Hintergrund
Hinweise zum Chancen-Aufenthaltsrecht
Stand: 12. Januar 2023 – Die Ausführungen beziehen sich auf das am 31.12.2022 in Kraft getretene neue Chancen-Aufenthaltsrecht.
Das BMI hat im April 2024 aktualisierte Anwendungshinweise zum Chancen-Aufenthaltsrecht herausgegeben. Dabei handelt es sich um Empfehlungen, welche zum Teil bereits in manchen Bundesländern in Erlasse eingegangen sind. Jedoch kann es in den verschiedenen Bundesländern zu unterschiedlichen Handhabungen in der Umsetzung kommen. Aufgrund der Komplexität können wir mögliche Unterschiede in den Erlassen nicht umfassend abbilden und empfehlen sich im Zweifel an regionale Beratungsstellen oder die jeweiligen Flüchtlingsräte zu wenden.
Mit dem Gesetz zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts nach § 104 AufenthG sollen vor allem geduldete Personen eine Perspektive der Aufenthaltssicherung zusätzlich zu den bereits bestehenden Bleiberechtsregelungen bekommen. Zudem sollen für diesen Personenkreis Anreize zur Integration und Identitätsklärung geschaffen werden, ohne dass die Betroffenen eine Abschiebung befürchten müssen
Als langfristiges Ziel sollen die begünstigten Personen dann in die Aufenthaltserlaubnis für gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige nach § 25a AufenthG oder in die Aufenthaltserlaubnis für Erwachsene bei nachhaltiger Integration nach § 25b AufenthG wechseln. Diese beiden Aufenthaltstitel sind im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens ebenfalls geändert worden. Diese Beratungshinweise geben einen Überblick über das Chancen-Aufenthaltsrecht nach § 104c AufenthG und die Änderungen der Bleiberechtsregelungen nach den §§ 25a und 25b AufenthG. Da allerdings bei jeder Fallkonstellation eine intensive Abwägung auch anderer Aufenthaltssicherungsmöglichkeiten für Geduldete erfolgen sollte, können diese Beratungshinweise eine intensive Einzelfallberatung von Betroffenen nicht ersetzen.
Erteilungsvoraussetzungen für das Chancen-Aufenthaltsrecht nach § 104c AufenthG
Bei der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG handelt es sich um eine sogenannte Stichtagsregelung. Außerdem tritt die Regelung nach drei Jahren außer Kraft. Zudem ist es eine »Soll-Regelung«, die bei Erfüllung der Voraussetzungen der Ausländerbehörde nur in atypischen Fallkonstellationen ein gewisses Ermessen einräumt, die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis dennoch zu verweigern. Das bedeutet, dass die Ausländerbehörde in den Fällen, in denen die Voraussetzungen erfüllt sind, eine Aufenthaltserlaubnis erteilen muss und sich nur in außergewöhnlichen Ausnahmefällen dagegen entscheiden kann.
Für die Erteilung dieser Aufenthaltserlaubnis müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Aktuelle Duldung: Die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG können nur geduldete Personen Die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufentG kann eine geduldete Person nur dann bekommen, wenn sie sich am Stichtag 31.10.2022 seit fünf Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufgehalten hat (vgl. § 104c Abs. 1 S. 1 AufenthG). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Person innerhalb der genannten fünf Jahre in Deutschland die meiste Zeit geduldet war, solange sie aktuell geduldet ist. Für die Frage, ob eine Person geduldet ist, ist nicht zwingend erforderlich, dass (schon) eine Duldungsbescheinigung, vorliegt, sondern dass ein Duldungsgrund besteht (sog. »faktische Duldung«). Sollte eine Person eine gewisse Zeit nicht im Besitz einer Duldungsbescheinigung gewesen sein, sondern z. B. nur eine Grenzübertrittsbescheinigung oder irgendein anderes Papier besessen haben, bedeutet dies nicht, dass die Person nicht geduldet war oder dass dadurch der geforderte 5‑jährige Voraufenthalt unterbrochen wurde. Sollten sich die Ausländerbehörden in diesen Fallkonstellationen auf die Unterbrechung des Aufenthalts beziehen oder behaupten, es liege keine Duldung vor, empfehlen wir, sich an eine Beratungsstelle zu wenden oder sich anwaltliche Unterstützung zu suchen. Auch werden die Zeiten des Besitzes einer Duldung »für Personen mit ungeklärter Identität« (sog. Duldung light) als geforderte Voraufenthaltszeit angerechnet (vgl. § 104c Abs. 1 S.3 AufenthG). Außerdem sind Unterbrechungen des Aufenthalts im Bundesgebiet von bis zu drei Monaten unschädlich, sofern der Lebensmittelpunkt in Deutschland nicht aufgegeben wurde (vgl. BMI-Anwendungshinweise, 23.12.2022, S. 3).
- Pass, geklärte Identität, Lebensunterhaltssicherung und die Einreise mit einem erforderlichen Visum nicht notwendig (vgl. § 104c Abs. 1 Satz 1 AufenthG): Das Vorliegen eines Heimatpasses und eine geklärte Identität stellen keine Erteilungsvoraussetzungen für das Chancen-Aufenthaltsrecht dar. Das bedeutet, dass Personen diese Aufenthaltserlaubnis auch ohne eine geklärte Identität oder einen gültigen Pass bekommen können. Auch der Lebensunterhalt muss nicht gesichert sein, so dass es für das Chancen-Aufenthaltsrecht keiner Erwerbstätigkeit bedarf. Und schließlich bedarf es keiner Einreise mit einem erforderlichen Visum, so dass die Aufenthaltserlaubnis auch bei irregulärer Einreise erteilt werden kann.
- Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung: Als weitere Voraussetzung wird das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gefordert (vgl. § 104c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG). Dies ist aber erst für Personen ab dem 16. Lebensjahr erforderlich (vgl. BMI-Anwendungshinweise, 23.12.2022, S. 4). Das BMI weist die Ausländerbehörden an, die im Einbürgerungsverfahren verwendeten Muster zu benutzen (vgl. BMI-Anwendungshinweise, 23.12.2022, S. 4).
- Strafrechtliche Verurteilungen: Gewisse strafrechtliche Verurteilungen stehen der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104 c AufenthG entgegen (vgl. § 104c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufenthG). Ausdrücklich unschädlich sind aber Verurteilungen wegen vorsätzlicher Straftaten zu Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen nach dem allgemeinen Strafrecht oder bis zu 90 Tagessätzen nach dem Aufenthalts- oder Asylgesetz, soweit sie also nur von Ausländer*innen begangen werden können. Dasselbe gilt für Verurteilungen nach dem Jugendstrafrecht, die nicht auf Jugendstrafe lauten. Jugendarrest nach § 16 JGG ist also unschädlich.
- Ausschluss bei wiederholter Täuschung über Identität und/oder Staatsangehörigkeit: Die Aufenthaltserlaubnis nach § 104 c AufenthG soll versagt werden, wenn die geduldete Person wiederholt vorsätzlich falsche Angaben gemacht oder über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat und dadurch die Abschiebung verhindert wird (§ 104c Abs. 1 S. 2 AufenthG). Es handelt sich um einen Soll-Versagungsgrund, was bedeutet, dass in atypischen Konstellationen von seiner Anwendung abgesehen werden und die Aufenthaltserlaubnis trotz entsprechender Täuschungshandlungen erteilt werden kann. Ohnedies würde eine ausufernde Anwendung dieses Ausschlusstatbestands dem gesetzgeberischen Ziel, Anreize für die Identitätsklärung durch die Einführung diese Aufenthaltserlaubnis zu schaffen, zuwiderlaufen (vgl. BT-Drs. 20/3717, S. 15). Zudem kann, wenn überhaupt, nur ein aktives, eigenverantwortliches und vorsätzliches Verhalten sanktioniert werden, das auch kausal für die Unmöglichkeit der Abschiebung ist. Sollten also neben Täuschung über Identität beziehungsweise Staatsangehörigkeit auch andere Gründe (wie zum Beispiel Krankheit, Sorgerecht für minderjährige deutsche Kinder etc.) zu einer Unmöglichkeit der Abschiebung geführt haben, muss die Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis erteilen. Das BMI stellt klar, dass die reine Nicht-Mitwirkung bei der Passbeschaffung keine Ausschlussgrund darstellt (vgl. BMI-Anwendungshinweise, 23.12.2022, S. 5).
- Ausschluss bei wiederholter Täuschung über Identität und/oder Staatsangehörigkeit: Die Aufenthaltserlaubnis nach § 104 c AufenthG soll versagt werden, wenn die geduldete Person wiederholt vorsätzlich falsche Angaben gemacht oder über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat und dadurch die Abschiebung verhindert wird (§ 104c Abs. 1 S. 2 AufenthG). Es handelt sich um einen Soll-Versagungsgrund, was bedeutet, dass in atypischen Konstellationen von seiner Anwendung abgesehen werden und die Aufenthaltserlaubnis trotz entsprechender Täuschungshandlungen erteilt werden kann. Ohnedies würde eine ausufernde Anwendung dieses Ausschlusstatbestands dem gesetzgeberischen Ziel, Anreize für die Identitätsklärung durch die Einführung diese Aufenthaltserlaubnis zu schaffen, zuwiderlaufen (vgl. BT-Drs. 20/3717, S. 15). Zudem kann, wenn überhaupt, nur ein aktives, eigenverantwortliches und vorsätzliches Verhalten sanktioniert werden, das auch kausal für die Unmöglichkeit der Abschiebung ist. Sollten also neben Täuschung über Identität beziehungsweise Staatsangehörigkeit auch andere Gründe (wie zum Beispiel Krankheit, Sorgerecht für minderjährige deutsche Kinder etc.) zu einer Unmöglichkeit der Abschiebung geführt haben, muss die Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis erteilen. Das BMI stellt klar, dass die reine Nicht-Mitwirkung bei der Passbeschaffung keine Ausschlussgrund darstellt (vgl. BMI-Anwendungshinweise, 23.12.2022, S. 5).
- Chancen-Aufenthaltsrecht für Familienangehörige: Neben der stammberechtigten Person können bestimmte Familienmitglieder ebenfalls die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG bekommen, wenn sie die oben genannten Voraussetzungen mit einer Ausnahme erfüllen: Sie müssen die Mindestaufenthaltszeit von fünf Jahren am Stichtag nicht selbst vorweisen (vgl. § 104c Abs. 2 S. 1 AufenthG). Mit begünstigten Familienmitgliedern sind Ehegatt*innen, eingetragene Lebenspartner*innen und minderjährige ledige Kinder gemeint, die mit der anspruchsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft leben (vgl. § 104c Abs. 2 S. 1 AufenthG). Auch volljährige ledige Kinder können die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG bekommen, wenn sie bei der Einreise in das Bundesgebiet minderjährig waren und weiter im selben Haushalt mit der stammberechtigten Person leben (vgl. § 104c Abs. 2 S. 2 AufenthG).
Was es noch zu beachten gibt:
- Dauer der Erteilung und Aufenthalt im Anschluss: Die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG wird einmalig für 18 Monate erteilt. Das heißt, sie ist nicht verlängerbar (vgl. § 104c Abs. 3 S. 3 AufenthG). Im Anschluss an die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG sollte ein Übergang entweder in eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b AufenthG gelingen. Dies kann auch bereits vor Ablauf der 18 Monate erfolgen und sollte in der Beratungspraxis stets geprüft werden. Für diesen Übergang aus dem Chancen-Aufenthaltsrecht müssen die Voraussetzungen für diese Bleiberechtsregelungen erfüllt werden (vgl. § 104c Abs. 3 S. 4 AufenthG, vgl. auch BT-Drs. 20/3717, S. 46). Werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, rutscht die Person zurück in die Duldung.
- Erwerbstätigkeit: Erwerbstätigkeit ist mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht erlaubt. Somit können insbesondere diejenigen Personengruppen von dem Chancen-Aufenthaltsrecht profitieren, die bisher ein Arbeitsverbot hatten. Vor allem für Personen, die aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten kommen, stellt das Chancen-Aufenthaltsrecht eine besondere Option der Aufenthaltssicherung dar. Mit dem Erhalt des Chancen-Aufenthaltsrechts entfällt das Arbeitsverbot, dadurch wird der Zugang zu den Bleiberechtsregelungen nach §§ 25a und 25b AufenthG möglich.
- Hinweis- und Beratungspflicht der Ausländerbehörde: Die Ausländerbehörde muss spätestens bei der Erteilung des Chancen-Aufenthaltsrechts auf die Voraussetzungen für den Erhalt der anschließenden Aufenthaltserlaubnisse nach §§ 25a und 25b hinweisen (vgl. § 104c Abs. 4 S. 1 AufenthG). Die Ausländerbehörde soll dabei konkrete Handlungspflichten, die in zumutbarer Weise erfüllt werden können, aufzeigen (vgl. BMI Anwendungshinweise, 23.12.2022, S. 10).
- Fiktionsbescheinigung: Wird eine der beiden Bleiberechtsregelungen rechtzeitig, das heißt vor Ablauf der 18 Monate, beantragt, bekommt die Person für den Bearbeitungszeitraum bis zur Erteilung eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG (vgl. § 104c Abs. 3 S. 5 AufenthG). Damit behält sie die Rechte aus dem Chancen-Aufenthaltsrecht bei und kann zum Beispiel bei vorliegender Beschäftigung weiter arbeiten.
- Abgelehnte Asylanträge als offensichtlich unbegründet: Auch ehemalige Asylbewerber*innen, deren Asylantrag als offensichtlich unbegründet ablehnt wurde, können eine Chancen-Aufenthaltserlaubnis erhalten (§ 104c Abs. 3 S. 1 AufenthG). Die Ausländerbehörden können von der sog. Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG beim Chancen-Aufenthaltsrecht ausdrücklich absehen, wonach nach Ablehnung als offensichtlich unbegründet keine Aufenthaltserlaubnis (außer bei Rechtsanspruch) erteilt werden darf.
- Geklärte Identität und Passpflicht: Spätestens für den Übergang in die Aufenthaltserlaubnisse nach §§ 25a und 25b AufenthG sollte die Identität und Staatsangehörigkeit geklärt und der Pass da sein. Sind alle Schritte zur Identitätsklärung unternommen worden, aber erfolglos geblieben, kann die Ausländerbehörde nach Ermessen von der geklärten Identität absehen (vgl. § 25a Abs. 6 AufenthG, § 25b Abs. 8 AufenthG). Begünstigte des Chancen-Aufenthaltsrechts müssen spätestens mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG von der Ausländerbehörde auf konkrete Handlungspflichten zur Identitätsklärung und Passbeschaffung, die in zumutbarer Weise zu erfüllen sind, hingewiesen werden (vgl. § 104c Abs. 4 S.1 und 2 AufenthG).
- Übergang in die Bleiberechtsregelungen nach §§ 25a und 25b AufenthG: Beim Übergang in die Bleiberechtsregelungen nach §§ 25a und 25b AufenthG müssen auch die dortigen Voraussetzungen für die Lebensunterhaltssicherung erfüllt sein. Hierbei ist zu beachten, dass im Rahmen des § 25a AufenthG für Schüler*innen, Auszubildende und Studierende keine Lebensunterhaltssicherung vorliegen muss (vgl. § 25a Abs. 1 S. 2 AufenthG). Im Rahmen des § 25b AufenthG gilt, dass keine vollständige, sondern nur eine überwiegende Lebensunterhaltssicherung erforderlich ist. Das bedeutet, dass mehr als 50 Prozent des Bedarfs für die antragstellende Person und die Bedarfsgemeinschaft aus Erwerbstätigkeit erwirtschaftet werden muss. Selbst auf diese kommt es nicht an, sofern bei Betrachtung der Schul‑, Ausbildungs‑, Einkommens- sowie familiärer Lebenssituation zu erwarten ist, dass der Lebensunterhalt künftig gesichert sein wird, wobei Bezug von Wohngeld unschädlich ist (vgl. § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AufenthG).
- Niederlassungserlaubnis: Die Erteilung der Niederlassungserlaubnis für die Inhaber*innen des Chancen-Aufenthaltsrechts richtet sich nach dem § 26 Abs. 4 AufenthG (vgl. § 104c Abs. 3 S. 2 AufenthG).
- Leistungsbezug: Es besteht Zugang zu den Leistungen nach SGB II und SGB XII. Hier ist einen Überblick über die sozialrechtlichen Ansprüche für die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG.
- Integrationskurse: Personen, die das Chancen-Aufenthaltsrecht erhalten haben, haben nach Antrag einen Zugang sowohl zum Integrationskurs als auch zu den Berufssprachkursen im Rahmen verfügbarer Plätze (vgl. BMI-Anwendungshinweise, 23.12.2022, S. 16, BAMF-Trägerrundschreiben). Die Ausländerbehörden können die Titelinhaber*innen zur Teilnahme am Integrationskurs verpflichten (vgl. BMI-Anwendungshinweise, 23.12.2022, S. 15).
- Familiennachzug: Familiennachzug ist mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht ausgeschlossen (vgl. § 29 Abs. 3 S. 3 AufenthG).
- Reisen: Reisen ist mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht möglich, sofern ein gültiger Reisepass oder deutsche Passersatzpapiere vorhanden sind.
Änderungen bei den Bleiberechtsregelungen nach §§ 25a und 25b AufenthG
Im Zuge des Gesetzes zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts sind die bisherigen Bleiberechtsregelungen nach § 25a und 25b AufenthG verändert worden.
Die wichtigsten Änderungen bei der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG sind die Herabsetzung der Voraufenthaltszeit und die Erweiterung des Höchstalters für geduldete Jugendliche und junge Volljährige, aber auch eine gravierende Verschärfung bei dieser Aufenthaltserlaubnis: Personen, die nicht aus dem Chancen-Aufenthaltsrecht heraus die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG beantragen, müssen eine zwölfmonatige Vorduldungszeit vorweisen, bevor die Aufenthaltserlaubnis beantragt werden kann. Dies wird für den betroffenen Personenkreis massive Schwierigkeiten mit sich bringen.
Positiv zu bewerten ist wiederum, dass bei der Bleiberechtsregelung für geduldete Erwachsene nach § 25b AufenthG die geforderten Voraufenthaltszeiten ebenfalls reduziert worden sind.
Die gleich gebliebenen Voraussetzungen für die beiden Bleiberechtsregelungen werden folglich unten nur in groben Zügen dargestellt. Sobald aktualisierte ausführliche Arbeitshilfen zur Verfügung stehen, werden wir diese hier verlinken. Hier finden Sie Checklisten für die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25a AufenthG und § 25b AufenthG.
Änderungen des § 25a AufenthG:
- Zusammen mit der Änderung der gesetzlichen Überschrift von § 25a AufenthG, die künftig »Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und jungen Volljährigen« lautet, ist auch die Ausweitung der Altersgrenze bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres vorgenommen worden (vgl. § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG). Das bedeutet, dass die Aufenthaltserlaubnis statt bisher zwischen dem 14. und bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs, nun zwischen dem 14. und bis zur Vollendung des 27. Lebensjahrs beantragt werden kann. Ein Antrag auf die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG muss also vor dem 27. Geburtstag erfolgen. Gleichzeitig ist eine Absenkung der geforderten Voraufenthaltszeit von vier auf drei Jahre vorgenommen worden (vgl. § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG).
- Auch die erforderliche Dauer eines erfolgreichen Schulbesuchs in § 25a Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wurde von vier auf drei Jahre herabgesenkt, wobei unverändert die Alternative eines anerkannten Schul- oder Berufsschulabschluss besteht, sofern noch kein dreijähriger Schulbesuch vorgewiesen werden kann. Dazu wurde eine Ausnahmeregelung von der Voraussetzung des dreijährigen Schulbesuchs oder Abschlusses für Personen mit körperlicher, geistiger oder seelischer Krankheit oder Behinderung eingeführt (§ 25a Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
- Es wurde eine Ausnahmeregelung hinsichtlich der eigentlich erforderlichen Identitätsklärung für Personen, die aus dem Chancen-Aufenthaltsrecht in die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG wechseln wollen, eingeführt, sofern sie vorher alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Identitätsklärung ergriffen haben, diese aber dennoch nicht gelungen ist (§ 25a Abs. 6 AufenthG).
- Eine gravierende Verschärfung stellt die Einführung der 12 monatigen Vorduldungszeit für viele geduldete Jugendliche und junge Volljährige dar, die nicht aus dem Chancen-Aufenthaltsrecht heraus die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG beantragen (vgl. § 25a Abs. 1 S. 1 AufenthG). Denn es ist in manchen Fällen damit nun nicht mehr möglich, unmittelbar nach einem abgelehnten Asylantrag in die Bleiberechtsregelung nach § 25a AufenthG einzumünden – selbst wenn der dreijährige Voraufenthalt an sich vorliegt, die Person aber in dieser Zeit nur die Aufenthaltsgestattung hatte. Gleiches gilt für Personen, die bislang eine andere Aufenthaltserlaubnis hatten, diese aber verloren haben. Auch hier kann ein Wechsel nicht unmittelbar erfolgen, sondern ebenfalls erst nach 12 Monaten Aufenthalt mit Duldung. Wenn die geduldete Person hingegen vorher die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG besessen hatte, muss bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG keine zwölfmonatige Vorduldungszeit vorliegen (vgl. § 25a Abs. 1 S. 1 AufenthG). In dieser Fallkonstellation werden auch Zeiten des Besitzes einer Duldung für Personen mit ungeklärter Identität auf die dreijährige Voraufenthaltszeit angerechnet (vgl. § 25a Abs. 5 AufenthG).
Folgende Erteilungsvoraussetzungen bleiben unverändert:
- Keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Person sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt (vgl. § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 5 AufenthG)
- Eine gute Integrationsprognose (vgl. § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG)
- Bei Schulbesuch, Ausbildung oder Studium muss der Lebensunterhalt nicht eigenständig gesichert sein (vgl. § 25a Abs. 1 Satz 2 AufenthG)
- Versagungsgrund: Wenn die Abschiebung aufgrund eigener falscher Angaben oder aufgrund eigener Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit ausgesetzt ist (vgl. § 25a Abs. 1 S. 3 AufenthG)
- Manche Familienangehörige können unter Umständen ebenfalls von dem Bleiberecht profitieren (vgl. § 25a Abs. 2).
Änderungen des § 25b AufenthG:
- Auch bei der Bleiberechtsregelung »Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration« für Erwachsene nach § 25b AufenthG, die altersunabhängig ist, sind die geforderten Voraufenthaltszeiten herabgesetzt worden (vgl. § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG). Geduldete Personen mit minderjährigen ledigen Kindern im selben Haushalt müssen sich nun statt bisher sechs nur noch vier Jahre ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufgehalten haben. Bei geduldeten Personen ohne minderjährige ledige Kinder im selben Haushalt wird nun ein sechsjähriger statt achtjähriger Voraufenthalt gefordert. Ebenfalls wird bei vorherigem Besitz der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG die Zeit des Besitzes der Duldung für Personen mit ungeklärter Identität als Voraufenthaltszeit angerechnet (§ 25b Abs. 7 AufenthG).
- Auch bei der Bleiberechtsregelung nach § 25b AufenthG wurde eine Ausnahmeregelung hinsichtlich der eigentlich erforderlichen Identitätsklärung für Personen, die aus dem Chancen-Aufenthaltsrecht in die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG wechseln wollen, eingeführt, sofern sie vorher alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Identitätsklärung ergriffen haben, diese aber dennoch nicht gelungen ist (§ 25b Abs. 8 AufenthG).
Folgende Erteilungsvoraussetzungen bleiben unverändert:
- Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AufenthG)
- Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet (vgl. § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AufenthG)
- Der Lebensunterhalt muss überwiegend gesichert sein (vgl. § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AufenthG). Das bedeutet, dass mehr als 50 Prozent des Bedarfs für die antragstellende Person und die Bedarfsgemeinschaft aus Erwerbstätigkeit erwirtschaftet werden muss. Es sind aber einige Ausnahmen möglich.
- Mündliche Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A2 (vgl. § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AufenthG), auch hier sind Ausnahmen möglich.
- Nachweis des Schulbesuchs bei Kindern im schulpflichtigen Alter (vgl. § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 5 AufenthG).
- Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Abschiebung durch falsche Angaben, durch Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit oder Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen verhindert wird (vgl. § 25b Abs. 2 Nr. 1 AufenthG). Dasselbe gilt, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 oder Absatz 2 Nummer 1 und 2 besteht (vgl. § 25b Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Ein solches Ausweisungsinteresse liegt vor bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten beziehungsweise zu einer Jugendstrafe von einem Jahr ohne Aussetzung auf Bewährung.
- Manche Familienangehörige können unter Umständen ebenfalls von dem Bleiberecht profitieren (vgl. § 25b Abs. 4 AufenthG)
(ja, pva, ie)