10.10.2017
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Hinter Stacheldraht einkaserniert: So wie in der »Aufnahme- und Rückführungseinrichtung« im bayerischen Bamberg will die Union zukünftig alle Flüchtlinge unterbringen. Foto: Bayerischer Flüchtlingsrat

Sogenannte »Entscheidungs- und Rückführungszentren« sollen nach dem Willen der Union nun für alle neu ankommenden Flüchtlinge errichtet werden. Damit würde die Abschreckungs- und Desintegrationspolitik der CSU auf ganz Deutschland ausgeweitet.

Die Asyl­zen­tren in Man­ching, Bam­berg und Hei­del­berg wur­den von Ange­la Mer­kel und Horst See­ho­fer als Vor­bild dafür genannt, wie die Uni­on sich Flücht­lings­auf­nah­me in Deutsch­land zukünf­tig vor­stellt. Das zeich­net ein düs­te­res Bild für die Zukunft, denn eine sol­che Poli­tik der Kaser­nie­rung von Schutz­su­chen­den hat mit einer men­schen­wür­di­gen Auf­nah­me von Flücht­lin­gen nichts mehr zu tun.

Jahrelang in der Massenunterkunft

Bis zum Ende des Asyl­ver­fah­rens sol­len die Men­schen zukünf­tig in die­sen Lagern ver­blei­ben – und das kann Jah­re dau­ern, wie die Erfah­rung zeigt. 2016 betrug die durch­schnitt­li­che Dau­er der Asyl­ver­fah­ren sie­ben Mona­te, dazu kamen sechs wei­te­re Mona­te War­te­zeit, bis der Antrag über­haupt gestellt wer­den konn­te. Und Flücht­lin­ge aus bestimm­ten Län­dern müs­sen weit­aus län­ger aus­har­ren – Somalier*innen war­te­ten von Ein­rei­se bis Ent­schei­dung über zwei Jah­re. Im Schnitt!

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Dau­er der Asyl­ver­fah­ren 2016 (in Mona­ten). Quel­le: Bun­des­tags­druck­sa­che 18/11262, Gra­fik: PRO ASYL

Die­se Zeit sol­len Schutz­su­chen­de zukünf­tig also in eigens errich­te­ten Lagern ver­brin­gen und damit wei­test­ge­hend iso­liert wer­den. Der Baye­ri­sche Flücht­lings­rat berich­tet aus dem Lager in Man­ching, dass die Men­schen dort in Mehr­bett­zim­mern leben und einer ver­schärf­ten Resi­denz­pflicht für den Land­kreis unter­lie­gen. Kin­der dür­fen nicht auf Regel­schu­len gehen, son­dern besu­chen eige­ne Lager­schu­len, die Ver­sor­gung erfolgt über­wie­gend in Sach­leis­tun­gen. Dazu gilt ein gene­rel­les Arbeitsverbot.

»Hier wer­den Flücht­lin­ge in Asyl­schnell­ver­fah­ren abge­fer­tigt und mit wider­wär­ti­gen Lebens­be­din­gun­gen mas­siv unter Druck gesetzt, so schnell als mög­lich wie­der auszureisen«

Alex­an­der Thal, Baye­ri­scher Flüchtlingsrat

Lagerpflicht für alle?

Zunächst waren die Lager in Man­ching und Bam­berg für Asyl­su­chen­de aus den West­bal­kan­staa­ten ein­ge­rich­tet wor­den, mitt­ler­wei­le befin­den sich dort auch Flücht­lin­ge aus Län­dern wie Afgha­ni­stan, der Ukrai­ne oder Nige­ria. Auch Men­schen mit einer vor­geb­lich »schlech­ten Blei­be­per­spek­ti­ve« blei­ben aber häu­fig dau­er­haft in Deutsch­land oder wer­den als Asyl­su­chen­de aner­kannt. Denn die­se Per­spek­ti­ve bemisst sich nur an der durch­schnitt­li­chen Aner­ken­nungs­quo­te. 47 Pro­zent der afgha­ni­schen Flücht­lin­ge erhal­ten aber bei­spiels­wei­se einen Schutz­sta­tus. Durch Gerich­te, die die man­gel­haf­ten Asy­l­ent­schei­dun­gen oft auf­he­ben, erhöht sich die Zahl noch erheblich.

Ähn­li­ches gilt für die soge­nann­ten »Dub­lin-Fäl­le«, also Per­so­nen, die bereits in einem ande­ren EU-Staat regis­triert wur­den. Es kann nicht davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass alle in den Erst­ein­rei­se­staat über­stellt wer­den. Tat­säch­lich wur­den im ers­ten Halb­jahr 2017 nur 3.085 Über­stel­lun­gen durch­ge­führt, trotz über 21.500 vor­lie­gen­der Zustim­mun­gen durch die auf­neh­men­den Staa­ten. In vie­len Fäl­len stop­pen Gerich­te die Über­stel­lung, weil Schutz­su­chen­de bei einer Über­stel­lung in EU-Rand­staa­ten Elend und Obdach­lo­sig­keit aus­ge­setzt würden.

Die CSU hat nun in Bay­ern aber längst schon einen Geset­zes­vor­stoß unter­nom­men, nicht nur Men­schen aus den genann­ten Grup­pen, son­dern gene­rell alle neu ankom­men­den Flücht­lin­ge in sol­chen Lagern unter­zu­brin­gen. Und nach dem »Kom­pro­miss« der Uni­on droht die­se Pra­xis sogar bun­des­weit zur Rea­li­tät zu werden!

Keine fairen Asylverfahren in isolierten Lagern!

Das gene­rel­le Ziel scheint zu sein, Abschie­bun­gen mög­lichst rei­bungs­los zu ermög­li­chen. Flücht­lin­ge sol­len wenig Kon­takt zur Außen­welt haben, Inte­gra­ti­on wird völ­lig ver­hin­dert. Auch der Zugang zu unab­hän­gi­gen Bera­tungs­struk­tu­ren oder Rechtsanwält*innen wird durch die Iso­la­ti­on mas­siv erschwert. Wer kein Geld hat und der Resi­denz­pflicht unter­liegt, der wird an vie­len Orten kei­ne Chan­ce haben, sich nach einem Rechts­an­walt umzuschauen.

Auch eine Beglei­tung zu Anhö­run­gen ist so kaum mög­lich, damit ste­hen Schutz­su­chen­de sowohl im Asyl­ver­fah­ren als auch bei dro­hen­der Abschie­bung ohne Hil­fe­stel­lung da. Die­ser fak­ti­sche Aus­schluss vom Zugang zu Rechts­mit­teln scheint gewollt. Und wer doch recht­li­chen Bei­stand fin­det und gegen eine Ent­schei­dung vor Gericht zieht, den erwar­ten bei der aktu­el­len Über­las­tung der Ver­wal­tungs­ge­rich­te wei­te­re Jah­re im Lager.

Groß­un­ter­künf­te für Flücht­lin­ge sind stig­ma­ti­sie­ren­de Zei­chen der Ausgrenzung.

Flüchtlingsfeindliche Haltung wird verstärkt

Die­ses Vor­ha­ben wird gleich meh­re­re schwer­wie­gen­de Fol­gen haben. Zunächst sorgt eine dau­er­haf­te Iso­la­ti­on von Asyl­su­chen­den in Mas­sen­un­ter­künf­ten außer­halb der Kom­mu­nen dafür, dass die Men­schen vom Kon­takt zur hier leben­den Bevöl­ke­rung aus­ge­schlos­sen wer­den. Dadurch ent­ste­hen Berüh­rungs­ängs­te und es wird ein über­aus pro­ble­ma­ti­sches Signal an die Bevöl­ke­rung gesen­det: Flücht­lin­ge als gesell­schaft­lich Nicht­zu­ge­hö­ri­ge und als Sicherheitsproblem.

Die ohne­hin besorg­nis­er­re­gen­den Vor­be­hal­te eines Teils der Bevöl­ke­rung wer­den dadurch ver­stärkt, eine flücht­lings­feind­li­che Hal­tung bestä­tigt. Dem gesell­schaft­li­chen Frie­den ist damit alles ande­re als gedient, Pro­ble­me für die Zukunft vor­pro­gram­miert. Vor­ur­tei­le und Ängs­te wer­den nur dann abge­baut, wenn man sich ken­nen­lernt – das zeigt auch ein Blick auf die Wahl­er­geb­nis­se der AfD.

Dazu leben die Bewohner*innen sol­cher Zen­tren gera­de­zu auf dem Prä­sen­tier­tel­ler für Anfein­dun­gen und Anschlä­ge. Groß­un­ter­künf­te für Flücht­lin­ge sind stig­ma­ti­sie­ren­de Zei­chen der Aus­gren­zung. Sie wer­den häu­fig zum Kris­tal­li­sa­ti­ons­punkt von Hass­kam­pa­gnen oder zum Ziel von Gewalt. Bun­des­län­der, die bis heu­te auf die Ver­tei­lung in die Kom­mu­nen und die Unter­brin­gung in Woh­nun­gen gesetzt haben, sind auch in die­ser Hin­sicht gut gefahren.

Geht es nach der Uni­on, ver­brin­gen Flücht­lin­ge zukünf­tig ihre ers­ten Jah­re in Deutsch­land in einer Mas­sen­un­ter­kunft mit gerin­gen Inte­gra­ti­ons­mög­lich­kei­ten – kein guter Start für alle Beteiligten. 

Verschenkte Jahre für die Integration

Dar­über hin­aus sor­gen die iso­lier­te Unter­brin­gung und die Restrik­tio­nen dafür, dass die Men­schen Mona­te oder gar Jah­re ihres Lebens ver­schen­ken. Im Fal­le einer Aner­ken­nung des Asyl­an­trags ist das auch ver­schenk­te Zeit für die Inte­gra­ti­on. Wem über lan­ge Zeit hin­weg Jah­re der Zugang zu Schu­le, Arbeit, neu­en Nach­barn, Ehren­amt­li­chen ver­sperrt wird, der lernt nur schwer die deut­sche Spra­che, knüpft kei­ne drin­gend benö­tig­ten Kon­tak­te, um rich­tig in Deutsch­land anzukommen.

2016 und in den ers­ten Mona­ten von 2017 haben aber ins­ge­samt 55 Pro­zent aller Asylantragssteller*innen einen Schutz­sta­tus erhal­ten. Gin­ge es nach der Uni­on, hät­ten sie zukünf­tig ihre ers­ten Jah­re in Deutsch­land in einer Mas­sen­un­ter­kunft mit gerin­gen Inte­gra­ti­ons­mög­lich­kei­ten ver­bracht – kein guter Start für alle Beteiligten.

(mk)