06.12.2012

Auf der Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz in Ros­tock-War­ne­mün­de will Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Fried­rich für sein Vor­ha­ben wer­ben, Ser­bi­en und Maze­do­ni­en auf die Lis­te der siche­ren Her­kunfts­staa­ten zu set­zen und gleich­zei­tig pau­scha­le Ver­schär­fun­gen im Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­recht vor­zu­neh­men. 20 Jah­re nach dem soge­nann­ten Asyl­kom­pro­miss vom 6. Dezem­ber 1992, an dem die SPD einer Viel­zahl von Geset­zes­ver­schär­fun­gen gegen Asyl­su­chen­de zustimm­te, appel­liert PRO ASYL an die Innen­mi­nis­ter aller Län­der, sich einer Ein­stu­fung von Ser­bi­en und Maze­do­ni­en als siche­re Her­kunfts­staa­ten zu wider­set­zen. „Eine sol­che Ein­stu­fung wäre ange­sichts der exis­ten­zi­el­len Dis­kri­mi­nie­rung von Roma und der all­ge­mei­nen Men­schen­rechts­la­ge in die­sen Staa­ten völ­lig unan­ge­bracht“, so Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL. Als Sofort­maß­nah­me for­dert PRO ASYL die Län­der auf, einen Win­ter­ab­schie­be­stopp für Asyl­su­chen­de aus den Bal­kan-Staa­ten zu erlassen.

Nach Infor­ma­tio­nen des Flücht­lings­rats Meck­len­burg-Vor­pom­mern wer­den Asyl­su­chen­de aus Ser­bi­en und Maze­do­ni­en unter dem Vor­wand, ihr Asyl­an­trag sei ohne­hin chan­cen­los, zur „frei­wil­li­gen Aus­rei­se“ gedrängt. „Es geht nicht an, dass Roma zur Aus­rei­se gedrängt wer­den, bevor sie über­haupt gefragt wur­den, ob Flucht­grün­de vor­lie­gen“, so Ulri­ke See­mann-Katz, Vor­sit­zen­de des Flücht­lings­rats Mecklenburg-Vorpommern.


Dis­kri­mi­nie­rung von Roma in Ser­bi­en und Mazedonien

In Ser­bi­en und Maze­do­ni­en sind Roma und Ange­hö­ri­ge ande­rer Min­der­hei­ten ras­sis­ti­scher Dis­kri­mi­nie­rung aus­ge­setzt, vor der der Staat sie nicht wirk­sam schützt. Ihnen ist ein men­schen­wür­di­ges Leben kaum mög­lich. Extre­me Dis­kri­mi­nie­rung bedingt Obdach­lo­sig­keit, Arbeits­lo­sig­keit, Ver­trei­bung aus Behelfs­sied­lun­gen, kei­nen oder nur beschränk­ten Zugang zu Gesund­heits­ver­sor­gung sowie die Aus­gren­zung von Kin­dern aus dem Schul­sys­tem. Es ist inak­zep­ta­bel, dass das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge bereits jetzt Anträ­ge von Roma aus die­sen Staa­ten fast aus­nahms­los als offen­sicht­lich unbe­grün­det ablehnt.

„Jeden Monat gibt es aus Deutsch­land Sam­mel­ab­schie­bun­gen nach Ser­bi­en und Koso­vo. Die meis­ten der unfrei­wil­li­gen Pas­sa­gie­re sind Roma, die in die­sen Län­dern exis­tenz­be­dro­hen­den Dis­kri­mi­nie­run­gen aus­ge­setzt sind. Hans-Peter Fried­rich unter­stellt den Flücht­lin­gen aus Ser­bi­en und Maze­do­ni­en, die zumeist Roma sind, “Asyl­miss­brauch”. Wir weh­ren uns gegen die­se von ras­sis­ti­schen Ste­reo­ty­pen gepräg­te Poli­tik und for­dern einen ver­ant­wor­tungs­vol­len Umgang mit Roma und ande­ren Flücht­lin­gen, die hier Schutz suchen”, so Ken­an Emi­ni vom Roma-Cen­ter Göttingen.


Syri­en-Flücht­lin­ge aufnehmen

PRO ASYL kri­ti­siert, dass die Tages­ord­nung der Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz nicht vor­sieht, sich mit der Pro­ble­ma­tik syri­scher Flücht­lin­ge und der Not­wen­dig­keit eines Auf­nah­me­pro­gramms zu befas­sen. Die Bereit­schaft der Bun­des­re­gie­rung, die Nach­bar­staa­ten bei der Auf­nah­me von Syri­en­flücht­lin­gen finan­zi­ell zu unter­stüt­zen, darf nicht die ein­zi­ge Ant­wort auf die Situa­ti­on in den Nach­bar­staa­ten Syri­ens sein. Wer die Bereit­schaft der Erst­auf­nah­me­staa­ten zur groß­zü­gi­gen Flücht­lings­auf­nah­me erhal­ten will, muss sei­ner­seits bereit sein, Flücht­lin­ge auf­zu­neh­men. PRO ASYL for­dert eine deut­li­che Aus­wei­tung des Resett­le­ment-Pro­gramms über die ins­ge­samt von der Bun­des­re­gie­rung zuge­sag­ten 300 Plät­ze. Dass ein­ein­halb Jah­re nach Beginn des bewaff­ne­ten Kon­flik­tes in Syri­en und der Flucht Zehn­tau­sen­der Men­schen hier­zu­lan­de nicht ein­mal ein ver­ein­fach­tes Visum­ver­fah­ren für Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge von in Deutsch­land leben­den Syrern ange­bo­ten wird, ist inak­zep­ta­bel. Die Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz darf zum The­ma der Syri­en-Flücht­lin­ge nicht schweigen.


Ket­ten­dul­dun­gen been­den: Blei­be­rechts­re­ge­lung drin­gend erforderlich

Die Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz nimmt PRO ASYL zum Anlass, die Län­der auf­zu­for­dern, end­lich den Weg frei­zu­ma­chen für eine Blei­be­rechts­re­ge­lung, mit der die Situa­ti­on von lang­jäh­rig gedul­de­ten Men­schen wirk­sam und dau­er­haft ver­bes­sert wird. Zahl­rei­che Län­der­initia­ti­ven lie­gen im Bun­des­rat auf dem Tisch. Nach Zah­len vom August 2012 leben mehr als 85 000 Men­schen in Deutsch­land ledig­lich mit einer Dul­dung, die Hälf­te von ihnen schon län­ger als sechs Jah­re. Bereits die­se Zah­len spre­chen für die Not­wen­dig­keit einer auf­ent­halts­recht­li­chen Rege­lung mit Dau­er­wir­kung, die nicht mehr nur an einen in der Ver­gan­gen­heit lie­gen­den Stich­tag anknüpft.

Betrof­fen von der poli­ti­schen Sta­gna­ti­on beim The­ma Blei­be­recht sind ins­be­son­de­re auch Kin­der. Denn 12 000 Gedul­de­te sind min­der­jäh­rig. Aus den Zah­len der Bun­des­re­gie­rung ergibt sich, dass es nur knapp 1 200 Jugend­li­che geschafft haben, die bis­her für sie gel­ten­den Kri­te­ri­en der Blei­be­rechts­re­ge­lung für „gut inte­grier­te Jugend­li­che“ zu erfül­len. Das liegt nicht am man­geln­den Wil­len der Betrof­fe­nen, son­dern an den Bedin­gun­gen die­ser Rege­lung – etwa den star­ren Alters­gren­zen, die nur Anträ­ge von 15 bis 20-jäh­ri­gen zulassen.

Par­al­lel zur Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz fin­det ein Pro­test­pro­gramm der „Jugend­li­chen Ohne Gren­zen“ (JOG) statt. Am gest­ri­gen Mitt­woch demons­trier­ten zahl­rei­che von Dul­dun­gen betrof­fe­ne Jugend­li­che und Erwach­se­ne mit vie­len Unter­stüt­ze­rin­nen und Unter­stüt­zern unter dem Mot­to „Dul­den heißt Belei­di­gen“ für ein Blei­be­recht. Am heu­ti­gen Abend wird in Ros­tock bei einer Gala-Ver­an­stal­tung der Jugend­li­chen ohne Gren­zen in Ros­tock der „Abschie­be­mi­nis­ter 2012“ gewählt. „Die 85.000 gedul­de­ten Flücht­lin­ge leben in stän­di­ger Angst vor der Abschie­bung, das obwohl wir hier zur Schu­le gehen und hier unse­re Freun­de haben. Wir for­dern ein Blei­be­recht für uns und unse­re Fami­li­en“, erklärt Nur­ja­na Ars­la­no­va von Jugend­li­che ohne Grenzen.

PRO ASYL – Posi­ti­ons­pa­pier „Popu­lis­mus aus dem Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um – Zu den Vor­schlä­gen des Bun­des­in­nen­mi­nis­ters zum Umgang mit Asyl­su­chen­den aus Ser­bi­en und Maze­do­ni­en“ vom 28.11.2012

 Pres­se­er­klä­rung Zur Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz in Han­no­ver: (21.05.13)

 For­de­run­gen zur Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz in Han­no­ver (21.05.13)

 20 Jah­re „Asyl­kom­pro­miss“ – Sieg der Stra­ße und eine Nie­der­la­ge des Rechts­staa­tes (06.12.12)

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