Image
Schwer bewacht von Frontex-Grenzbeamten: Massenabschiebung in die Türkei. Foto: picture alliance / AA

Über 200 Menschen wurden heute von den griechischen Inseln Lesbos und Chios in den türkischen Küstenort Dikili abgeschoben. Mit Flüchtlingsrechten hat das nichts mehr zu tun: Unter der Regierung Erdogan drohen den Betroffenen in der Türkei Menschenrechtsverletzungen bis hin zur Abschiebung in den Verfolgerstaat.

136 Men­schen wur­den am Mor­gen des 4. April auf zwei Schif­fe ver­bracht, die den Hafen von Les­bos in Rich­tung tür­ki­scher Küs­te ver­lie­ßen. Neben Men­schen aus Paki­stan, Ban­gla­desch und Marok­ko, befan­den sich auch zwei syri­sche Flücht­lin­ge unter den Abge­scho­be­nen.

Von der Insel Chi­os wur­den zur glei­chen Zeit  66 Per­so­nen abge­scho­ben. Beobachter*innen vor Ort berich­ten, dass sich dar­un­ter vor allem Schutz­su­chen­de aus Afgha­ni­stan und dem Iran befan­den. Es heißt von offi­zi­el­ler Sei­te, dass die Betrof­fe­nen kei­nen Asyl­an­trag gestellt hät­ten – ob die Abge­scho­be­nen auf den grie­chi­schen Inseln aber über­haupt die Gele­gen­heit hat­ten, ein Schutz­ge­such zu stel­len, ist mehr als zweifelhaft.

Dar­über hin­aus gibt es Hin­wei­se dar­auf, dass dem UNHCR unter­sagt wur­de, Kon­takt zu den von der Abschie­bung Betrof­fe­nen auf­zu­neh­men. Das passt ins Bild: Hilfs- und Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen wird in den Haft­la­gern auf den grie­chi­schen Inseln der Zugang zu den inhaf­tier­ten Schutz­su­chen­den ver­wehrt.

Mas­sen­ab­schie­bun­gen in die Tür­kei sind ille­gal, sie set­zen die Grund­la­gen des Asyl­rechts außer Kraft.

Abschiebungen ohne rechtstaatliches Asylverfahren

Es ist zu befürch­ten, dass die Mas­sen­aus­wei­sun­gen statt­fin­den, ohne dass die Betrof­fe­nen Zugang zu einem recht­staat­li­chen Asyl­ver­fah­ren gehabt hät­ten. Zu einem sol­chen gehört auch, dass gegen nega­ti­ve Ent­schei­dun­gen ein effek­ti­ver Rechts­be­helf ein­ge­legt wer­den kann. Melis­sa Fle­ming,  Spre­che­rin von UNHCR, mahn­te, jede*r Ein­zel­ne müs­se die Mög­lich­keit haben, einen Asyl­an­trag zu stel­len, sonst dür­fe kei­ne Rück­schie­bung in die Tür­kei statt­fin­den. Es man­ge­le aber „dra­ma­tisch“ an Per­so­nal, um die Fäl­le zu bearbeiten.

In Grie­chen­land exis­tiert kein funk­tio­nie­ren­des Asyl­sys­tem, dar­an ändern auch die übers Knie gebro­che­nen Geset­zes­än­de­run­gen nicht, die am Frei­tag­abend vom grie­chi­schen Par­la­ment auf euro­päi­schen Druck hin ver­ab­schie­det wur­den. Nicht umsonst läuft noch immer der Stopp von Dub­lin-Abschie­bun­gen von Deutsch­land nach Grie­chen­land – 2011 wur­den die Über­stel­lun­gen auf­grund der deso­la­ten Situa­ti­on für Flücht­lin­ge dort eingestellt.

Türkei: Kein Schutz für Flüchtlinge

Die Tür­kei ist kein „siche­rer Dritt­staat“, in dem Flücht­lin­ge Schutz erhal­ten. Amnes­ty Inter­na­tio­nal zufol­ge schiebt die Tür­kei seit Mona­ten sys­te­ma­tisch Flücht­lin­ge ins syri­sche Kriegs­ge­biet zurück, dar­un­ter auch Frau­en und Kin­der. Auch gibt es Berich­te über Schüs­se von Grenz­be­am­ten auf Flücht­lin­ge an der syrisch-tür­ki­schen Gren­ze. Direkt nach der Unter­zeich­nung des EU-Tür­kei-Abkom­mens wur­den zudem 29 afgha­ni­sche Flücht­lin­ge rechts­wid­rig nach Afgha­ni­stan abge­scho­ben, wie Amnes­ty Inter­na­tio­nal dokumentiert.

Die Mas­sen­ab­schie­bun­gen in die Tür­kei sind ille­gal, sie set­zen die Grund­la­gen des Asyl­rechts außer Kraft und müs­sen daher unver­züg­lich been­det wer­den. Nicht nur die grie­chi­sche Regie­rung, die sich dem Druck der EU gebeugt hat, ist dafür ver­ant­wort­lich, son­dern die gesam­te EU.