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Mängel beim BAMF? Ran an die Probleme, nicht bloß an die Symptome!
Die Ermittlungen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Bremen haben die Debatte über die Qualität der Asylentscheidungen erneut in die Öffentlichkeit gebracht. Die Herangehensweise greift aber zu kurz, wesentliche Probleme werden dabei außer Acht gelassen.
In der Bremer Außenstelle des BAMF soll es zu rechtswidrigen Praktiken bei Asylentscheidungen gekommen sein. Dabei bleiben aktuell noch viele Fragen offen – zum einen handelt es sich, soweit öffentlich bekannt wurde, um Anträge jesidischer Flüchtlinge, die in den allermeisten Fällen ohnehin Schutz erhalten; zum anderen ändert sich auch der Tatvorwurf immer wieder. Ob zunächst »bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Antragstellung«, dann Korruption oder nun Urkundenfälschung – was den Beteiligten genau zur Last gelegt wird, bleibt unklar. Obwohl die Umstände noch nicht geklärt sind, überbieten sich handelnde Politiker*innen aber jetzt schon in Forderungen nach Überprüfung von anerkennenden Entscheidungen und begehen dabei erneut altbekannte Fehler!
Schon bei den Untersuchungen nach dem Fall Franco A. kamen lediglich positive Asylbescheide erneut auf den Prüfstand. Damals wurden in der internen Revision nur längst bekannte Mängel aufgedeckt und die falschen Schlüsse daraus gezogen. Denn das Problem liegt in strukturellen Mängeln begründet und betrifft genauso auch negative Entscheidungen, wie die hohe Erfolgsquote der Klagen vor Verwaltungsgerichten zeigt. Viel mehr braucht es also eine umfassende Qualitätskontrolle im Bundesamt, wie PRO ASYL und viele weitere Verbände und Organisationen sie schon seit Jahren fordern.
Qualität der Entscheidungen: Seit Jahren Problemthema
Die schlechte Qualität der Asylbescheide zeigt sich keineswegs nur bei Fällen wie dem von Franco A. oder den Vorkommnissen in Bremen. Der eigentliche Skandal – hunderttausende mangelhafte Asylentscheidungen – übertrifft das, was aktuell in Bremen in Rede steht, um ein Vielfaches, selbst wenn die Vorwürfe, es seien dort unrechtmäßige Entscheidungen in mehr als 1.200 Fällen ergangen, zuträfen. Bereits 2005 hat ein breites Bündnis die Qualität von Asylanhörungen und ‑entscheidungen bemängelt, in einem ausführlichen Memorandum aus dem November 2016 wurden die strukturellen Defizite und eine fehlende interne Qualitätskontrolle nochmals öffentlich gemacht.
Das übergreifende Problem des BAMF
Von der Politik angetrieben wurde nach 2015 alles unternommen, um mit schnell angeworbenen und schlecht geschulten Entscheider*innen bis zur Bundestagswahl ein Höchstmaß an Asylentscheidungen zu treffen. Deren Qualität war bis Herbst 2017 kein Thema. Im BAMF stand – mit Unterstützung von gut bezahlten Unternehmensberatungsfirmen – die Optimierung von Abläufen im Vordergrund, sprich: Tempo. Sicherstellung der Verwirklichung eines Grundrechts durch adäquate Gestaltung der Asylverfahren? Das wollte man sich nicht leisten.
Zwar hat das Bundesamt zwischenzeitlich Maßnahmen zur Qualitätsverbesserungen angekündigt, immer noch fallen aber beispielsweise anhörende und entscheidende Personen auseinander, unter anderem auch in den sensiblen Fällen türkischer Oppositioneller. Im Rahmen bisheriger Qualitätskontrollen gibt es zudem keinen systematischen Abgleich von Anhörungsprotokoll und Entscheidung. So können viele Fehler gar nicht erkannt werden.
Tausende unqualifizierte Dolmetscher
Ein weiteres Beispiel: Kürzlich – und nur dank einer Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag – wurde bekannt, dass in den Jahren 2017 und 2018 die Zusammenarbeit mit 2.100 Dolmetscher*innen beendet wurde. Schon in den Vorjahren war das Ausmaß des Problems aber durch Zeitungsberichte, eine Grünen-Anfrage im Bundestag und Hinweise von PRO ASYL bekannt. Immer wieder berichten Asylsuchende beispielsweise über Versuche von Dolmetscher*innen, auf Anhörungen Einfluss zu nehmen – bis hin zu versteckten oder offenen Drohungen – aber auch mangelhaften Dolmetscherleistungen.
Offenbar lange weitgehend folgenlos: Unzureichend qualifizierte Dolmetscher*innen konnten 2015 und 2016 weiter am Abbau der Verfahrensrückstände des BAMF mitwirken. 2017 wurden dann 30 von ihnen wegen »Verletzungen des Verhaltenskodex« entlassen – was sich dahinter genau verbirgt, bleibt genauso im Dunklen, wie die Gründe für das Ende der Zusammenarbeit mit den übrigen über 2.000 Dolmetscher*innen.
Unangenehme Überraschungen
Dass innerhalb des Bundesamtes etwas gewaltig schief läuft, zeigen auch Ermittlungen aus Anlass der Entführung eines vietnamesischen Exilpolitikers in Berlin. Denn die mutmaßlichen Entführer*innen hatten offenbar einen politischen Fan in der Behörde: Einen langjährigen Sachbearbeiter des BAMF, nach Angaben des SPIEGEL ausgezeichnet »für besondere Verdienste in der Auslandspropaganda« im Sinne Vietnams. Solche Fälle zeigen, dass die internen Sicherheitsüberprüfungen zumindest Lücken aufweisen dürften.
Überprüfung wird den Gerichten überlassen
Die vielen mangelhaften Entscheidungen des BAMF haben weitreichende Folgen über das Bundesamt hinaus: Etliche Asylbewerber*innen müssen vor Verwaltungsgerichten klagen, um den ihnen zustehenden Schutzstatus zu erhalten. Ende 2017 waren dort noch über 370.000 Verfahren anhängig. Und im vergangenen Jahr hatten 40,8 Prozent der Kläger*innen Erfolg (bereinigte Schutzquote): Fast die Hälfte der überprüften Asylbescheide wurde also durch die Verwaltungsgerichte korrigiert – bei syrischen und afghanischen Asylsuchenden waren es sogar über 60 Prozent! (Zahlen aus der Antwort auf eine Anfrage der LINKEN im Bundestag)
Mit großer Impertinenz hat die Politik Vorgaben gemacht, die dazu führen, dass das BAMF seiner langjährigen Devise folgte: Unser Korrektiv sind die Verwaltungsgerichte – anstelle einer wirklichen Qualitätskontrolle im Hause selbst.
(bm / mk)