16.02.2023
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Syrien nach dem Erdbeben. Foto: UNHCR

Das verheerende Erdbeben in der Türkei und Syrien hat Millionen von Menschen in Not gebracht. Viele Menschen in Deutschland haben Angehörige im Erdbebengebiet und wollen ihnen helfen. Das ist unter bestimmten Umständen möglich, aber kompliziert. Die aktuellen Einreisebedingungen erklären wir hier.

Update vom 25. April 2023

Die am 25. April 2023 in Kraft getre­te­ne Tür­kei-Erd­be­ben-Auf­ent­halts-Über­gangs­ver­ord­nung sieht für bestimm­te Per­so­nen eine Befrei­ung vom Erfor­der­nis eines Auf­ent­halts­ti­tels vor. Dem­nach sind die vom Erd­be­ben betrof­fe­ne tür­ki­sche Staats­an­ge­hö­ri­gen aus den tür­ki­schen Pro­vin­zen Ada­na, Adıya­man, Diyar­bakır, Elâ­zığ, Gazi­antep, Hat­ay, Kahr­a­man­ma­raş, Kilis, Mala­tya, Osma­ni­ye und Şan­lıur­fa, die zwi­schen dem 6. Febru­ar 2023 und dem 7. Mai 2023 mit einem Visum auf Grund des Erd­be­bens in das Bun­des­ge­biet ein­ge­reist sind und sich am 7. Mai 2023 noch recht­mä­ßig im Bun­des­ge­biet auf­hal­ten, bis zum 6.8.2023 vom Erfor­der­nis eines Auf­ent­halts­ti­tels für den Auf­ent­halt im Bun­des­ge­biet befreit.

Stand: 16.02.2023

In einem ers­ten Schritt hat die Bun­des­re­gie­rung eine beschleu­nig­te Visa­er­tei­lung für tür­ki­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge, die von den Fol­gen des Erd­be­bens betrof­fen sind, beschlos­sen. Deut­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge und Per­so­nen mit dau­er­haf­tem Auf­ent­halts­ti­tel in Deutsch­land dür­fen ihre Ange­hö­ri­gen ers­ten und zwei­ten Gra­des für einen Zeit­raum von 90 Tagen nach Deutsch­land holen. Dafür ist eine Ver­pflich­tungs­er­klä­rung notwendig.

Höchst pro­ble­ma­tisch ist, dass es für syri­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge bis­her kei­ne Erleich­te­run­gen gibt und sie statt­des­sen aufs regu­lä­re Visums­ver­fah­ren ver­wie­sen wer­den. Da  jedoch Schen­gen-Visa für syri­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge auf­grund einer oft ange­nom­men feh­len­den Rück­kehr­be­reit­schaft fast nie erteilt wer­den, haben syri­sche Per­so­nen mit Ange­hö­ri­gen in Deutsch­land der­zeit in der Regel nicht die Mög­lich­keit, Ver­wand­te bei sich aufzunehmen.

Die Infor­ma­ti­ons­la­ge kann sich schnell ändern, wir bemü­hen uns, die­se Sei­te aktu­ell zu hal­ten. Wei­te­re Infor­ma­tio­nen sind auch auf der Sei­te des Nie­der­säch­si­schen Flücht­lings­rats und auf der mehr­spra­chi­gen Son­der­sei­te von Hand­book Ger­ma­ny zu finden.

Vereinfachtes Visum für türkische Staatsangehörige

Wel­che Anfor­de­run­gen muss die Per­son erfüllen?

  • Sie muss nach­voll­zieh­bar indi­vi­du­ell vom Erd­be­ben beson­ders betrof­fen sein (zum Bei­spiel Obdach­lo­sig­keit oder behand­lungs­be­dürf­ti­ge Verletzungen)
  • Sie hat­te zum Zeit­punkt des Erd­be­bens ihren Wohn­sitz in einer der betrof­fe­nen Provinzen
  • Sie ist Ange­hö­ri­ge 1. oder 2. Gra­des (Eltern, Kin­der, Groß­el­tern, Enkel­kin­der, Geschwis­ter) von deut­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen oder von einer Per­son mit einem dau­er­haf­ten deut­schen Aufenthaltstitel.
  • Das Fami­li­en­mit­glied in Deutsch­land hat eine Ver­pflich­tungs­er­klä­rung nach §§ 66 bis 68 Auf­ent­halts­ge­setz abge­ge­ben. Details zur Ver­pflich­tungs­er­klä­rung gibt es wei­ter unten sowie auf der Sei­te des Aus­wär­ti­gen Amtes sowie bei Hand­book Ger­ma­ny.

Wel­che Doku­men­te wer­den für den Antrag benötigt?

Eine Auf­lis­tung fin­det sich auf der Sei­te des Aus­wär­ti­gen Amtes. Infor­ma­tio­nen zu den Vor­aus­set­zun­gen und vor­zu­le­gen­de Unter­la­gen für die Visum­be­an­tra­gung für beson­ders vom Erd­be­ben betrof­fe­ne Per­so­nen in der Tür­kei sind auf der Web­sei­te der Aus­lands­ver­tre­tun­gen in der Tür­kei auch auf Tür­kisch ver­öf­fent­licht.

Wie lan­ge ist der Auf­ent­halt in Deutsch­land mit dem Visum möglich?

Das Visum erlaubt einen Auf­ent­halt von bis zu 90 Tagen.

Muss die Per­son nach­wei­sen, dass sie genug Geld hat?

Sie selbst muss kei­nen Nach­weis über ihr Ver­mö­gen abge­ben. Die­sen muss nur die ein­la­den­de Per­son in Deutsch­land in Form der Ver­pflich­tungs­er­klä­rung (sie­he unten) abgeben.

Was ist, wenn die Per­son kei­nen Rei­se­pass mehr hat?

Aktu­ell gibt es hier kei­ne Son­der­re­ge­lung. Das Aus­wär­ti­ge Amt stimmt sich dazu mit den tür­ki­schen Behör­den ab.

Wo kann das Visum bean­tragt werden?

Das Visum kann bei den Antrags­an­nah­me­zen­tren des Dienst­leis­ters iDA­TA bean­tragt wer­den. Dies ist auch ohne vor­he­ri­ge Ter­min­bu­chung mög­lich. Wei­te­re Infor­ma­tio­nen dazu gibt es auf der Web­sei­te der deut­schen Aus­lands­ver­tre­tun­gen in der Tür­kei und des exter­nen Dienst­leis­ters iDA­TA.

Wel­chen Auf­ent­halts­sta­tus muss die auf­neh­men­de Per­son in Deutsch­land haben?

Ent­we­der die deut­sche Staats­bür­ger­schaft oder einen dau­er­haf­ten Auf­ent­halts­ti­tel. Auch eine Nie­der­las­sungs­er­laub­nis reicht aus.

Die Bun­des­re­gie­rung hat noch nicht genau­er defi­niert, was sie unter einem dau­er­haf­ten Auf­ent­halts­ti­tel ver­steht, wes­halb die Rege­lung für Men­schen mit befris­te­ter Auf­ent­halts­er­laub­nis noch unge­klärt ist. Inha­ber einer Auf­ent­halts­ge­stat­tung oder Dul­dung haben kei­nen Auf­ent­halts­ti­tel, sie sind also nicht umfasst.

Was bedeu­tet die Ver­pflich­tungs­er­klä­rung und wel­che Risi­ken birgt sie?

Die ver­wand­te Per­son in Deutsch­land muss eine Ver­pflich­tungs­er­klä­rung abge­ben. Dar­in ver­pflich­tet sich die Per­son, für alle Kos­ten für ihre ein­rei­sen­den Ver­wand­ten aufzukommen.

Gera­de bei mög­li­chen medi­zi­ni­schen Kos­ten ist nicht abseh­bar, wie hoch die­se aus­fal­len. Kran­ken­haus­auf­ent­hal­te und Behand­lun­gen sind in Deutsch­land für Selbstzahler*innen sehr teu­er. Erd­be­ben­über­le­ben­de benö­ti­gen mög­li­cher­wei­se eine psy­cho­lo­gi­sche Unter­stüt­zung, die eben­falls selbst bezahlt wer­den müss­te. Soll­te die Per­son län­ger als die erlaub­ten 90 Tage blei­ben, muss der oder die Verpflichtungsgeber*in außer­dem für Lebensunterhalts‑, Wohn­raum­kos­ten sowie für Kos­ten einer mög­li­chen Rück­füh­rung aufkommen.

Ver­pflich­tungs­er­klä­run­gen umfas­sen einen Zeit­raum von fünf Jah­ren.  Die finan­zi­el­le Belas­tung kann also meh­re­re Jah­re andau­ern. Die Ver­pflich­tung für die Per­so­nen auf­zu­kom­men bleibt für den gesam­ten 5‑Jahreszeitraum bestehen und erlischt weder mit dem Stel­len eines Asyl­an­trags und noch bei einer posi­ti­ven Ent­schei­dung über einen Asyl­an­trag. Details zur Ver­pflich­tungs­er­klä­rung fin­den sich auf der Sei­te des Aus­wär­ti­gen Amtes sowie bei Hand­book Ger­ma­ny.

Wo wer­den Ver­pflich­tungs­er­klä­run­gen abgegeben?

In der loka­len Aus­län­der­be­hör­den am Wohn­ort der ein­la­den­den Per­son. Die ent­spre­chen­den For­mu­la­re gibt es eben­falls dort.

Ist es mög­lich auch über die 90 Tage hin­aus zu blei­ben, etwa um zu arbeiten?

Grund­sätz­lich ist es nicht mög­lich, über die Dau­er des Visums hin­aus län­ger zu blei­ben. Das Visum berech­tigt nur zum befris­te­ten Auf­ent­halt auf­grund des Erd­be­bens. Für ande­re Auf­ent­halts­ti­tel, etwa für Erwerbs­tä­tig­keit, bedarf es jeweils eines spe­zi­el­len Visums für genau die­sen Zweck. Ob aus huma­ni­tä­ren Grün­den aus­nahms­wei­se Ver­län­ge­run­gen des Visums mög­lich sind, ist nicht absehbar.

Ist eine Asyl­an­trag­stel­lung nach Ankunft möglich?

Grund­sätz­lich ist es mög­lich, nach Ankunft in Deutsch­land einen Asyl­an­trag zu stel­len. Die Chan­cen sind aber abhän­gig von den Flucht­grün­den und nur nach indi­vi­du­el­ler Bera­tung zu klä­ren.  Die berei­nig­te Schutz­quo­te von tür­ki­schen Asyl­an­trä­gen betrug 2021 um die 43 Prozent.

Bei der Bera­tung soll­te unbe­dingt auch die Ver­pflich­tungs­er­klä­rung bedacht wer­den, da die­se auch bei posi­ti­ver Bewil­li­gung des Asyl­an­trags die Unterzeichner*innen , das heißt die hier leben­den Ver­wand­ten, ver­pflich­tet, für fünf Jah­re finan­zi­ell für die ein­ge­la­de­ne Per­son zu sor­gen (sie­he oben).

Reguläres Schengenvisum unter anderem für syrische Staatsangehörige

Das regu­lä­re Visum heißt offi­zi­ell »Schen­gen Visa Typ C«. Es wird auch »Tou­ris­ten­vi­sum« oder »Besu­cher­vi­sum« genannt. Der Auf­ent­halt ist für 90 Tage gestat­tet. Da es aktu­ell kei­ne ver­ein­fach­ten Bedin­gun­gen für Visa für syri­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge gibt, sind sie gezwun­gen, regu­lä­re Schen­gen­vi­sa zu beantragen.

Wel­che Anfor­de­run­gen muss die Per­son erfüllen?

  • Sie muss den Grund Ihrer Rei­se nach­voll­zieh­bar und plau­si­bel erklären.
  • Ihre Rei­se- und Lebens­hal­tungs­kos­ten wäh­rend Ihrer Rei­se sind gesi­chert. Das kann z.B. durch Kon­to­aus­zü­ge der letz­ten drei Mona­te, einen Nach­weis über das Ver­mö­gen, etc. nach­ge­wie­sen wer­den. Falls die Per­son selbst nicht genü­gend Geld hat, kann eine in Deutsch­land leben­de Per­son eine soge­nann­te »Ver­pflich­tungs­er­klä­rung« abgeben.
  • Eine Rei­se­kran­ken­ver­si­che­rung mit einer Min­dest­de­ckungs­sum­me von 30.000 Euro für den Schen­gen-Raum für die gesam­te Dau­er des Auf­ent­halts. Eine der­ar­ti­ge Rei­se­ver­si­che­rung kos­tet ca. 10 Euro pro Woche.
  • Die Mitarbeiter*innen der Bot­schaft / des Kon­su­lats müs­sen glau­ben, dass die Per­son nach Ablauf des Visums wie­der aus­reist. Mög­li­che Bewei­se für die Aus­rei­se­wil­lig­keit sind z.B.: ein Arbeits- oder Stu­di­en­platz im Hei­mat­land, ein Kauf­ver­trag für eine Woh­nung im Hei­mat­land, min­der­jäh­ri­ge oder pfle­ge­be­dürf­ti­ge Fami­li­en­mit­glie­der im Hei­mat­land, etc. Die­se Nach­wei­se soll­ten vor­ge­legt werden.

Aus­führ­li­che Infor­ma­tio­nen, wie das Visum bean­tragt wer­den kann und wel­che Doku­men­te dafür benö­tigt wer­den, gibt es auf der Sei­te von Hand­book Ger­ma­ny. Dort sind auch Infor­ma­tio­nen zu den Kos­ten zu finden.

Ist es rea­lis­tisch, als Syrer*in der­zeit ein Schen­gen­vi­sum zu bekommen?

Gera­de bezüg­lich der Aus­rei­se­wil­lig­keit bestehen gegen­über Men­schen aus Syri­en schon seit län­ge­rer Zeit regel­mä­ßig hohe Beden­ken, sodass sie in der Regel kei­ne Schen­gen­vi­sa erteilt bekom­men. Kom­men syri­sche Antragsteller*innen aus dem syri­schen Erd­be­ben­ge­biet, wer­den die Bot­schaf­ten auf­grund des Aus­ma­ßes der Zer­stö­run­gen lei­der noch viel weni­ger von einer Rück­kehr­be­reit­schaft aus­ge­hen. Wir rech­nen damit, dass Visa für syri­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge der­zeit nicht ver­ge­ben werden.

An wel­che Stel­len kön­nen sich Men­schen aus Syri­en wenden?

Antrag­stel­len­de aus Syri­en kön­nen sich auf­grund der Schlie­ßung der Bot­schaft Damas­kus wei­ter­hin an die umlie­gen­den deut­schen Aus­lands­ver­tre­tun­gen (u.a. deut­sche Bot­schaft Bei­rut, deut­sche Bot­schaft Amman oder das deut­sche Gene­ral­kon­su­lat Istan­bul) wen­den.

Gibt es noch ande­re Mög­lich­kei­ten, Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge nach Deutsch­land zu bringen?

Die Mög­lich­kei­ten sind begrenzt, aber in eini­gen Bun­des­län­dern lau­fen noch Auf­nah­me­pro­gram­me für Syrer*innen. Aktu­ell ist dies in Ber­lin, Bran­den­burg, Ham­burg, Schles­wig-Hol­stein und Thü­rin­gen der Fall. Die Vor­aus­set­zun­gen kön­nen sich in den jewei­li­gen Bun­des­län­dern unter­schei­den, eine Über­sicht und Links zu den ein­zel­nen Erlas­sen fin­det sich hier. Grund­sätz­lich gilt aber auch dort, dass nur Ver­wand­te nach Deutsch­land geholt wer­den kön­nen, es eine Ver­pflich­tungs­er­klä­rung benö­tigt und die auf­neh­men­de Per­son schon für eine gewis­se Zeit im betref­fen­den Bun­des­land gemel­det sein muss. Falls die­se Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind und Bera­tung benö­tigt wird, emp­feh­len wir, sich an den jewei­li­gen Lan­des­flücht­lings­rat zu wenden.

(Yan­nick Ger­des, Refe­ren­dar bei PRO ASYL / tl)


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