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#SyriaNotSafe: Unbefristeter Abschiebungsstopp für den Folterstaat Syrien!
Anlässlich der Innenministerkonferenz 2020 fordern PRO ASYL, Adopt a Revolution, Landesflüchtlingsräte und Jugendliche ohne Grenzen einen unbefristeten Abschiebungsstopp für Syrien. Die ständigen Versuche, den Abschiebungsstopp aufzuweichen, müssen endlich unterbleiben.
Vom 17. bis 19. Juni 2020 treffen sich die Innenminister*innen und –senatoren in Erfurt zur zweimal jährlich tagenden Innenministerkonferenz (IMK) und entscheiden dort unter anderem über den Syrien-Abschiebungsstopp. Dieser wurde seit 2018 stets nur noch um sechs Monate verlängert und wird seither bei jeder Innenministerkonferenz diskutiert – verbunden mit populistischen Forderungen nach einer Aufweichung oder Beendigung des Abschiebungsstopps (siehe hierzu unsere News zur letzten IMK). Dabei gibt die Menschenrechtslage in Syrien unter der Diktatur Assads keinen Anlass, alle sechs Monate über Abschiebungen zu diskutieren: Syrien unter Assad ist ein Folterstaat. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich dies auf absehbare Zeit ändert.
Syrien ist nicht sicher!
Der seit 2011 anhaltende Bürgerkrieg in Syrien ist nicht vorbei, die Waffenruhe in Idlib ist brüchig, die Konfliktursachen bestehen fort, mit weiteren militärischen Eskalationen ist zu rechnen. Das Assad-Regime hat sich mit Kriegsverbrechen an der Macht gehalten, unter anderem mit Giftgasangriffen und zahllosen Bombardierungen auf Krankenhäuser und andere zivile Einrichtungen. Menschen, die das Assad-Regime ablehnen oder denen dies auch nur unterstellt wird, sind von Verhaftungen, Folter und der Praxis des Verschwindenlassens bedroht. Dies stellt auch die Organisation Adopt A Revolution in ihren 10 Fakten zu Syrien im Rahmen ihrer Kampagne #SyriaNotSafe eindrücklich dar. Die einzig richtige Antwort auf die Lage in Syrien ist ein unbefristeter Abschiebungsstopp! Dies hat PRO ASYL auch in einem Brief an die IMK gefordert.
Menschen, die das Assad-Regime ablehnen oder denen dies auch nur unterstellt wird, sind von Verhaftungen, Folter und der Praxis des Verschwindenlassens bedroht.
Syrien ist ein Folterstaat!
Das Ausmaß des Folterregimes der Diktatur wird aktuell in einem Strafverfahren gegen zwei Syrer vor dem Oberlandesgericht Koblenz deutlich. Es geht um Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Konkret listet die Anklage, die allein die Taten zweier Geheimdienstler in einer syrischen Haftanstalt zwischen 2011 und 2012 umfasst, Mord in 58 Fällen, Folter in mindestens 4.000 Fällen sowie Vergewaltigung und sexuelle Nötigung auf. Mit den nun begonnenen Zeugenaussagen wird der Horror umso deutlicher: »Das waren Schreie, die waren nicht normal«. So beschreibt ein Zeuge und Nebenkläger seinen ersten Eindruck, als er in das berüchtigte Gefängnis des syrischen Geheimdienstes Al Khatib kam. Dann berichtet er detailliert, wie er gefoltert wurde. Dieses weltweit erste Verfahren gegen Mitarbeiter des Assad-Regimes ist ein wichtiger Schritt, um die Verbrechen der Assad-Regierung aufzuarbeiten.
Keine Normalisierung des Assad-Regimes!
Indem die Innenminister- und senatoren bei der Herbsttagung 2019 die Bundesregierung aufgefordert haben, die Bedingungen für Abschiebungen in bestimmten Fällen zu schaffen, haben sie die Bundesregierung zur Zusammenarbeit mit diesem verbrecherischen Regime aufgefordert (vgl. TOP 28 der Beschlüsse der Innenministerkonferenz vom 4.–6.12.2019). Solche Vorstöße tragen zu einer Normalisierung des Assad-Regimes bei, an der auch von syrischer Seite aus gearbeitet wird. Eine solche Rehabilitierung des Regimes würde zudem Bestrebungen, den syrischen Opfern zu Gerechtigkeit zu verhelfen, zuwiderlaufen. Wie brisant eine Zusammenarbeit in dem Bereich wäre zeigt sich auch daran, dass das syrische Innenministerium und der amtierende Innenminister auf der Sanktionsliste der EU stehen, da sie unmittelbar an den Repressionen gegen die Zivilbevölkerung beteiligt sind (vgl. Beschluss 2013/255/GASP des Rates vom 31. Mai 2013 über restriktive Maßnahmen gegen Syrien, S. 68, 78).
Das Assad-Regime hat sich mit Kriegsverbrechen, mit Giftgasangriffen und zahllosen Bombardierungen auf Krankenhäuser und andere zivile Einrichtungen an der Macht gehalten.
Kriegsdienstverweigerer brauchen Flüchtlingsschutz!
Aktuell ist beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ein Verfahren gegen Deutschland anhängig, welches für syrische Kriegsdienstverweigerer in Deutschland eine große Verbesserung bringen könnte. PRO ASYL unterstützt das Verfahren aufgrund seiner Relevanz über den Rechtshilfefonds.
Seitdem 2016 das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seine Entscheidungspraxis änderte, erhielten viele Syrer*innen keinen Flüchtlingsstatus mehr sondern nur noch subsidiären Schutz. Damit sind sie u.a. von den Einschränkungen beim Familiennachzug betroffen, die zu unerträglichen Familientrennungen führen können.
In dem Vorabentscheidungsersuchen vom VG Hannover werden nun für die Beurteilung der Frage, in welchen Fällen ein Kriegsdienstverweigerer Flüchtlingsstatus bekommt, entscheidende Fragen gestellt. Am 28. Mai 2020 hat die Generalanwältin Sharpston ihre Schlussanträge veröffentlicht (eine Zusammenfassung vom Informationsverbund findet sich hier). Auch wenn die Entscheidung über einen Asylantrag immer einer Einzelfallentscheidung ist, spricht aus Sicht der Generalanwältin viel dafür, dass syrischen Kriegsdienstverweigerern Flüchtlingsstatus zu erteilen ist, wie sie in Rn. 78 aufführt:
»Wenn sich das Heimatland des Antragstellers aktiv an der Führung eines Krieges beteiligt und – wie vorliegend der Fall – Beweise dafür vorliegen, dass der Krieg unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht geführt wird und systematische und wiederholte Fälle von durch namhafte Quellen dokumentierten Kriegsverbrechen umfasst, sind dies aussagekräftige objektive Gesichtspunkte, die für einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund von Art. 10 Abs. 1 Buchst. e sprechen.«
Syrien unter Assad ist ein Folterstaat. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich dies auf absehbare Zeit ändert.
Die Generalanwältin urteilt auch hart über die Vorgehensweise des BAMF in dem Fall. So sei »[…] es völlig unsinnig, von Antragstellern den Nachweis zu erwarten, dass sie den syrischen Militärbehörden mitgeteilt hatten, dass sie den Militärdienst verweigern, bevor sie aus Syrien flohen. Ich sehe auch keinen vernünftigen Grund dafür, von Asylantragstellern zu verlangen, dass sie nachweisen, dass sie in sozialen Medien in Postings öffentlich die Führung des Krieges in Syrien verurteilt haben (wohl nachdem sie das Land in Sicherheit verlassen haben).« (Rn. 82).
Der EuGH ist an die Schlussanträge der Generalanwält*innen nicht gebunden, folgt ihnen jedoch häufig.
(wj)