17.06.2020
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Protest am Frankfurter Flughaften im Dezember 2017 gegen eine Abschiebung nach Kabul. Abschiebungen nach Afghanistan waren schon vor Corona inakzeptabel und sind es während der Pandemie erst recht. Foto: flickr / Sebastian Scholl / CC BY-NC-ND 2.0

PRO ASYL, Landesflüchtlingsräte und Jugendliche ohne Grenzen fordern anlässlich der IMK ein bundesweites Abschiebungsmoratorium während der COVID-19-Pandemie – Abschiebungen sind angesichts der drastischen Auswirkungen in vielen Herkunftsländern nicht zu verantworten! Dies zeigt PRO ASYL an sieben Beispielen.

Im März 2020 änder­te sich in Deutsch­land wegen der Aus­brei­tung des neu­en Coro­na-Virus auf einen Schlag sehr viel: Grenz­kon­trol­len zu man­chen EU-Nach­bar­staa­ten wur­den ein­ge­führt, seit dem 17.03.2020 gal­ten stren­ge Ein­rei­se­be­schrän­kun­gen und kaum ein Flug­zeug hob noch ab – Ein­rei­sen nach und Aus­rei­sen aus Deutsch­land kamen nahe­zu zum Erlie­gen. Eine Kon­se­quenz hier­von war, dass auch Sam­mel­ab­schie­bun­gen nach und nach abge­sagt wur­den, wie PRO ASYL im Coro­na-Ticker dokumentierte.

Politik steckt während Hochphase den Kopf in den Sand

PRO ASYL for­der­te direkt zu Beginn der Pan­de­mie einen Abschie­bungs­stopp. Auch wenn u.a. Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Horst See­ho­fer am 18. März zugab, dass wohl de fac­to kei­ne Abschie­bun­gen statt­fin­den wür­den, wur­de weder vom Bund noch von ein­zel­nen Bun­des­län­dern ein for­ma­ler Abschie­bungs­stopp erlas­sen. Tat­säch­lich ver­such­ten das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um und die Bun­des­po­li­zei immer wie­der, mit extra gechar­ter­ten Flug­zeu­gen doch noch Per­so­nen abzu­schie­ben, wie von PRO ASYL im Fall zwei­er Ira­ne­rin­nen und einer Frau aus dem Togo öffent­lich gemacht wur­de. In bei­den Fäl­len wur­den die Abschie­bun­gen schließ­lich auf­ge­ge­ben. Wie mitt­ler­wei­le bekannt ist, wur­den aber ver­ein­zelt auch wäh­rend der Coro­na-Hoch­pha­se Men­schen aus Deutsch­land abgeschoben.

Für die Betrof­fe­nen heißt das Feh­len eines kla­ren Abschie­bungs­stopps ein Leben mit stän­di­ger Angst und Rechtsunsicherheit.

Für die Betrof­fe­nen heißt das Feh­len eines kla­ren Abschie­bungs­stopps ein Leben mit stän­di­ger Angst und Rechts­un­si­cher­heit. Auch wur­den von Amts­ge­rich­ten man­gels eines sol­chen Stopps Abschie­bungs­haft­an­trä­gen noch statt­ge­ge­ben, da eine Abschie­bung abseh­bar sei – nur um Tage oder Wochen spä­ter fest­zu­stel­len, dass dies nicht der Fall war. Damit wur­den die Betrof­fe­nen ein­ge­sperrt, obwohl eine Abschie­bung abseh­bar nicht mög­lich war. Dies wider­spricht dem Grund­satz, dass Abschie­bungs­haft nur ange­wandt wer­den darf, wenn die Abschie­bung  inner­halb einer kur­zen Zeit auch tat­säch­lich durch­führ­bar ist. Auch die Men­schen­rechts­kom­mis­sa­rin des Euro­pa­ra­tes, Dun­ja Mija­to­vić, hat­te Ende März die euro­päi­schen Staa­ten dazu auf­ge­for­dert, wäh­rend der Coro­na-Pan­de­mie noch inhaf­tier­te Per­so­nen aus der Abschie­bungs­haft zu entlassen.

Von der Öffent­lich­keit wei­test­ge­hend unbe­merkt wur­den ers­te Sam­mel­ab­schie­bun­gen bereits durch­ge­führt, dar­un­ter Ende Mai die einer acht­köp­fi­gen Roma-Fami­lie mit einem behin­der­ten Kind nach Ser­bi­en.

PRO ASYL, Lan­des­flücht­lings­rä­te und Jugend­li­che ohne Gren­zen for­dern statt­des­sen ein Abschie­bungs­mo­ra­to­ri­um! Dies for­dert auch der euro­päi­sche Flücht­lings­rat ECRE für die gesam­te EU in einem neu­en Poli­cy Paper, das den pas­sen­den Titel trägt: »Abschie­bun­gen sind wäh­rend einer Pan­de­mie kei­ne not­wen­di­gen Reisen«.

Die Urlaubsflieger starten – damit auch grünes Licht für die Abschiebeflieger?

Seit dem 15. Juni gel­ten für EU-Län­der kei­ne Rei­se­be­schrän­kun­gen mehr, die Rei­se­war­nung für Dritt­staa­ten soll bis Ende August bestehen blei­ben. Es steht zu befürch­ten, dass in der Poli­tik trotz der dras­ti­schen Kon­se­quen­zen der Pan­de­mie in vie­len Län­dern nun auf ein schnel­les »busi­ness as usu­al« in der Abschie­bungs­po­li­tik gedrängt wird. Nicht umsonst steht das The­ma Aus­wir­kun­gen der COVID-19-Pan­de­mie auf Abschie­bun­gen auf der Tages­ord­nung der Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz, die vom 17.–19. Juni in Erfurt statt­fin­det. Das Land Ber­lin hat zudem ange­kün­digt, dass ab dem 15. Juni kei­ne Beschrän­kun­gen mehr für Abschie­bun­gen welt­weit bestehen wür­den (sie­he Mel­dung im PRO ASYL Coro­na-Ticker vom 29.05.2020).

»Abschie­bun­gen sind wäh­rend einer Pan­de­mie kei­ne not­wen­di­gen Reisen«

ECRE, Poli­cy Note, Juni 2020

Drastische Auswirkungen der Corona-Pandemie in anderen Ländern

Denn auch wenn in Deutsch­land die Infi­zie­rungs­zah­len sta­bil sind und Beschrän­kun­gen gelo­ckert wer­den, heißt das nicht, dass die Pan­de­mie bald vor­bei ist. Im Gegen­teil: Man­che Län­der, beson­ders im glo­ba­len Süden, ste­hen erst am Beginn einer mög­li­chen Aus­brei­tung des Coro­na-Virus. Im Iran und Nord­ma­ze­do­ni­en droht laut Berich­ten je eine zwei­te und grö­ße­re Infek­ti­ons­wel­le, da Maß­nah­men zu früh gelo­ckert wur­den. Außer­dem hat die Pan­de­mie in vie­len Län­dern viel weit­rei­chen­de­re Aus­wir­kun­gen als in Deutschland.

Auch EASO legt in sei­nem ers­ten »Spe­cial Report: Asyl­um Trends and COVID-19« vom Mai 2020 dar, dass vie­le Her­kunfts­län­der von Asyl­su­chen­den in Euro­pa sowohl sehr anfäl­lig für eine Ver­brei­tung des Virus sind als auch schlecht dafür auf­ge­stellt sind, die­ses zu bekämp­fen und ihre Bevöl­ke­rung zu schüt­zen. Als beson­ders pro­ble­ma­tisch sieht EASO die Lage im Fall der Aus­brei­tung der Pan­de­mie in den Län­dern Afgha­ni­stan, Soma­lia, Ban­gla­desch, DR Kon­go, Eri­trea und Syri­en. Maß­nah­men zur Ein­däm­mung der Aus­brei­tung von COVID-19 kön­nen in sol­chen Län­dern dra­ma­ti­sche sozia­le Aus­wir­kun­gen haben, da den Men­schen plötz­lich jedes Ein­kom­men weg­bricht, Lebens­mit­tel­prei­se in die Höhe schnel­len und es kei­ne staat­li­che Unter­stüt­zung gibt. Dazu kann eine sol­che Gesund­heits­kri­se auch zu poli­ti­scher Insta­bi­li­tät und Auf­stän­den führen.

Man­che Län­der, beson­ders im glo­ba­len Süden, ste­hen erst am Beginn einer mög­li­chen Aus­brei­tung des Corona-Virus.

Bereits Ende April warn­te David Beas­ley, Exe­ku­tiv­di­rek­tor des UN-Welt­ernäh­rungs­pro­gram­mes bei einer vir­tu­el­len Sit­zung des UN-Sicher­heits­ra­tes mit ein­dring­li­chen Wor­ten vor einer Coro­na-beding­ten »Hun­ger­pan­de­mie«. Schon vor COVID-19 waren 135 Mil­lio­nen Men­schen mit schwe­rem oder extre­mem Hun­ger kon­fron­tiert. Auf­grund der Pan­de­mie geht das Welt­ernäh­rungs­pro­gramm davon aus, dass die­se Zahl bis Ende des Jah­res 2020 auf 265 Mil­lio­nen Men­schen anwach­sen wird und sich damit fast ver­dop­pelt. So bestün­de »die rea­le Gefahr, dass viel­leicht mehr Men­schen an den wirt­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen von COVID-19 ster­ben könn­ten als am Virus selbst«.

Die gra­vie­ren­den Aus­wir­kun­gen in Her­kunfts­län­dern zei­gen sich auch an fol­gen­den Beispielen:

Weitere Eskalation der Gewalt

Auch ohne COVID-19-Pan­de­mie ist die Situa­ti­on in Afgha­ni­stan dra­ma­tisch. Trotz dem Abschluss eines Abkom­mens zwi­schen den USA und den Tali­ban im Febru­ar sind Frie­dens­ge­sprä­che zwi­schen der afgha­ni­schen Regie­rung und den Tali­ban bis heu­te nicht zustan­de gekom­men. Statt­des­sen eska­liert der Krieg, die Inten­si­tät der Kämp­fe zwi­schen Tali­ban und Regie­rungs­trup­pen ist stark gestie­gen: Allei­ne im April wur­den nach Anga­ben der UN-Mis­si­on in Afgha­ni­stan 380 Zivilist*innen im Rah­men von Kampf­hand­lun­gen getö­tet – rund ein Drit­tel mehr als ein Jahr zuvor. Die Dun­kel­zif­fer dürf­te weit­aus höher lie­gen. Nach Anga­ben des afgha­ni­schen Innen­mi­nis­te­ri­ums haben die Tali­ban zwi­schen Febru­ar und Mai lan­des­weit 3.700 Angrif­fe durch­ge­führt, ande­ren Quel­len zufol­ge liegt die Zahl der Tali­ban-Angrif­fe sogar noch höher. Zusätz­lich über­zieht der soge­nann­te Isla­mi­sche Staat-Kho­ra­san Pro­vinz (ISKP), der mit den Tali­ban kon­kur­riert, das Land mit Ter­ror­an­schlä­gen. Einen trau­ri­gen Höhe­punkt der Gewalt stell­te der Angriff auf eine Geburts­sta­ti­on im Mai dar.

Corona verschärft die humanitäre Notlage

Dar­über hin­aus ist die huma­ni­tä­re Lage in Afgha­ni­stan kata­stro­phal: OCHA, das zustän­di­ge Amt der Ver­ein­ten Natio­nen für die Koor­di­nie­rung huma­ni­tä­rer Ange­le­gen­hei­ten, geht in einer Pro­gno­se für das Jahr 2020 davon aus, dass in den ers­ten Mona­ten des Jah­res 14,28 Mil­lio­nen Men­schen von aku­ter Nah­rungs­mit­tel­knapp­heit betrof­fen sind. Das ent­spricht bei einer Gesamt­po­pu­la­ti­on von 37,6 Mil­lio­nen Men­schen 38% der Bevöl­ke­rung, die an Hun­ger und Man­gel­er­näh­rung leiden.

Trotz alle­dem gilt beim BAMF und deut­schen Gerich­ten bis­her, dass Rück­keh­rer nach Afgha­ni­stan – allen vor­an leis­tungs­fä­hi­ge Män­ner – in der Lage sei­en, dort ein Leben über dem Exis­tenz­mi­ni­mum sichern zu kön­nen. Das war bis­her schon rea­li­täts­fremd. Ange­sichts der Ver­brei­tung des Coro­na­vi­rus in Afgha­ni­stan und der damit ein­her­ge­hen­den Fol­gen kann jedoch spä­tes­tens jetzt kei­ne Rede mehr davon sein. Laut aktu­el­len UN-OCHA-Zah­len (Stand 7. Juni) sind in Afgha­ni­stan 20.342 Per­so­nen an COVID-19 erkrankt, 357 Men­schen sind bis­her gestor­ben. Das ent­spricht einem Anstieg der bestä­tig­ten Erkran­kun­gen inner­halb eines Monats um 470%. Eine Stu­die, die von der Johan­ni­ter Unfall­hil­fe mit ihren afgha­ni­schen Part­ner­or­ga­ni­sa­tio­nen Ende April durch­ge­führt wur­de, geht davon aus, dass die tat­säch­li­che Zahl der Infi­zier­ten- und Todes­fäl­le deut­lich grö­ßer ist. Dabei trifft das Coro­na­vi­rus in Afgha­ni­stan auf ein Land, des­sen Gesund­heits­sys­tem nicht ein­mal ansatz­wei­se auf die Behand­lung von an COVID-19 erkrank­ten Men­schen vor­be­rei­tet ist. Nach Recher­chen der Wis­sen­schaft­le­rin Frie­de­ri­ke Stahl­mann stan­den im März im Afghan-Japan-Kran­ken­haus in Kabul, das zur natio­na­len Anlauf­stel­le für behand­lungs­be­dürf­ti­ge Corona-Patient*innen bestimmt wur­de, ledig­lich 100 Bet­ten zur Ver­fü­gung. Zudem sei es nur mög­lich, vier (!) Patient*innen gleich­zei­tig mit Sau­er­stoff zu versorgen.

Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan waren schon vor COVID-19 durch nichts zu ver­tre­ten. Ange­sichts der nun hin­zu­kom­men­den Pan­de­mie gilt die For­de­rung nach einem Abschie­bungs­stopp umso mehr.

Immer mehr Arbeitslose während des Lockdowns

Um die Aus­brei­tung des Coro­na­vi­rus ein­zu­däm­men, hat die afgha­ni­sche Regie­rung einen lan­des­wei­ten Lock­down beschlos­sen, der zunächst bis Ende Mai befris­tet war. Am 6. Juni wur­de der Lock­down um drei Mona­te ver­län­gert und gilt also bis zum Sep­tem­ber. Dies bedeu­tet, dass u.a. Schu­len und ande­re öffent­li­che Ein­rich­tun­gen geschlos­sen blei­ben und auch die Nut­zung von Trans­port­mit­teln ein­ge­schränkt ist. Der Lock­down hat zur Fol­ge, dass auch NGOs und huma­ni­tä­re Orga­ni­sa­tio­nen in ihrer Bewe­gungs­frei­heit ein­ge­schränkt sind und daher ihre drin­gend benö­tig­te Unter­stüt­zung – rund ein Vier­tel der Bevöl­ke­rung ist auf huma­ni­tä­re Hil­fe ange­wie­sen – nicht ankommt oder für die Betrof­fe­nen nicht erreich­bar ist. In Fol­ge der Maß­nah­men zur Ein­däm­mung des Coro­na­vi­rus haben 2 Mil­lio­nen Afghan*innen ihre Jobs ver­lo­ren, der Arbeits­markt für Tage­löh­ner, auf die das BAMF und deut­sche Gerich­te afgha­ni­sche Asyl­su­chen­de ger­ne ver­wei­sen, ist kaum exis­tent. Hin­zu kommt, dass von Janu­ar bis Anfang Mai 278.100 Afghan*innen aus dem Iran zurück­kehrt sind, die auf huma­ni­tä­re Ankunfts­hil­fe ange­wie­sen sind und durch die die Situa­ti­on am Arbeits­markt wei­ter ver­schärft wird. Nach Anga­ben des Welt­ernäh­rungs­pro­gramms sind die Prei­se für Grund­nah­rungs­mit­tel seit Ende März teils deut­lich ange­stie­gen, wohin­ge­gen die durch­schnitt­li­che Kauf­kraft im glei­chen Zeit­raum gesun­ken ist. Selbst wenn die Maß­nah­men zur Ein­däm­mung des Coro­na­vi­rus gelo­ckert oder sogar ganz auf­ge­ho­ben wer­den soll­ten, wer­den die unmit­tel­ba­ren Fol­gen für die Bevöl­ke­rung noch lan­ge andau­ern, da nicht damit zu rech­nen ist, dass sich die Wirt­schaft in Afgha­ni­stan in abseh­ba­rer Zeit sta­bi­li­sie­ren wird. Für ein Kon­junk­tur­pro­gramm wie bei­spiels­wei­se in Deutsch­land feh­len dem afgha­ni­schen Staat schlicht­weg die finan­zi­el­len Mittel.

Hoffnung Abschiebungsverbote?

Eine Rei­he an deut­schen Ver­wal­tungs­ge­rich­ten hat bereits auf die durch die Coro­na-Pan­de­mie dras­tisch ver­schlech­ter­te Lage in Afgha­ni­stan reagiert und in meh­re­ren Urtei­len auch leis­tungs­fä­hi­gen, allein­ste­hen­den Män­nern Abschie­bungs­ver­bo­te zuge­spro­chen (VG Mei­nin­gen, Urteil vom 30. April 2020, 8 K 21866/17 Me, VG Karls­ru­he, Urteil vom 14. Mai 2020, A 19 K 7283/17, VG Stutt­gart, Urteil vom 18. Mai 2020, A 1 K 18261/17, VG Sig­ma­rin­gen, Urteil vom 19. Mai 2020, A 2 K 4941/19, VG Sig­ma­rin­gen, Urteil vom 22. Mai 2020, A 2 K 7775/17, VG Frei­burg, Urteil vom 22. Mai 2020, A 10 K 573/17, VG Mag­de­burg, Urteil vom 28. Mai 2020, 4 A 123/20 MD).

Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan waren schon vor der Coro­na-Pan­de­mie durch nichts zu ver­tre­ten, wes­halb sich PRO ASYL immer für einen gene­rel­len Abschie­bungs­stopp nach Afgha­ni­stan ein­ge­setzt hat. Ange­sichts der durch die Coro­na-Pan­de­mie ver­schlech­ter­ten Lage in Afgha­ni­stan gilt die­se For­de­rung umso mehr.

(ame)

Heuschreckenplage am Horn von Afrika

Äthio­pi­en (wie auch Soma­lia, s.u.) kämpft seit Ende 2019 wie die ande­ren Staa­ten am Horn von Afri­ka gegen die schlimms­te Heu­schre­cken­pla­ge, die es seit Jahr­zehn­ten gege­ben hat. Das Epi­zen­trum der Pla­ge liegt in Kenia, auch der Nor­den Tan­sa­ni­as, der Osten Ugan­das und der Süden Süd­su­dans sind betroffen.

Allein im April bedeck­ten Schwär­me von Wüs­ten­heu­schre­cken eine Flä­che von ins­ge­samt mehr als 2.000 km² (zum Ver­gleich: das Saar­land hat eine Flä­che von 2.570 km²). Das Wachs­tum ver­läuft expo­nen­ti­ell, die Popu­la­ti­on kann sich inner­halb von drei Mona­ten ver­zwan­zig­fa­chen. Die Insek­ten ver­schlin­gen alles Grü­ne auf ihrem Weg und kön­nen inner­halb von weni­gen Minu­ten gan­ze Fel­der und Wei­de­flä­chen kahl fres­sen. Sie bedro­hen die Ern­ten und damit Lebens­grund­la­gen von Landwirt*innen und Viehzüchter*innen und schließ­lich auch die Ernäh­rung der gesam­ten Bevöl­ke­rung. Auf­grund der sai­so­na­len Regen­fäl­le wer­den für die nächs­ten Mona­te neue Heu­schre­cken­schwär­me erwartet.

Coronavirus macht alles noch schwieriger

Auf­grund von COVID-19 wur­de in Äthio­pi­en im April der zunächst fünft­mo­na­ti­ge Aus­nah­me­zu­stand aus­ge­ru­fen. Dadurch wur­de auch die Bekämp­fung der Heu­schre­cken­pla­ge erschwert. Rei­sen inner­halb des Lan­des wur­den ver­bo­ten, was es für Trupps, die ver­su­chen die Heu­schre­cken mit Pes­ti­zi­den zu bekämp­fen, unmög­lich macht an ihre Ein­satz­or­te zu kommen.

Aktu­ell (Stich­tag: 07.06.2020) hat Äthio­pi­en 2020 bestä­tig­te Coro­na-Infi­zier­te – die Dun­kel­zif­fer dürf­te aber höher lie­gen. War bis vor kur­zem aus­schließ­lich die Haupt­stadt Addis Abe­ba betrof­fen, hat sich das Virus mitt­ler­wei­le in fast alle Regio­nen Äthio­pi­ens aus­ge­brei­tet. Die Schu­len sind geschlos­sen, Ver­an­stal­tun­gen ab vier Per­so­nen und sogar Hand­schlä­ge zum Gruß sind ver­bo­ten. Bei Ver­stoß dro­hen Geld- und Frei­heits­stra­fen. Die für August geplan­ten Par­la­ments­wah­len wur­den auf unbe­stimm­te Zeit ver­scho­ben. Trotz der von der Welt­bank bereit­ge­stell­ten 82 Mio. USD zur Bekämp­fung der Pan­de­mie wird die Wirt­schaft Äthio­pi­ens hart getrof­fen wer­den. Schon vor Coro­na war eins der zen­tra­len Pro­ble­me im Land die hohe Arbeits­lo­sig­keit unter jun­gen Erwach­se­nen. Dar­über hin­aus ist auch Äthio­pi­ens Gesund­heits­sys­tem nicht für das Virus gewapp­net. Es gibt nur eini­ge Hun­dert Beatmungs­ge­rä­te und weni­ger als 500 Plät­ze in Inten­siv­sta­tio­nen. Arbeits- und Lebens­be­din­gun­gen in Äthio­pi­en stel­len trotz der getrof­fe­nen Maß­nah­men gute Vor­aus­set­zung für die Ver­brei­tung des Virus dar: Eine weit­ge­hend infor­mel­le Wirt­schaft macht »social distancing« unmög­lich. Vie­le Men­schen leben in über­füll­ten Mehr­ge­ne­ra­tio­nen­häu­sern, in denen es oft­mals kein flie­ßen­des Was­ser gibt. In Äthio­pi­en leben zudem vie­le Bin­nen­ver­trie­be­ne und Flücht­lin­ge aus Eri­trea, Sudan und Soma­lia dicht an dicht in über­füll­ten Camps, wo sich das Virus leicht aus­brei­ten kann.

Arbeits- und Lebens­be­din­gun­gen in Äthio­pi­en stel­len gute Vor­aus­set­zun­gen für die Ver­brei­tung des Virus dar.

Problematischer Ausnahmezustand

Äthio­pi­en – ein Land, wel­ches auf­grund der Ver­lei­hung des Frie­dens­no­bel­prei­ses an sei­nen Pre­mier­mi­nis­ter Abiy Ahmed kürz­lich an media­ler Auf­merk­sam­keit gewon­nen hat – hat zwar nach jahr­zehn­te­lan­ger Feind­schaft mit der benach­bar­ten Auto­kra­tie Eri­trea offi­zi­ell Frie­den geschlos­sen, doch intern bleibt die Lage trotz eini­ger Ver­bes­se­run­gen ange­spannt. Erst letz­tes Jahr kam es zu einem Putsch­ver­such und Auf­stän­de wie Pro­tes­te sind an der Tages­ord­nung. In den Grenz­ge­bie­ten des Lan­des kommt es immer wie­der zu gewalt­sa­men Zusammenstößen.

Human Rights Watch beob­ach­tet aktu­el­le Ent­wick­lun­gen vor dem Hin­ter­grund von COVID-19 kri­tisch. Die Orga­ni­sa­ti­on schätzt den ver­häng­ten Aus­nah­me­zu­stand und die damit ver­bun­de­nen Son­der­be­fug­nis­se der Regie­rung als Vor­wand ein, um die Rede­frei­heit ein­zu­schrän­ken. Die bei­den vor­he­ri­gen Aus­nah­me­zu­stän­de Äthio­pi­ens, einer von Okto­ber 2016 bis August 2017, brach­ten Mas­sen­ver­haf­tun­gen und poli­tisch moti­vier­te Fest­nah­men mit sich, erwei­ter­ten die Über­wa­chung und zahl­rei­che Ein­schrän­kun­gen der Bewe­gungs- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten. Die Not­stands­er­klä­rung von 2018 ent­hielt auch Bestim­mun­gen, die die Ver­brei­tung von Infor­ma­tio­nen unter Stra­fe stell­ten. Es wird befürch­tet, dass auch der jet­zi­ge Aus­nah­me­zu­stand als Unter­drü­ckungs­in­stru­ment benutzt wird.

(jlr)

Eben­so wie Äthio­pi­en ist auch Soma­lia von der Heu­schre­cken­pla­ge betrof­fen (sie­he ent­spre­chen­den Abschnitt bei Äthio­pi­en). In Soma­lia gehen mit der Heu­schre­cken­pla­ge auch star­ke Über­flu­tun­gen ein­her, die bereits gan­ze Städ­te unter sich begra­ben haben. Die soma­li­sche Zen­tral­re­gie­rung hat des­we­gen bereits im Febru­ar 2020 den natio­na­len Not­stand aus­ge­ru­fen – und das, nach­dem Soma­lia und das gesam­te Horn von Afri­ka seit der Dür­re­ka­ta­stro­phe 2016 immer wie­der kurz vor der Hun­gers­not standen.

15 Intensivbetten für 15 Millionen Menschen

Die Infor­ma­ti­ons­la­ge zu COVID-19 in Soma­lia ist unüber­sicht­lich. Laut offi­zi­el­len Zah­len gibt es 2.334 bestä­tig­te Infek­tio­nen (Stich­tag: 07.06.2020), aber die tat­säch­li­chen Infek­ti­ons­zah­len dürf­ten sehr viel höher lie­gen. Soma­li­as Gesund­heits­sys­tem ist bloß ein Kon­strukt: Die weni­gen öffent­li­chen Kran­ken­häu­ser kämp­fen mit man­geln­der Aus­stat­tung, nicht-akkre­di­tier­te Ärzt*innen in pri­va­ten Ein­rich­tun­gen bie­ten unbe­zahl­ba­re Leis­tun­gen an, Medi­ka­men­te sind knapp oder min­der­wer­tig. Das Arzt-Pati­en­ten-Ver­hält­nis gehört zu den schlech­tes­ten der Welt – auf 1.000 Men­schen kom­men nur etwa 0,02 Ärzt*innen. In Soma­lia leben 15 Mil­lio­nen Men­schen. Doch im gan­zen Land gibt es nur 15 Intensivbetten.

Das Arzt-Pati­en­ten-Ver­hält­nis gehört zu den schlech­tes­ten der Welt – auf 1.000 Men­schen kom­men nur etwa 0,02 Ärzt*innen.

Kein Ende der Gewalt in Sicht

Soma­lia ist seit Aus­bruch des Bür­ger­kriegs Anfang der 1990er ein soge­nann­ter »fra­gi­ler Staat« und oft­mals das Lehr­buch­bei­spiel für Staats­zer­fall. Die Zen­tral­re­gie­rung hat trotz man­cher Fort­schrit­te nur wenig Macht, es gibt ver­schie­de­ne ver­fein­de­te Grup­pie­run­gen im Land und Tei­le des Lan­des ste­hen unter der Kon­trol­le der isla­mis­ti­schen Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on Al-Shaba­ab, durch die es auch regel­mä­ßig zu ver­hee­ren­den Anschlä­gen kommt. Allein Ende Mai gab es drei töd­li­che Ereig­nis­se: Zwei Anschlä­ge mit ins­ge­samt 14 Toten und die Ent­füh­rung und Ermor­dung von sie­ben Mitarbeiter*innen im Gesund­heits­we­sen. Auch wenn es kei­ne offi­zi­el­le Bestä­ti­gung gibt, wird Al-Shaba­ab als dafür ver­ant­wort­lich gese­hen. Auch wird befürch­tet, dass durch die wirt­schaft­li­chen Schä­den Wut geschürt wird, wel­che Al-Shaba­ab für sich nut­zen könn­te, um Mit­glie­der zu wer­ben. Der Kampf gegen die Grup­pie­rung durch US-Luft­an­grif­fe ist der­zeit auf einem Rekord­hoch. Wie vie­le Zivil­per­so­nen dabei zu Scha­den kom­men, ist nicht genau bekannt.

[Hin­weis: Da die Quel­len meist kei­ne Unter­schei­dung zwi­schen Soma­lia, Soma­li­land und Punt­land machen, konn­te auch im Text kei­ne ent­spre­chen­de Unter­schei­dung gemacht werden.]

(jlr)

Paki­stan ist in vie­ler­lei Hin­sicht schwer vom Coro­na­vi­rus getrof­fen. Am 08.06.2020 stieg die Zahl der Neu­in­fek­tio­nen pro Tag auf über 4.700 und die offi­zi­el­len Zah­len im gesam­ten Land auf über 103.000. Bis­her sind über 2.000 Men­schen bekann­ter­ma­ßen an dem Virus ver­stor­ben. Jedoch schät­zen Kritiker*innen, dass die tat­säch­li­chen Erkrank­ten in Mil­lio­nen­hö­he lie­gen könn­ten, da lan­des­weit nur unzu­rei­chend getes­tet wird. Expert*innen schät­zen, dass der Höhe­punkt der Pan­de­mie erst in einem Monat erreicht sein wird.

Ent­ge­gen der For­de­run­gen natio­na­ler Gesundheitsexpert*innen die Pan­de­mie durch einen strik­ten Lock­down ein­zu­däm­men, hat der paki­sta­ni­sche Pre­mier­mi­nis­ter Imran Khan zunächst im Ver­such die Wirt­schaft anzu­kur­beln nahe­zu alle getrof­fe­nen öffent­li­chen Restrik­tio­nen wie­der auf­ge­ho­ben. Auf­grund der rasant stei­gen­den Neu­in­fek­tio­nen seit Anfang Juni, kam es kürz­lich jedoch erneut zu Schlie­ßun­gen und Abrie­ge­lung gan­zer Stadt­tei­le in Metro­po­len. Kritiker*innen wer­fen dem Pre­mier­mi­nis­ter vor, kei­nen kon­kre­ten Plan im Umgang mit dem Coro­na­vi­rus zu ver­fol­gen und Ent­schei­dun­gen anhand von wirt­schaft­li­chen Inter­es­sen und nicht in Abstim­mung mit Gesundheitsexpert*innen zu tref­fen. Vie­le Paki­sta­nis fürch­ten, dass das Land auf­grund der schlech­ten Regie­rungs­füh­rung in eine unhalt­ba­re Gesund­heits­kri­se gera­ten wird.

Vie­le Paki­sta­nis fürch­ten, dass das Land auf­grund der schlech­ten Regie­rungs­füh­rung in eine unhalt­ba­re Gesund­heits­kri­se gera­ten wird.

Überlastetes Gesundheitssystem

Das paki­sta­ni­sche Gesund­heits­sys­tem ist bereits jetzt durch den hohen Anstieg der Infek­ti­ons­zah­len über­las­tet. Auch Kran­ken­häu­ser ent­wi­ckeln sich durch hohe Bele­gungs­ra­ten zu Hot­spot-Über­tra­gungs­or­ten, unter ande­rem da es an ent­spre­chen­der Schutz­aus­rüs­tung fehlt. Außer­dem kam es zu Über­tra­gun­gen in über­füll­ten Gefäng­nis­sen ohne dass Insas­sen einen adäqua­ten Zugang zu medi­zi­ni­scher Infra­struk­tur haben. Auch der ärms­te Teil der Bevöl­ke­rung ist einer beson­de­ren Gefahr aus­ge­setzt, da sie in über­füll­ten Sied­lun­gen lebt, in denen Abstand hal­ten nicht mög­lich ist.

Da sich die Anstren­gun­gen der Regie­rung haupt­säch­lich auf das neu­ar­ti­ge Virus kon­zen­trie­ren, wird die Bekämp­fung ande­rer Krank­hei­ten ver­nach­läs­sigt. So wur­den Impf­kam­pa­gnen gegen Masern mit der Fol­ge ein­ge­stellt, dass ers­te iso­lier­te Aus­brü­che der poten­zi­ell töd­li­chen Krank­heit in Paki­stan statt­ge­fun­den haben. Es besteht die Gefahr, dass Krank­hei­ten zurück­keh­ren, die man vor COVID-19 bereits im Griff hatte.

Angeschlagene Wirtschaft und Landwirtschaft

Auf­grund welt­wei­ter Kon­sum­ein­brü­che ver­zeich­nen Tex­til­fa­bri­ken in Süd­asi­en schon jetzt Auf­trags­rück­gän­ge in Mil­li­ar­den­hö­he. Allein in der Pro­vinz Sindh, in der auch die Mil­lio­nen­me­tro­po­le Kara­chi liegt, trifft das unzäh­li­ge Fami­li­en. Durch zahl­rei­che Ent­las­sun­gen, sind sie einer exis­ten­ti­el­len Bedro­hung ausgesetzt.

Hin­zu kommt, dass Paki­stan der­zeit von der schlimms­ten Heu­schre­cken­pla­ge seit Jahr­zehn­ten heim­ge­sucht wird. Gan­ze Ern­ten kön­nen aus­fal­len und Nah­rungs­mit­tel knapp wer­den. Der Bericht der Landwirtschaftsexpert*innen der Ver­ein­ten Natio­nen warnt vor einer Hun­gers­not. Beson­ders betrof­fen sind wie­der Ärms­ten des Lan­des, auch da vie­le Arbeits­ge­le­gen­hei­ten in der Land­wirt­schaft – ins­be­son­de­re für Tage­löh­ner – weg­fal­len. Nach wie vor ist die paki­sta­ni­sche Wirt­schaft stark von der Land­wirt­schaft abhängig.

(tl)

Nige­ria ist eins der Haupt­her­kunfts­län­der von Asyl­su­chen­den in Euro­pa und ent­spre­chend hat EASO in sei­nem zwei­ten Son­der­be­richt zu Asyl und COVID-19 dem west­afri­ka­ni­schen Land ein gan­zes Kapi­tel gewid­met. Laut offi­zi­el­len Anga­ben gibt es in dem bevöl­ke­rungs­reichs­ten Staat Afri­kas (ca. 200 Mil­lio­nen Men­schen) etwas über 16.000 Coro­na-Fäl­le und 420 Tote (Stand 15.06.2020). Aller­dings ist davon aus­zu­ge­hen, dass die­se Zah­len nicht die tat­säch­li­che Aus­brei­tung des Virus abbil­den. So gibt es laut dem EASO-Bericht nur in 12 der 36 nige­ria­ni­schen Bun­des­staa­ten Labo­re, die auf COVID-19 tes­ten kön­nen. Ent­spre­chend ver­tei­len sich auch die fest­ge­stell­ten Coro­na-Fäl­le auf die­se Bun­des­staa­ten. Auch die häu­fi­ge Nicht­re­gis­trie­rung von Todes­fäl­len außer­halb von Kran­ken­häu­sern führt zu einer unsi­che­ren Ein­schät­zung bezüg­lich der aktu­el­len Gesamt­la­ge. Ärzt*innen und Bestatter*innen berich­te­ten zum Bei­spiel im Mai aus Kano, der viert­größ­ten Stadt Nige­ri­as, von einer dra­ma­ti­schen Lage vor Ort, die nichts mit den bis dato rela­tiv gerin­gen offi­zi­el­len Fäl­len gemein­sam hatte.

Desolater Zustand des Gesundheitssystems

Die Coro­na-Pan­de­mie trifft in Nige­ria auf ein bereits ange­schla­ge­nes Gesund­heits­sys­tem, wel­ches beson­ders unter der Wirt­schafts­kri­se 2015/2016 zu lei­den hat­te. Auf 10.000 Einwohner*innen kom­men laut der aktu­ells­ten Zah­len nur fünf Kran­ken­haus­bet­ten und auf 100.000 Einwohner*innen weni­ger als ein Bett auf einer Inten­siv­sta­ti­on – das gehört zu einer der schlech­tes­ten medi­zi­ni­schen Ver­sor­gungs­la­gen weltweit.

Auf­grund der weni­gen medi­zi­ni­schen Res­sour­cen stellt auch die Umstel­lung eini­ger Tei­le des Gesund­heits­sys­tems auf die Bekämp­fung von COVID-19 ein Pro­blem dar, denn dadurch feh­len wich­ti­ge Res­sour­cen für die Behand­lung von ver­brei­te­ten Krank­hei­ten wie HIV und Tuber­ku­lo­se. Die Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on befürch­tet, dass es ent­spre­chend zu mehr ansons­ten ver­meid­ba­ren Todes­fäl­len an mit AIDS ver­bun­de­nen Krank­hei­ten wie Tuber­ku­lo­se kom­men wird.

Auf 10.000 Einwohner*innen kom­men nur fünf Kran­ken­haus­bet­ten und auf 100.000 Einwohner*innen weni­ger als ein Intensivstationsbett.

Wirtschaft droht einzubrechen

Nige­ria hat erst kürz­lich ange­fan­gen sich von der Rezes­si­on von 2016 zu erho­len, doch nun droht die Wirt­schaft Coro­na-bedingt erneut ein­zu­bre­chen. In Län­dern mit nied­ri­gem Ein­kom­men sind ein­schrän­ken­de Maß­nah­men wie Lock­downs beson­ders pro­ble­ma­tisch, da die Men­schen weni­ger Rück­la­gen haben und so bei Weg­fall von Arbeit und stei­gen­den Lebens­mit­tel­prei­sen schnell von extre­mer Armut bedroht sind. Ver­mut­lich auch des­halb hat Nige­ria die ein­schrän­ken­den Maß­nah­men rela­tiv schnell wie­der gelo­ckert – womit jedoch wie­der eine stär­ke­re Ver­brei­tung des Virus droht.

Nige­ri­as Wirt­schaft ist auch stark von der Ölpro­duk­ti­on abhän­gig und der seit die­sem Jahr sehr nied­ri­ge Ölpreis wirkt sich bereits auf die Ein­nah­men der Regie­rung aus. Im April 2020 hat der Inter­na­tio­na­le Wäh­rungs­fonds vor einer neu­en Rezes­si­on in Nige­ria gewarnt, die die schlimms­te in den letz­ten 30 Jah­ren sein könn­te. Geld­über­wei­sun­gen von Nigerianer*innen, die in ande­ren Län­dern leben und arbei­ten, sind eben­so für die Wirt­schaft ein rele­van­ter Fak­tor und für vie­le Fami­li­en über­le­bens­wich­tig. Doch auch die­se dürf­ten auf­grund der welt­wei­ten Ein­schrän­kun­gen und wirt­schaft­li­chen Kon­se­quen­zen rück­läu­fig sein.

Ver­stärk­te wirt­schaft­li­che Not in der Bevöl­ke­rung kann auch dazu füh­ren, dass mehr Per­so­nen Opfer von Men­schen­han­del wer­den und zum Bei­spiel in Euro­pa zur Pro­sti­tu­ti­on gezwun­gen wer­den. Dies kann auch ein Asyl­grund sein (sie­he z.B. VG Köln, Urteil vom 28.05.2019)!

Tödlicher Konflikt im Norden hält an

Ins­be­son­de­re im Nor­den Nige­ri­as ist die Sicher­heits­la­ge wei­ter­hin sehr pro­ble­ma­tisch, im April 2020 flo­hen unge­fähr 23.000 Men­schen vor der Gewalt und den Ent­füh­run­gen isla­mis­ti­scher Grup­pen wie Boko Haram aus den Bun­des­staa­ten Katsi­na, Soko­to und Zam­fa­ra in das Nach­bar­land Niger. Töd­li­che Angrif­fe auf Dör­fer zäh­len schon fast zur Tagesordnung.

Unge­fähr zwei Mil­lio­nen Men­schen sind vor der Gewalt inner­halb des eige­nen Lands geflüch­tet und sind als Bin­nen­flücht­lin­ge oft von huma­ni­tä­rer Hil­fe abhän­gig. Doch die­se gestal­tet sich wäh­rend der Coro­na-Beschrän­kun­gen beson­ders pro­ble­ma­tisch. Hilfs­gü­ter wer­den auch zum Angriffs­ziel, so brann­ten kürz­lich Anhän­ger der Grup­pe »Isla­mi­scher Staat in West­afri­ka« ein Lager der Ver­ein­ten Natio­nen nieder.

Zudem wur­den allein zwi­schen dem 21. März und dem 16. Mai 72 Vor­fäl­le wie Pro­tes­te und Unru­hen in Nige­ria regis­triert, die im Zusam­men­hang mit Coro­na-Beschrän­kun­gen stan­den. Dabei star­ben 28 Men­schen, in den meis­ten Fäl­len durch staat­li­che Akteure.

(sch/wj)

Knapp 180.000 Infi­zier­te und 4.800 Tote, Ten­denz stei­gend – so stellt sich laut der Welt Gesund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) Mit­te Juni die Coro­na­si­tua­ti­on in der Tür­kei dar. Beson­ders zu  Beginn der Pan­de­mie bestan­den gro­ße Zwei­fel, ob die offi­zi­el­len Regie­rungs­an­ga­ben die tat­säch­li­chen Zah­len wie­der­ge­ben. Unge­reimt­hei­ten, etwa der rela­tiv spä­te Bericht über die ers­ten Coro­na Infek­tio­nen trotz der unmit­tel­ba­ren Nach­bar­schaft zum Infek­ti­ons­herd Iran und Dis­kre­pan­zen zwi­schen der gemel­de­ten Anzahl von töd­li­chen Ver­läu­fen in Istan­bul und einem wesent­lich stär­ke­ren Anstieg der Todes­zah­len im Ver­gleich zum Vor­jahr hat­ten den Ver­dacht der Ver­tu­schung auf­ge­bracht. Die­ser wur­de durch Vide­os auf Social-Media-Kanä­len, die eine Viel­zahl an Sär­gen oder aus­ge­ho­be­ne Mas­sen­grä­ber zeig­ten, bestärkt. Die Maß­nah­men zur Bekämp­fung der Pan­de­mie wur­den an der wirt­schaft­li­chen Scha­dens­be­gren­zung aus­ge­rich­tet. Rela­tiv früh­zei­tig reagier­te die Tür­kei mit Rei­se­be­schrän­kun­gen, Aus­gangs­sper­ren wur­den vor­wie­gend an arbeits­frei­en Tagen ver­hängt. Flä­chen­de­ckend waren sie nur für Alters­grup­pen in Kraft, die sich nicht in der Erwerbs­tä­tig­keit befin­den: Für über 65- und unter 20-Jäh­ri­ge. Seit dem 1. Juni sind vie­le Maß­nah­men gelo­ckert. Restau­rants, Fit­ness­stu­di­os und Strän­de haben wie­der geöff­net, eben­so ist die Ein- und Aus­rei­se wie­der mög­lich – 14 Tage spä­ter steigt die Zahl der Coro­na-Neu­in­fek­tio­nen wie­der an.

Kritik an zögerlichen Corona-Maßnahmen unerwünscht

Eine offe­ne Dis­kus­si­on über eine ver­meid­lich ver­früh­te Öff­nung wird in der Tür­kei jedoch ver­mut­lich nicht ent­ste­hen. Nach­dem Mediziner*innen, die sich kri­tisch bezüg­lich der zöger­li­chen Coro­na-Maß­nah­men des Regimes Erdoğans geäu­ßert, in den Fokus staat­li­cher Ver­fol­gung gera­ten sind, üben sich nun vie­le in Selbst­zen­sur. Wie die Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on Human Rights Watch (HRW) berich­tet, wird Mediziner*innen in ver­schie­de­nen Pro­vin­zen geziel­te Des­in­for­ma­ti­on vor­ge­wor­fen und gegen es wur­den Straf­ver­fah­ren gegen sie eröff­net. Die kri­ti­sche Bericht­erstat­tung über das Coro­na­vi­rus in der Tür­kei ergänzt auch die schier end­los schei­nen­de Lis­te an Grün­den, für die Journalist*innen ver­folgt und fest­ge­nom­men werden.

»Die straf­recht­li­chen Ermitt­lun­gen der tür­ki­schen Behör­den gegen Beam­te der Ärz­te­kam­mer sind nicht nur ein empö­ren­der Angriff auf die Mei­nungs­frei­heit, son­dern behin­dern auch den Kampf gegen die töd­li­che COVID-19-Pandemie.«

Hugh Wil­liam­son, Human Rights Watch https://www.hrw.org/news/2020/06/10/turkey-probes-over-doctors-covid-19-comments

Minderheiten als Sündenbock

Durch Het­ze und Ver­schwö­rungs­theo­rien, wer­den auch von (semi-)staatlichen Akteu­ren Nebel­ker­zen ent­facht, die Res­sen­ti­ments gegen Min­der­hei­ten schüren.

Der Regen­bo­gen ist vie­ler­orts zu einem Zei­chen der Hoff­nung in der Coro­na Pan­de­mie gewor­den. Welt­weit wur­de er von Kin­dern gemalt und sicht­bar ange­bracht. In der Tür­kei wur­den sol­che Aktio­nen jedoch zum Teil unter­bun­den. Grund ist die Sym­bol­kraft des Regen­bo­gens in der Schwu­len- und Les­ben­be­we­gung. Die Men­schen­rech­te sexu­el­ler Min­der­hei­ten wer­den in der Tür­kei kon­ti­nu­ier­lich beschnit­ten. Wäh­rend der Pan­de­mie inten­si­vier­te sich die öffent­li­che Het­ze. In sei­ner Pre­digt zum Fas­ten­mo­nat Rama­dan, der unter erheb­li­chen Ein­schrän­kun­gen statt­fand, wet­ter­te der Prä­si­dent der tür­ki­schen Reli­gi­ons­be­hör­de Diya­net, Ali Erbaş, gegen Homo­se­xua­li­tät als ursäch­lich für gesell­schaft­li­chen Ver­fall und Krank­hei­ten. Die Anwalts­kam­mer Anka­ra leg­te wie die Men­schen­rechts­ver­ei­ni­gung (IHD) Straf­an­zei­ge gegen Erbaş ein. Anschlie­ßen­de Ermitt­lun­gen eröff­ne­te die Staats­an­walt­schaft jedoch gegen die Anwalts­kam­mer selbst. Der Vor­wurf: »Ver­let­zung der reli­giö­sen Gefüh­le des Vol­kes«. Damit folgt die Jus­tiz den Äuße­run­gen des Staats­prä­si­den­ten Erdoğan, der die Äuße­rung Erbaş als »von vor­ne bis hin­ten kor­rekt« ver­tei­dig­te.

Auch reli­giö­se Min­der­hei­ten gera­ten in den Fokus von Hetz­kam­pa­gnen und Über­grif­fen. So ver­brei­te­te die tür­ki­sche Zeit­schrift Ger­cek Hayat, dass Jüd*innen und grie­chisch und arme­ni­sche Chris­ten das Gülen-Netz­werk, dass für den ver­ei­tel­ten Putsch­ver­such 2016 ver­ant­wort­lich gemacht wird, unter­stützt haben. Das als ein­fluss­reich bewer­te Maga­zin gehört zur Albay­rak Media Group des Schwie­ger­sohns Erdoğans, Berat Albay­rak. In der Son­der­pu­bli­ka­ti­on wird die Geschich­te des Gülen-Netz­werks doku­men­tiert und eine Ver­bin­dung zu den unter­schied­li­chen Reli­gi­ons­grup­pen nahe­ge­legt. Medi­en­be­rich­ten zu Fol­ge mehr­ten sich die Über­grif­fe gegen­über Min­der­hei­ten in den letz­ten Mona­ten, was die Befürch­tung von Ver­tre­tern der Reli­gi­ons­grup­pen bestä­tigt. Ein ver­such­ter Brand­an­schlag am 8. Mai gegen eine arme­ni­sche Kir­che in Istan­bul begrün­de­te der Atten­tä­ter damit, dass Armenier*innen für den Aus­bruch des Coro­na-Virus ver­ant­wort­lich seien.

Autoritärer Kurs hält an

Im Schat­ten der Kri­se set­zen sich Amts­ent­he­bun­gen und Fest­nah­men, meist unter Ter­ror­vor­wür­fen,  fort. Medi­en berich­te­ten in den ver­gan­ge­nen Mona­ten von Repres­sio­nen gegen Kom­mu­nal- und Landespolitiker*innen der Oppo­si­ti­ons­par­tei HDP. Neben wei­te­ren Inhaf­tie­run­gen wur­de auch ein für Juni geplan­ter »Demo­kra­tie­marsch« durch weit­rei­chen­de Anord­nun­gen letzt­lich ver­bo­ten. Im Nord­irak flog die Tür­kei Mit­te Juni erst­mals seit Mona­ten Angrif­fe gegen PPK-Stel­lun­gen, wobei laut Berich­ten des kur­di­schen Zen­trums für Öffent­lich­keits­ar­beit auch ein Flücht­lings­la­ger süd­öst­lich von Erbil und sowie ein Rück­kehr­la­ger von Jesid*innen ange­grif­fen wor­den seien.

Besorgt äußer­te sich die Oppo­si­ti­on über die jüngs­ten Stär­kung der soge­nann­ten Hilfs­po­li­zei. Befürch­tet wird, dass sich die als regie­rungs­treu gel­ten­de Hilfs­po­li­zei zu einer Art Miliz Erdoğans ent­wi­ckeln könn­te. Der­weil ging die von Erdoğan nach dem geschei­ter­ten Putsch 2016 ange­kün­dig­ten »Säu­be­run­gen« staat­li­cher Insti­tu­tio­nen wei­ter. Mehr als 100 ehe­ma­li­ge Mili­tärs und Polizist*innen wur­den in meh­re­ren Aktio­nen fest­ge­nom­men. Ihnen wird die ver­meid­li­che Unter­stüt­zung des Pre­di­gers Fet­hul­la Gülen vor­ge­wor­fen. Seit dem Putsch­ver­such wur­de gegen mehr als eine hal­be Mil­lio­nen Men­schen Ermitt­lungs­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet. Häu­fig reicht der pure Ver­dacht für eine Ver­ur­tei­lung aus. Von einer unab­hän­gi­gen Jus­tiz kann nicht mehr die Rede sein. Auch in Zei­ten der Pan­de­mie setzt sich der auto­ri­tä­re Kurs der Tür­kei umfäng­lich fort.

Aktu­ell gibt es im Irak über 14.200 bestä­tig­te Coro­na-Fäl­le und fast 400 Tote (Stand 10.06.2020). Doch ob die­se das wah­re Aus­maß der Aus­brei­tung zei­gen kann bezwei­felt wer­den. Anfang April berich­te­te die Nach­rich­ten­agen­tur Reu­ters basie­rend auf Gesprä­chen mit Ärzt*innen und Behördenmitarbeiter*innen, dass die tat­säch­li­chen Zah­len die offi­zi­el­len Zah­len um ein Viel­fa­ches über­stei­gen wür­den. Dar­auf­hin ent­zog die ira­ki­sche Regie­rung Reu­ters für drei Mona­te die Lizenz und ver­häng­te eine saf­ti­ge Geld­stra­fe. Zuletzt gab es einen star­ken Anstieg von Coro­na-Fäl­len in der Auto­no­men Regi­on Kur­di­stan, wor­auf­hin eine tota­le Aus­gangs­sper­re ver­hängt wur­de. Das ira­ki­sche Gesund­heits­sys­tem – maro­de durch Krieg, Sank­tio­nen und Kor­rup­ti­on – ist für eine star­ke Aus­brei­tung des Coro­na-Virus nicht vor­be­rei­tet. Auf die rund 40 Mil­lio­nen Einwohner*innen kom­men gera­de mal 500 Inten­siv­bet­ten.

Das ira­ki­sche Gesund­heits­sys­tem – maro­de durch Krieg, Sank­tio­nen und Kor­rup­ti­on – ist für eine star­ke Aus­brei­tung des Coro­na-Virus nicht vorbereitet.

Im Zuge der Coro­na-Pan­de­mie droht zudem ein erneu­tes Erstar­ken des selbst­er­nann­ten »Isla­mi­schen Staats« (IS), der in der Grenz­re­gi­on von Syri­en und dem Irak rund 30.000 akti­ve Mit­glie­der hat. Wie EASO in sei­nem ers­ten Spe­cial Report zu COVID-19 fest­hält, ist die aktu­el­le Kon­stel­la­ti­on für den IS denk­bar güns­tig: Seit der Ein­stel­lung von Ope­ra­tio­nen der inter­na­tio­na­len Koali­ti­on gegen den IS gibt es ein Macht­va­ku­um in der Regi­on, wel­ches der IS aus­nut­zen will. Die schlecht aus­ge­rüs­te­ten loka­len Mili­tär- und Poli­zei­kräf­te sind wegen Coro­na im Kri­sen­ma­nage­ment und bei der Über­prü­fung von Aus­gangs­sper­ren ein­ge­spannt. Im März hat die inter­na­tio­na­le Koali­ti­on im Irak zudem Trainings‑, Kampf- und Logis­tik­ak­ti­vi­tä­ten ein­ge­stellt und der Aus­bruch des Coro­na-Virus führt zu einem schnel­le­ren Trup­pen­ab­zug aus dem Irak. Die Akti­vi­tä­ten des IS neh­men deut­lich zu, bis zum Mai ver­üb­te der IS mehr als 430 Anschlä­ge, im April gab es dop­pelt so vie­le Angrif­fe wie im Ver­gleich zum Januar.

Sowohl für den Kampf gegen den IS als auch gegen Coro­na bräuch­te es eine hand­lungs­fä­hi­ge Regie­rung im Irak. Im Herbst des ver­gan­ge­nen Jah­res war der bis­he­ri­ge Pre­mier nach wochen­lan­gen Mas­sen­pro­tes­ten gegen u.a. Kor­rup­ti­on in der Poli­tik zurück getre­ten, nach zwei geschei­ter­ten Ver­su­chen ver­sucht nun ein drit­ter Kan­di­dat ein Kabi­nett zu bil­den.

 (wj)

Menschen schützen – Abschiebungsstopps und Abschiebungsverbote

Die Bun­des­län­der soll­ten Staats­an­ge­hö­ri­gen beson­ders betrof­fe­ner Län­der gemäß § 23 Abs. 1 Auf­enthG eine Auf­ent­halts­er­laub­nis aus huma­ni­tä­ren Grün­den ertei­len. Zumin­dest aber soll­ten für stark betrof­fe­ne Län­der ein Abschie­bungs­stopp nach § 60a Abs. 1 Auf­enthG erlas­sen wer­den. Ein sol­cher Abschie­bungs­stopp ist für zunächst drei Mona­te gül­tig und kann ein­mal ver­län­gert wer­den, danach ist der § 23 Abs. 1 Auf­enthG ein­schlä­gig. Für des­sen Anwen­dung ist aber das Ein­ver­neh­men des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums erforderlich.

Da sowohl das gesund­heit­li­che Risi­ko als auch die gesell­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen – wie Hun­gers­nö­te oder poli­ti­sche Insta­bi­li­tät – in den meis­ten Län­dern einen Groß­teil der Bevöl­ke­rung betref­fen, sind die huma­ni­tä­re Auf­ent­halts­er­laub­nis bzw. ein Abschie­bungs­stopp die geeig­ne­te Ant­wort. Für den Fall, dass die­se jedoch nicht erlas­sen wer­den, muss ab nun ein beson­de­res Augen­merk auf der Prü­fung von Abschie­bungs­ver­bo­ten lie­gen (§§ 60 Abs. 5, 7 Auf­enthG). Bei der Beur­tei­lung, ob ein Abschie­bungs­ver­bot vor­liegt, ist der ent­schei­den­de Zeit­punkt jener der Rück­füh­rung. Auf­grund der außer­ge­wöhn­li­chen Umstän­de einer Pan­de­mie und den dras­ti­schen Aus­wir­kun­gen in den Her­kunfts­län­dern for­dert PRO ASYL eine Prü­fung von Abschie­bungs­ver­bo­ten von Amts wegen! Per­so­nen, die even­tu­ell Gefahr lau­fen abge­scho­ben zu wer­den, soll­ten sich drin­gend fach­kun­dig bera­ten lassen.

Hilf­rei­che Infor­ma­tio­nen zum The­ma Abschie­bungs­ver­bo­te gibt es hier:

Wich­ti­ger Hin­weis: Seit der aktu­ells­ten Geset­zes­ver­schär­fung durch das 2019 ver­ab­schie­de­te Migra­ti­ons­pa­ket muss eine bestehen­de Erkran­kung durch eine qua­li­fi­zier­te ärzt­li­che Beschei­ni­gung glaub­haft gemacht wer­den (vgl. § 60 Abs. 7 S. 2 i. V. m. § 60a Abs. 2c S. 2 und 3 AufenthG).

Deut­sches Rotes Kreuz, Leit­fa­den zum Flücht­lings­recht (Stand Dezem­ber 2019), ab S. 68, zu fin­den hier.

Infor­ma­ti­ons­ver­bund, Arbeits­hil­fe zu den Anfor­de­run­gen an die Dar­le­gung von Abschie­bungs­hin­der­nis­sen auf­grund von Krank­heit im Asyl- und Auf­ent­halts­recht (Stand 2017), zu fin­den hier.

Der Pari­tä­ti­sche Gesamt­ver­band, Grund­la­gen des Asyl­ver­fah­rens (Stand 2016), ab. S. 37, zu fin­den hier.

(wj/Rechtspolitik)