses Leid been­den. Die Toten der geschei­te­ren Fluch­ten gehör­ten zum ver­ges­se­nen Teil der Flücht­lings­kri­se. Es sei wich­tig, die Ver­un­glück­ten nicht zu ver­ges­sen. Für Ange­hö­ri­ge sei eine Bestat­tung nach ihren kul­tu­rel­len und reli­giö­sen Vor­stel­lun­gen not­wen­dig, um den Tod eines gelieb­ten Men­schen zu akzep­tie­ren und­mit ihrem Leben wei­ter­zu­ma­chen. »It’s not a wish«, erklärt er nachdrücklich.

»Kri­mi­nell sind die­je­ni­gen, die Ret­tung ver­hin­dern und nicht die Ret­ter von Flüchtlingen«

Jür­gen Micksch

Umdenken in der Politik gefordert

Die Gedenk­stät­te soll aber auch in das Bewusst­sein von Gesell­schaft und Poli­tik vor­drin­gen. Denn hier­in sind sich alle Betei­lig­ten einig: Das Ster­ben auf dem Mit­tel­meer muss auf­hö­ren. Am 11.05.2018 wur­de von dem Netz­werk »Last Rights« auf Les­bos ein Zusam­men­tref­fen orga­ni­siert, an dem neben PRO ASYL auch die UN-Son­der­be­richt­erstat­te­rin zu extra­le­ga­len, sum­ma­ri­schen und will­kür­li­chen Hin­rich­tun­gen teil­nahm. In der ver­ab­schie­de­ten Erklä­rung wird gefor­dert, dass sowohl die See­not­ret­tung als auch die Suche nach Ver­miss­ten inten­si­viert und siche­re Zugangs­we­ge geschaf­fen wer­den. Neben einem respekt­vol­len Umgang mit den Kör­pern der Toten ver­lan­gen die Unter­zeich­ner umfas­sen­de Rech­te für die Ange­hö­ri­gen der Verstorbenen.

Um den töd­lich Ver­un­glück­ten auch in Deutsch­land ange­mes­sen zu geden­ken, for­der­te Jür­gen Micksch, auch am Volks­trau­er­tag der ver­stor­be­nen Flücht­lin­ge zu geden­ken. So wer­de die Bedeu­tung die­ses Tages erwei­tert und schlie­ße auch Men­schen ein, die in unse­rer Zeit ster­ben und wei­ter­hin sterben.

„An die gestor­be­nen Flücht­lin­ge soll­te zum Volks­trau­er­tag im Novem­ber erin­nert wer­den. Die­ser Tag erhält dadurch eine neue Dimen­si­on. Erin­ne­run­gen zum Volks­trau­er­tag bezie­hen sich dann nicht mehr nur auf eine lang zurück­lie­gen­de Geschich­te. Sie schlie­ßen die in unse­rer Zeit Gestor­be­nen und wei­ter­hin Ster­ben­de mit ein. Die in der Flücht­lings­ar­beit Enga­gier­ten könn­ten den Volks­trau­er­tag in ihre Akti­vi­tä­ten ein­be­zie­hen.“ (Jür­gen Micksch am 3. Juni 2018)

(dm / kk)