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Angriffe auf Asylorganisationen in Griechenland

In Griechenland wird das Klima gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen immer feindseliger. Die Regierung nimmt bei ihren Kriminalisierungsversuchen zunehmend auch Organisationen ins Visier, die Schutzsuchende beraten und vor Gericht vertreten. Ein jüngstes Opfer ist unsere Partnerorganisation Refugee Support Aegean (RSA).
NGOs werden an die Kette gelegt
Im September 2021 wurde ein Gesetz zur Änderung von Abschiebe- und Rückführungsverfahren im griechischen Parlament verabschiedet. Artikel 40 führt massive Einschränkungen für Nichtregierungsorganisationen ein, die in den Zuständigkeitsbereichen der griechischen Küstenwache tätig sind. Es drohen schwere Sanktionen und Geldstrafen. Damit würden die »lebensrettende Arbeit der NGOs auf See und ihre Kapazitäten zur Überwachung der Menschenrechte in der Ägäis ernsthaft behindert«, so die Menschenrechtskommissarin des Europarates Dunja Mijatović.
Im April 2020 wurde ein neues Registrierungsverfahren für NGOs im Asylbereich eingeführt, das hohe bürokratische Hürden schafft und massive Kosten verursacht. Die Verhältnismäßigkeit dieses Verfahrens stellte unter anderem eine Expertengruppe des Europarats im Juli 2020 in Frage und forderte, die Regeln zu überarbeiten, sodass sie europäischen Standards entsprechen.
Hohe Anforderungen, vage Begründungen
Im September 2020 hat die Regierung mit einem gemeinsamen Ministerbeschluss weitere Verschärfungen für die Registrierung von NGOs eingeführt. Nunmehr sind alle Organisationen verpflichtet, eine Reihe von Unterlagen und persönliche Informationen vorzulegen, darunter detaillierte Finanzdaten (Jahresabschlüsse und Prüfberichte). Diese verschiedenen Anforderungen müssen alle NGOs erfüllen, die in den Bereichen Asyl, Migration und Integration arbeiten wollen. Außerdem liegt es im Ermessen des Ministeriums für Migration und Asyl, die Registrierung von NGOs und einzelner Mitarbeiter*innen die Registrierung zu verweigern, und zwar aus Gründen, die völlig vage und willkürlich sind.
Das Gesetz ist nicht mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen Griechenlands zum Schutz des Rechts auf Vereinigungsfreiheit vereinbar, sagen die UN-Sonderberichterstatter.
Einmal registrierte NGOs sind verpflichtet, jede Änderung im Team unverzüglich zu melden. Alle sensiblen Daten über Mitarbeitende müssen dem Ministerium völlig offengelegt werden. Unsere Partnerorganisation Refugee Support Aegean (RSA) hat im Februar 2021 Klage gegen dieses Registrierungsverfahren beim höchsten griechischem Gericht, dem Staatsrat, eingelegt.
Am 31. März 2021 haben drei UN-Sonderberichterstatter in einem an die griechische Regierung gerichteten Schreiben erklärt, dass die jüngsten NGO-Gesetzesänderungen nicht mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen Griechenlands zum Schutz des Rechts auf Vereinigungsfreiheit vereinbar sind.
Willkürliche Ablehnung von RSA
RSA war bereits vor der Verschärfung der griechischen NGO-Gesetzgebung im früheren Nationalen Register der NGOs sowie im Transparenzregister der Europäischen Union registriert. Ende Oktober wurde der Registrierungsantrag von RSA auf Grundlage der neuen Gesetzgebung abgelehnt, obwohl die Organisation sich akribisch an die Vorgaben gehalten und die angefragten Dokumente stets zeitnah eingereicht hatte. RSA hat im Juni 2020 die Registrierung beim Migrationsministerium beantragt und insgesamt 15 Monate auf die Entscheidung gewartet. Am 25. Oktober 2021 wurde RSA mitgeteilt, dass ihr Antrag abgelehnt wurde. RSA hat am 8. November eine Anfrage zur erneuten Prüfung des Registrierungsantrags gestellt.
Grundlage für die Entscheidung, die Registrierung von RSA abzulehnen, ist die Auffassung eines dreiköpfigen Komitees des zuständigen Sekretariats im Migrationsministerium, das den Antrag geprüft hat. Vorher hatte die zuständige Behörde im Migrationsministerium am 28. September 2021 die Registrierung von RSA empfohlen, da alle benötigten Unterlagen eingereicht und die Registrierungskriterien erfüllt seien. In der Entscheidung des Sekretariats wurden zwei Punkte angeführt, die der Registrierung entgegenstehen. Der erste Grund betrifft einen Absatz aus der Satzung von RSA. Dort heißt es in Artikel 3 – Zielsetzung:
»The development of activity in support of those subject to persecution and discrimination for reasons of political or religious beliefs, racial or ethnic origin, for reasons of belonging to a particular social group or other persecution/discrimination, in support of refugees, migrants and persons under deportation, as well as other persons in need of international protection in accordance with international, European Union and national law. In the aforementioned framework, the organisation also develops activities for other categories of persons originating from third countries, with emphasis on vulnerable groups such as unaccompanied minors, victims of trafficking, victims of torture or ill-treatment.«
Das Gericht von Chios, wo sich der Sitz der 2017 gegründeten Organisation befindet, hat die Rechtmäßigkeit des gesamten Satzungstextes bestätigt.
Das Sekretariat argumentiert in seiner Ablehnung, die beabsichtigten Maßnahmen zur Unterstützung von Personen im Abschiebungsverfahren verstießen gegen griechisches Recht. Genaue Gesetzesstellen werden in der Entscheidung jedoch nicht genannt.
Eine wortgetreue Auslegung der Satzung hingegen zeigt, dass sich die Zielsetzung auf verfolgte oder schutzbedürftige Menschen bezieht. Diese steht im Einklang mit EU-Recht und griechischem Recht. Das Gericht von Chios, wo sich der Sitz der 2017 gegründeten Organisation befindet, hat die Rechtmäßigkeit des gesamten Satzungstextes bestätigt.
Ein weiterer Grund für die Ablehnung ist dem Sekretariat zufolge ein veraltetes Dokument, das RSA eingereicht hat. Der Registrierungsprozess hat über ein Jahr gedauert, RSA hat immer wieder zeitnah angeforderte Dokumente eingereicht. Eine aktualisierte Version dieses bestimmten Dokuments war während des gesamten Verfahrens nicht angefordert worden. RSA hat nun für die erneute Prüfung des Registrierungsantrags eine aktualisierte Version des Dokuments eingereicht.
Widerspruch gegen die Ablehnung
RSA kritisierte die Ablehnung und kommentierte in einer Erklärung am 26. November: »Die Regierung erklärt, dass die Unterstützung von Personen, die abgeschoben werden sollen, unrechtmäßig ist. Dies steht im Widerspruch zu internationalem, EU- und nationalem Recht«. Zudem kündigte RSA an, diese Entscheidung anzufechten, da es sich um einen alarmierenden Schritt handele, der die Zivilgesellschaft davon ausschließe, Flüchtlinge und Migrant*innen bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen.
Der griechische Abgeordnete Giorgos Psychogios hat eine Petition an den Minister für Migration und Asyl, Notis Mitarakis, eingereicht, in der er die Verweigerung der Registrierung von RSA als unrechtmäßig zurückweist. Psychogios stellt fest, dass auch eine Abschiebungsanordnung Menschen nicht ihrer Grundrechte nach griechischem und internationalem Recht berauben können. Die Kriminalisierung der Solidarität stelle die Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit in Frage.
Auch auf EU-Ebene wurde eine parlamentarische Anfrage gestellt. Damian Boeselager Grüne/EFA) und Tineke Strik (Grüne/EFA) fragen die Europäische Kommission:
»Ist die Kommission der Auffassung, dass der Standpunkt der griechischen Behörden, wonach die Rechtsbetreuung von Personen, die ausgewiesen werden sollen, rechtswidrig sei, mit den europäischen Werten und mit dem Besitzstand der EU, insbesondere mit den Richtlinien 2008/115/EG, 2013/32/EU und 2013/33/EU sowie mit der Charta der Grundrechte, vereinbar ist?«
Wie weiter ?
Trotz der Weigerung der Regierung, RSA zu registrieren, geht die Arbeit von RSA und anderer betroffener Organisationen weiter. Finanziell ist RSA nicht auf die Behörden angewiesen, da die Organisation keine staatliche Finanzierung bezieht. Aber nicht-registrierten NGOs wird der der Zugang zu den Flüchtlingslagern und den Hotspots verweigert. Aber gerade für die Anwältinnen ist der Zugang zu ihren Mandant*innen wichtig, er darf ihnen nicht verweigert werden.
Griechenland will die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen, die gegen rechtswidrige Asylgesetze klagen, behindern und verhindern.
Doch genau darum geht es Asyl- und Migrationsminister Mitarakis mit seiner NGO-Zwangsjacke: Er will die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen, die gegen rechtswidrige Asylgesetze vor dem griechischen Staatsrat oder für die Rechte von Schutzsuchenden vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen, behindern und verhindern. Er will verhindern, dass die Menschenrechtsverletzungen auf See und in den Lagern dokumentiert werden können.
Es wird Zeit, dass sich die EU und die künftige Bundesregierung an die Seite der bedrängten griechischen Organisationen stellen. Der Europäische Gerichtshof hat kürzlich ein klares Signal ausgesendet. Er hat das sogenannte »Stop Soros«-Gesetz in Ungarn, das Flüchtlingshelfer kriminalisiert, kassiert. Daran sollten sich auch die EU und die künftige Bundesregierung orientieren.
(kk)