Hintergrund
Der sogenannte Bremer Asylskandal als Brandbeschleuniger
Der Rechtsanwalt Henning Sonnenberg vertritt einen der Beschuldigten im Verfahren rund um die Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Anlässlich einer Diskussion hat er eine treffende Zusammenfassung der Vorfälle geliefert. Wir dokumentieren einen Auszug aus seiner Rede hier.
»Ich spreche zu Ihnen als Rechtsanwalt, genau genommen als Verteidiger eines Rechtsanwaltes, dem strafbare Handlungen im Rahmen seiner Tätigkeit in Asylverfahren vorgeworfen werden. Ich spreche also über den so genannten Bremer Asyl-Skandal. Ich nutze das Wort »so genannt« mit voller Absicht, weil es einen Bremer Asyl-Skandal nicht gibt und nie gegeben hat.
Medien lassen Sorgfalt vermissen
Die meisten unter ihnen werden sich daran erinnern, dass Ende April diesen Jahres flächendeckend alle Zeitungen, Radiostationen und Fernsehsender berichteten, dass die Außenstelle Bremen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in den Jahren 2014 bis 2016 tausende unrechtmäßige positive Entscheidungen über Asylanträge getroffen habe.
Bereits zum damaligen Zeitpunkt waren die entsprechenden Schlagzeilen so formuliert, als stünde es fest, dass in Bremen rechtswidrig gehandelt worden ist. In den nachfolgenden Artikeln oder Meldungen war zunächst noch die Rede davon, dass es so gewesen sein soll. Diese Formulierung im Konjunktiv wurde dann sehr schnell fallen gelassen. Der Bremer Asylskandal wurde zur medialen Tatsache und nachfolgend zum Brandbeschleuniger in der gesamten Flüchtlings- und Migrations-Debatte.
Keine Nachweise für rechtswidrige Handlungen
Lassen Sie mich Ihnen einige Fakten sagen: Alle von der Nürnberger Zentrale des Bundesamtes ursprünglich in die Welt gesetzten Zahlen über unrechtmäßige positive Entscheidungen sind nachweislich falsch.
Das Bundesamt ist bis heute entweder nicht willens oder nicht in der Lage, die Anzahl der aus der Sicht des Bundesamtes rechtswidrig erteilten positiven Bescheide zu benennen. Und dies, obwohl eine eigens eingesetzte 70-köpfige Gruppe bis Ende August 12.848 positive Entscheidungen aus Bremen aus den Jahren 2006 bis Ende März 2018 noch einmal penibel überprüft hat. Das Ergebnis dieser Überprüfung ergab 145 Entscheidungen, die als kritikwürdig eingestuft wurden – das sind stolze 1,13 Prozent. Es ist aber eben keine Rede davon, dass diese 145 Entscheidungen zu Unrecht ergangen wären, also rechtswidrig seien. Darauf käme es aber an! Nur dann wären strafbare Handlungen überhaupt denkbar.
Sogar ungewöhnlich wenige Fehler
Aus meiner Sicht zeigt dieses Ergebnis, dass die Bremer Außenstelle des Bundesamtes im Gegensatz zu allen öffentlichen Behauptungen eine qualitativ ganz hervorragende Arbeit geleistet hat, weil ungewöhnlich wenig Fehler gemacht worden sind. Hierzu nur eine Vergleichsgröße: Von den im Jahre 2017 deutschlandweit entschiedenen 79.626 Asylklagen waren 32.486, also 40,8 Prozent, teilweise oder ganz erfolgreich. Das heißt umgekehrt, dass von 79.626 negativen Entscheidungen des Bundesamtes 32.486 ganz oder teilweise rechtswidrig waren. Dies ist der eigentliche Skandal!
Brandbeschleunigung aus Kalkül
Der Fall Bremen ist zum Brandbeschleuniger geworden, weil er bewusst als Brandbeschleuniger eingesetzt wurde. Eine Recherche seitens der Medien fand über Wochen nicht statt. Die knallige Schlagzeile war zunächst wichtiger, als der sorgfältige Umgang mit den tatsächlichen Gegebenheiten. Auffallend in diesem Zusammenhang auch der immer wiederkehrende Hinweis auf zwei jezidische Anwälte und ihre ausländisch klingenden Namen. Von dem dritten beschuldigten, ebenfalls deutschen Anwalt, der einen urdeutschen Namen trägt, war praktisch nie die Rede.
Erst Rufmord, dann Recherche
Ein bekannter deutscher Strafrechtler hat diese Art der anfänglichen Berichterstattung in einem zutreffenden Satz zusammengefasst: Erst Rufmord, dann Recherche!
Nun ist es in den zurückliegenden Monaten mit erheblichem Arbeitseinsatz gelungen, praktisch alle relevanten Medien in Deutschland zu einer seriösen Berichterstattung zurückzubringen, was durchaus erfreulich ist. Ich frage mich allerdings, ob die für die anfängliche Berichterstattung verantwortlichen Damen und Herren sich beim nächsten ähnlichen Anlass ihrer Verantwortung bewusst sind und nicht wieder mit der Fackel in der Hand agieren.
Saat für Chemnitz
Denn eins ist wohl unumstritten: All diese Falschmeldungen waren allzu gern genutzte Munition gegen die längst wieder in ihr Gegenteil verkehrte Asylpolitik des Jahres 2015. All diese Falschmeldungen haben der AfD Auftrieb und Wählerstimmen gebracht. All diese Falschmeldungen haben massiv Stimmung gegen Flüchtlinge und Migranten gemacht und ganz erheblich die Saat gesät, die in Chemnitz und Köthen aufgeblüht ist.
All diese Falschmeldungen haben massiv Stimmung gegen Flüchtlinge und Migranten gemacht und ganz erheblich die Saat gesät, die in Chemnitz und Köthen aufgeblüht ist.
Wesentlich größer ist allerdings für all diese Entwicklungen die Verantwortung von Horst Seehofer, seinem Staatssekretär Meyer und diversen anderen Herren aus dem Führungsnachwuchs der CSU. Seehofer wie sein Staatssekretär waren es, die mit der Tatsachenbehauptung, in Bremen habe es ein kriminelles Zusammenspiel von Behördenleiterin und Rechtsanwälten gegeben, der medialen Stimmungsmache das Siegel »amtlich« aufgedrückt haben.
Henning Sonnenberg, Rechtsanwalt