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Bayern setzt mit Arbeitsverboten auf eine neue Abschreckungspolitik

Viele Flüchtlinge haben in Bayern Jobs gefunden. Nun droht der Jobverlust, denn das Innenministerium verbietet ab sofort bestimmten Flüchtlingsgruppen das Arbeiten. Geht es nach der CSU soll der Bund dem Beispiel folgen und auf Abschreckung statt Integration setzen. Dagegen gibt es Widerstand.
Der junge Senegalese Boubacar schmeißt den Laden im Fischerstüberl. Er bedient und sorgt auch für die Musikauswahl in der kleinen Gastwirtschaft der Stadt im Voralpenland. Geht es nach dem Willen des Bayerischen Innenministeriums, ist damit jetzt Schluss. Bei der letzten Verlängerung seiner Aufenthaltsgestattung stempelte die örtliche Ausländerbehörde dem jungen Mann ein „Arbeitsaufnahme nicht gestattet“ in seinen Ausweis. Die Wirtin und die Ehrenamtliche, die Boubacar den Job vermittelt hat, sind geschockt und empört.
Arbeit ist der Königsweg der Integration in Deutschland. Bundesweit sind in den vergangenen Jahren die Zugänge zu Ausbildung und Arbeit auch für Flüchtlinge immer weiter aufgestoßen worden. Flüchtlinge sollen nun so schnell wie möglich in Berufe vermittelt werden. Das hilft der Wirtschaft, aber auch den Flüchtlingen. Der brain waste, die Vernichtung von Kompetenz und Qualifikation, die jahrelang den Umgang mit Flüchtlingen geprägt hat, soll dadurch beendet werden.
Bayern macht damit nun Schluss. Die vermehrten Asylgesuche von Menschen aus Südosteuropa haben in Bayern eine „Westbalkan-Phobie“ ausgelöst. Kategorisch wird Flüchtlingen aus dem Kosovo, aus Bosnien oder Serbien abgesprochen, hinreichende Fluchtgründe zu haben. Die bayerische Antwort: sie sollen das Verfahren so schnell wie möglich durchlaufen und abgeschoben werden, so jedenfalls die Theorie. In der Praxis funktionieren weder die schnellen Verfahren noch die schnellen Abschiebungen. Die Flüchtlinge bleiben länger als die veranschlagten drei Monate im Land, und würden deshalb auch einen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Damit Flüchtlingen aus Südosteuropa dieser Integrationsweg nicht eröffnet wird, sollen Arbeitsverbote verhängt werden.
Weil aber ein Arbeitsverbot gegen Angehörige bestimmter Staaten Diskriminierung wäre, greift Bayerns Innenministerium auf juristische Kategorien zurück: all diejenigen, die als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden, und diejenigen, die aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ (neben Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien auch Senegal und Ghana), soll der Weg in Ausbildung und Arbeit versperrt werden. Auf den „Westbalkan“ abzielend, trifft die Maßnahme so deutlich mehr Flüchtlinge, und sorgt für Empörung vor allem bei den Ehrenamtlichen, die sich an vielen Orten energisch für die Integration von Flüchtlingen stark machen.
Ohrfeige für Ehrenamtliche
So kursieren Protestbriefe an Innenminister Joachim Herrmann und andere bayerische Kabinettsmitglieder, in denen von einer „Dienstanweisung zur Demotivation der Helferkreise“ gesprochen wird. Das Engagement der Ehrenamtlichen, die Flüchtlingen Deutschkurse anbieten und ihnen mit viel Aufwand Lehrstellen und Arbeitsplätze suchen, bekommt einen deutlichen Dämpfer. Viele dieser Ehrenamtlichen empfinden die Arbeitsverbots-Anweisung als eine Ohrfeige für ihre Tätigkeit. Nicht wenige sind frustriert und wollen sich von der Asylarbeit abwenden.
„Wir unterscheiden bei unserer Hilfe nicht zwischen sicherem oder nicht sicherem Herkunftsstaat – wir sehen den Menschen. Und nun stehen wir betroffen und fassungslos vor Ihrer Entscheidung. Wenn unsere Bemühungen durch solch kompromisslose Verwaltungsanweisungen ad absurdum geführt werden, stellt sich bei vielen die Frage der Sinnhaftigkeit unserer ehrenamtlichen Arbeit!“
Tatsächlich ruht – weil Behörden und Wohlfahrtsverbände überfordert sind – viel Verantwortung auf den Ehrenamtlichen, die Flüchtlinge unterstützen, begleiten und ihnen Wege in die Gesellschaft eröffnen. Auch gibt es dort, wo AnwohnerInnen für Flüchtlinge Partei ergreifen, wenig Spielraum für Ressentiments und Rassismus. Dies setzt Bayern nun aufs Spiel.
Verunsicherte Arbeitgeber
Doch auch auf einen weiteren Aspekt weisen die Ehrenamtlichen hin: Arbeitgeber, die inzwischen auch im Vertrauen darauf, dass selbst abgelehnte Asylsuchende meist nicht abgeschoben werden, ihre Zögerlichkeit bei der Einstellung von Flüchtlingen aufgegeben haben, werden durch das Edikt des Innenministeriums verunsichert:
„Besonders das Vorhaben, auch bestehende Arbeitsverhältnisse beenden zu müssen, nimmt sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber jegliche Rechtssicherheit! Der Vertrauensschutzgedanke bleibt hier völlig außen vor.“
Wer erst mal einen Angestellten wegen des Arbeitsverbots verloren hat, wird kaum wieder das Wagnis eingehen, einen Flüchtling ohne sicheren Aufenthaltsstatus einzustellen.
Rückschritt in die Abschreckungspolitik der 1990er Jahre
Bayern will für die Politik der Arbeitsverbote für Flüchtlinge mit geringen Anerkennungschancen auch andere Bundesländer gewinnen. Es wäre fatal, sollte dies gelingen. Die vergangenen Jahre waren geprägt von Bleiberechtsregelungen, die auch abgelehnten Flüchtlingen, allerdings erst nach langen Jahren der Ausgrenzung, Integration und Aufenthalt ermöglichen sollten. Nur zögerlich erkannte die Politik, dass eine Lösung gefunden werden müsse auch für die Flüchtlinge, die trotz Ablehnung langfristig in Deutschland bleiben.
Nun wirft Bayern diese Erkenntnis über Bord, und kehrt zurück zur längst durch die Wirklichkeit widerlegten Vorstellung, abgelehnte Flüchtlinge könnten zügig veranlasst werden, Deutschland wieder zu verlassen. Die bayerische Politik wird vor allem dazu führen, dass wieder viele Flüchtlinge in Unterkünften sitzen, nun noch stärker blockiert durch die Verhinderung von Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten. Einige werden sich illegale Beschäftigungen suchen, andere werden in Nachbarstaaten weiterwandern, viele werden desolat im Lager sitzen und zunehmend krank und arbeitsunfähig werden. In Zeiten, in denen weiter hohe Zahlen neu ankommender Flüchtlinge erwartet werden, blockiert diese Politik auch zahllose dringend benötigte Unterbringungsplätze.
Es bleibt nur zu hoffen, dass Bayern sich mit dieser Politik nicht durchsetzen kann. Die Helferkreise mobilisieren jedenfalls.
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Autor: Stephan Dünnwald, Bayerischer Flüchtlingsrat
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