03.04.2020
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Grenzen sind zu, der Flugverkehr steht weitgehend still - für deutsche Behörden aber kein Grund, das Abschieben sein zu lassen. Foto: picture alliance / Robert Schlesinger

Auch in Corona-Zeiten lässt das Bundesinnenministerium (BMI) von seinem Abschiebungsmantra nicht ab: Mitte April soll per Charterflug vom Münchener Flughafen aus eine einzelne Frau nach Togo rückgeführt werden – allen Einschränkungen der Corona-Krise zum Trotz. Und es ist nicht der erste Fall. UPDATE: Die Abschiebung ist vorerst abgesagt/verschoben

Erst ver­gan­ge­ne Woche hat­te das BMI zwei Ira­ne­rin­nen in einem eigens für sie gechar­ter­ten Flug­zeug in den Iran abschie­ben wol­len – und wur­de mit­un­ter durch Pro­test von PRO ASYL dazu gezwun­gen, die Abschie­bung zu stop­pen. Doch anstatt dar­aus zu ler­nen, macht das BMI mit die­ser absur­den Abschie­bungs­pra­xis ein­fach weiter.

Extra-Charter für die Abschiebung

Mit­te April will das BMI vom Mün­che­ner Flug­ha­fen aus eine ein­zel­ne Frau nach Togo schi­cken –Coro­na-Kri­se hin oder her. Da es kei­ne regu­lä­ren Flü­ge mehr gibt und welt­wei­te Rei­se­ver­bo­te exis­tie­ren, soll wie­der ein Flug­zeug allein für die­se Frau gechar­tert werden.

UPDATE, 08.04.: Wie die Tages­schau berich­tet wur­de die geplan­te Abschie­bung vom 16.04. auf den 11.05. ver­scho­ben. Aus »orga­ni­sa­to­ri­schen Grün­den«. Die Frau ver­bleibt aber in Abschie­be­haft, an Abschie­bun­gen nach Togo hal­ten die Behör­den auch in die­sen Zei­ten grund­sätz­lich fest.

UPDATE II, 08.04.: Vom Land­ge­richt in Ingol­stadt gab es nun die Anord­nung, die Frau aus der Abschie­be­haft zu ent­las­sen, berich­tet die Tages­schau nun. Das Gericht geht »nicht davon aus […], dass spä­te­re Flü­ge noch durch­ge­führt wer­den«, eine Abschie­bung im Mai sei auf­grund der von der Bun­des­po­li­zei nicht dar­ge­leg­ten Grün­de für die Absa­ge im April daher unwahr­schein­lich, eine Ent­las­sung des­halb »umge­hend« erforderlich.

Da es kei­ne regu­lä­ren Flü­ge mehr gibt und welt­wei­te Rei­se­ver­bo­te exis­tie­ren, soll wie­der ein Flug­zeug allein für die­se Frau gechar­tert werden.

Schnellablehnung im fragwürdigen Flughafenverfahren

Die Betrof­fe­ne kam allei­ne nach Deutsch­land, um hier Asyl zu ersu­chen. Sie wur­de im Schnell­ver­fah­ren am Flug­ha­fen abge­lehnt, durf­te nicht nach Deutsch­land ein­rei­sen und befin­det sich nun in der Tran­sit­zo­ne in sog. Zurück­wei­sungs­haft. Das Asyl­ver­fah­ren durch­lief sie in dem extrem beschleu­nig­ten »Flug­ha­fen­ver­fah­ren« nach § 18a AsylG. Inner­halb von zwei Tagen nach Ankunft muss dem­nach bereits die Bun­des­amts­ent­schei­dung vor­lie­gen. Auch der recht­li­che Schutz ist wie­der­um ver­kürzt. Und die Betrof­fe­ne hat der­zeit kei­ne anwalt­li­che Unter­stüt­zung für das Asylverfahren.

Nun soll sie noch im April nach Togo rück­ge­führt wer­den, auf einem extra für sie gechar­ter­ten Flug. In der Haupt­stadt Lomé soll ein Hotel für eine 14-tägi­ge Qua­ran­tä­ne gebucht sein. Die sie beglei­ten­den Per­so­nen aus Deutsch­land flie­gen direkt wie­der zurück – als lade man die Betrof­fe­ne wie ein Paket ab und mache sich davon.

Abschiebung trotz Einreiseverbot für Flüge aus Europa

Das der­zei­ti­ge Behar­ren des BMI auf Char­ter-Abschie­bun­gen ist absurd und unver­ant­wort­lich. Auch in Togo ist laut Aus­wär­ti­gem Amt die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung im Lan­de »viel­fach tech­nisch, appa­ra­tiv und/oder hygie­nisch pro­ble­ma­tisch«.  Nicht umsonst ist der regu­lä­re Flug­ver­kehr ein­ge­stellt – Togo hat die Ein­rei­se von Flü­gen aus Euro­pa seit dem 20. März 2020 gesperrt. Doch die Bun­des­re­gie­rung will nun genau für einen Tag das Ein­rei­se­ver­bot auf­he­ben las­sen – ein unver­hält­nis­mä­ßi­ger Auf­wand, der Kopf­schüt­teln verursacht.

Corona-Krise: Hat das BMI nichts Besseres zu tun? 

Nicht nur, dass extra für eine Per­son ein Flug­zeug gechar­tert wird: Gera­de zu Zei­ten einer Pan­de­mie, die Deutsch­land mit gra­vie­ren­den Maß­nah­men in den Griff zu bekom­men ver­sucht, muss man sich fra­gen, wor­auf aktu­ell der Fokus der Behör­den liegt. Um eine sol­che Maß­nah­me zu ermög­li­chen, braucht es schließ­lich auch die ent­spre­chen­de Beglei­tung durch eine/n Dolmetscher*in, Arzt/Ärztin und Begleitbeamt*innen. Ein frag­wür­di­ger Auf­wand des BMI, der bei den betrof­fe­nen Geflüch­te­ten enor­me Ängs­te und Ver­un­si­che­rung ver­ur­sacht und Kräf­te bei Anwält*innen, Behör­den und Gerich­ten bindet.

Wir for­dern einen gene­rel­len Abschie­bungs­stopp auf­grund der welt­wei­ten Aus­brei­tung des Corona-Virus!

Abschieben – koste es, was es wolle

Die­ses Vor­ge­hen zeigt, dass die rigi­de Abschie­bungs­pra­xis der Bun­des­re­gie­rung, die sich seit Jah­ren beob­ach­ten lässt und jüngst an Bru­ta­li­tät sogar zuge­nom­men hat, in Coro­na-Zei­ten fort­ge­setzt wer­den soll. Das Risi­ko, dass sol­che Abschie­bun­gen oder auch unrecht­mä­ßi­ge Abschie­bungs­haft abseits der öffent­li­chen Wahr­neh­mung statt­fin­den, ist ange­sichts der aktu­el­len Lage groß.

Wir for­dern einen gene­rel­len Abschie­bungs­stopp auf­grund der welt­wei­ten Aus­brei­tung des Corona-Virus!

(jlr/akr)