News
Bayerische Sonderlager als bundesweites Modell?
Sogenannte »Entscheidungs- und Rückführungszentren« sollen nach dem Willen der Union nun für alle neu ankommenden Flüchtlinge errichtet werden. Damit würde die Abschreckungs- und Desintegrationspolitik der CSU auf ganz Deutschland ausgeweitet.
Die Asylzentren in Manching, Bamberg und Heidelberg wurden von Angela Merkel und Horst Seehofer als Vorbild dafür genannt, wie die Union sich Flüchtlingsaufnahme in Deutschland zukünftig vorstellt. Das zeichnet ein düsteres Bild für die Zukunft, denn eine solche Politik der Kasernierung von Schutzsuchenden hat mit einer menschenwürdigen Aufnahme von Flüchtlingen nichts mehr zu tun.
Jahrelang in der Massenunterkunft
Bis zum Ende des Asylverfahrens sollen die Menschen zukünftig in diesen Lagern verbleiben – und das kann Jahre dauern, wie die Erfahrung zeigt. 2016 betrug die durchschnittliche Dauer der Asylverfahren sieben Monate, dazu kamen sechs weitere Monate Wartezeit, bis der Antrag überhaupt gestellt werden konnte. Und Flüchtlinge aus bestimmten Ländern müssen weitaus länger ausharren – Somalier*innen warteten von Einreise bis Entscheidung über zwei Jahre. Im Schnitt!
Diese Zeit sollen Schutzsuchende zukünftig also in eigens errichteten Lagern verbringen und damit weitestgehend isoliert werden. Der Bayerische Flüchtlingsrat berichtet aus dem Lager in Manching, dass die Menschen dort in Mehrbettzimmern leben und einer verschärften Residenzpflicht für den Landkreis unterliegen. Kinder dürfen nicht auf Regelschulen gehen, sondern besuchen eigene Lagerschulen, die Versorgung erfolgt überwiegend in Sachleistungen. Dazu gilt ein generelles Arbeitsverbot.
»Hier werden Flüchtlinge in Asylschnellverfahren abgefertigt und mit widerwärtigen Lebensbedingungen massiv unter Druck gesetzt, so schnell als möglich wieder auszureisen«
Lagerpflicht für alle?
Zunächst waren die Lager in Manching und Bamberg für Asylsuchende aus den Westbalkanstaaten eingerichtet worden, mittlerweile befinden sich dort auch Flüchtlinge aus Ländern wie Afghanistan, der Ukraine oder Nigeria. Auch Menschen mit einer vorgeblich »schlechten Bleibeperspektive« bleiben aber häufig dauerhaft in Deutschland oder werden als Asylsuchende anerkannt. Denn diese Perspektive bemisst sich nur an der durchschnittlichen Anerkennungsquote. 47 Prozent der afghanischen Flüchtlinge erhalten aber beispielsweise einen Schutzstatus. Durch Gerichte, die die mangelhaften Asylentscheidungen oft aufheben, erhöht sich die Zahl noch erheblich.
Ähnliches gilt für die sogenannten »Dublin-Fälle«, also Personen, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle in den Ersteinreisestaat überstellt werden. Tatsächlich wurden im ersten Halbjahr 2017 nur 3.085 Überstellungen durchgeführt, trotz über 21.500 vorliegender Zustimmungen durch die aufnehmenden Staaten. In vielen Fällen stoppen Gerichte die Überstellung, weil Schutzsuchende bei einer Überstellung in EU-Randstaaten Elend und Obdachlosigkeit ausgesetzt würden.
Die CSU hat nun in Bayern aber längst schon einen Gesetzesvorstoß unternommen, nicht nur Menschen aus den genannten Gruppen, sondern generell alle neu ankommenden Flüchtlinge in solchen Lagern unterzubringen. Und nach dem »Kompromiss« der Union droht diese Praxis sogar bundesweit zur Realität zu werden!
Keine fairen Asylverfahren in isolierten Lagern!
Das generelle Ziel scheint zu sein, Abschiebungen möglichst reibungslos zu ermöglichen. Flüchtlinge sollen wenig Kontakt zur Außenwelt haben, Integration wird völlig verhindert. Auch der Zugang zu unabhängigen Beratungsstrukturen oder Rechtsanwält*innen wird durch die Isolation massiv erschwert. Wer kein Geld hat und der Residenzpflicht unterliegt, der wird an vielen Orten keine Chance haben, sich nach einem Rechtsanwalt umzuschauen.
Auch eine Begleitung zu Anhörungen ist so kaum möglich, damit stehen Schutzsuchende sowohl im Asylverfahren als auch bei drohender Abschiebung ohne Hilfestellung da. Dieser faktische Ausschluss vom Zugang zu Rechtsmitteln scheint gewollt. Und wer doch rechtlichen Beistand findet und gegen eine Entscheidung vor Gericht zieht, den erwarten bei der aktuellen Überlastung der Verwaltungsgerichte weitere Jahre im Lager.
Großunterkünfte für Flüchtlinge sind stigmatisierende Zeichen der Ausgrenzung.
Flüchtlingsfeindliche Haltung wird verstärkt
Dieses Vorhaben wird gleich mehrere schwerwiegende Folgen haben. Zunächst sorgt eine dauerhafte Isolation von Asylsuchenden in Massenunterkünften außerhalb der Kommunen dafür, dass die Menschen vom Kontakt zur hier lebenden Bevölkerung ausgeschlossen werden. Dadurch entstehen Berührungsängste und es wird ein überaus problematisches Signal an die Bevölkerung gesendet: Flüchtlinge als gesellschaftlich Nichtzugehörige und als Sicherheitsproblem.
Die ohnehin besorgniserregenden Vorbehalte eines Teils der Bevölkerung werden dadurch verstärkt, eine flüchtlingsfeindliche Haltung bestätigt. Dem gesellschaftlichen Frieden ist damit alles andere als gedient, Probleme für die Zukunft vorprogrammiert. Vorurteile und Ängste werden nur dann abgebaut, wenn man sich kennenlernt – das zeigt auch ein Blick auf die Wahlergebnisse der AfD.
Dazu leben die Bewohner*innen solcher Zentren geradezu auf dem Präsentierteller für Anfeindungen und Anschläge. Großunterkünfte für Flüchtlinge sind stigmatisierende Zeichen der Ausgrenzung. Sie werden häufig zum Kristallisationspunkt von Hasskampagnen oder zum Ziel von Gewalt. Bundesländer, die bis heute auf die Verteilung in die Kommunen und die Unterbringung in Wohnungen gesetzt haben, sind auch in dieser Hinsicht gut gefahren.
Geht es nach der Union, verbringen Flüchtlinge zukünftig ihre ersten Jahre in Deutschland in einer Massenunterkunft mit geringen Integrationsmöglichkeiten – kein guter Start für alle Beteiligten.
Verschenkte Jahre für die Integration
Darüber hinaus sorgen die isolierte Unterbringung und die Restriktionen dafür, dass die Menschen Monate oder gar Jahre ihres Lebens verschenken. Im Falle einer Anerkennung des Asylantrags ist das auch verschenkte Zeit für die Integration. Wem über lange Zeit hinweg Jahre der Zugang zu Schule, Arbeit, neuen Nachbarn, Ehrenamtlichen versperrt wird, der lernt nur schwer die deutsche Sprache, knüpft keine dringend benötigten Kontakte, um richtig in Deutschland anzukommen.
2016 und in den ersten Monaten von 2017 haben aber insgesamt 55 Prozent aller Asylantragssteller*innen einen Schutzstatus erhalten. Ginge es nach der Union, hätten sie zukünftig ihre ersten Jahre in Deutschland in einer Massenunterkunft mit geringen Integrationsmöglichkeiten verbracht – kein guter Start für alle Beteiligten.
(mk)