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Überwiegend Fake News mit politischem Kalkül – der sog. BAMF-Skandal in Bremen
Monatelang hat die Affäre um die Außenstelle des Bundesamtes für Migration & Flüchtlinge (BAMF) in Bremen Schlagzeilen gemacht. Die Untersuchungen ergaben schließlich lediglich Mängel bei unter einem Prozent der überprüften Entscheidungen. Eine Entschuldigung der Politiker*innen, die damit Stimmung gemacht haben, bleibt jedoch aus.
Die Medien gaben über lange Zeit hinweg die Behauptungen von Politikern und die Äußerungen der zuständigen Staatsanwaltschaft wider. Eigene Recherchen gab es kaum. Es setzte ein Überbietungswettbewerb um die jeweils neuesten und weitgehendsten Verdächtigungen ein, schön im Konjunktiv gehalten und in Bezug auf die Verantwortlichen mit dem Wörtchen »mutmaßlich« garniert.
Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten
Die Wirkung: Nicht nur eine Art öffentlicher Vorverurteilung, sondern auch Wasser auf die Mühlen derer, die die Auffassung vertreten, die meisten Asylantragsteller tricksten und würden von einer willfährigen Behörde zu lax behandelt.
Ein Geschenk des Himmels, dass dem Vorwurf der Bremer Staatsanwaltschaft gegen die ehemalige Leiterin der Bremer BAMF-Außenstelle, »zusammen mit den auf Asylrecht spezialisierten Anwälten, einem Dolmetscher und einem weiteren Beschuldigten bandenmäßig Asylantragsteller nach Bremen gelotst und dort mit zu Unrecht erteilten Bleibegenehmigungen ausgestattet zu haben«, sogleich das politische Handeln in Form des Generalverdachtes folgte.
Nicht nur der Bremer Außenstelle wurden Asylentscheidungen entzogen, sondern bundesweit wurden Außenstellen durchleuchtet, bei denen die Schutzquoten oberhalb des Durchschnitts lagen. Was unterhalb lag, die lokalen BAMF-Ablehnungsfronten in einigen Außenstellen, blieb außerhalb des kontrollierenden Blicks.
Bleibt überhaupt etwas übrig?
Ob von dem Auslöser, der Affäre Bremen, am Ende strafrechtlich etwas übrig bleibt und wie viel, wird sich weisen. Jedenfalls erweist sich das Ganze schon jetzt als veritabler politischer Scheinriese. Je näher man hinschaut, desto kleiner wird das, was die Republik erschütterte, mehrere Sondersitzungen des Bundestagsinnenausschusses beschäftigte und den Bundesinnenminister dazu brachte, von einem »handfesten, schlimmen Skandal« zu sprechen. Zwei Wochen später wurde die Bundesamtspräsidentin entlassen.
Bereits mit dem ersten Bericht der Innenrevision am 11. Mai war klar, dass die genannten Größenordnungen überhaupt nichts mit der Realität zu tun hatten.
War anfangs noch eine Zahl von 1.200 bis zu 2.000 Fällen in die Öffentlichkeit lanciert worden, in denen die Bremer Außenstellenleiterin zwischen 2013 und 2017 aussichtlose Fälle an sich gezogen und für einen positiven Abschluss gesorgt haben soll, so waren bereits mit einem ersten Bericht der Innenrevision am 11. Mai klar, dass solche Größenordnungen überhaupt nichts mit der Realität zu tun hatten. Diesen Bericht musste das BAMF selbst dann noch weiter relativieren.
Fehlerquote: Unter einem Prozent
Zwischenergebnis der Beschäftigung des Amtes mit sich selbst unter großem Druck der Politik im August 2018: Von 18.315 positiven Bescheiden wurden nur noch 165 Fälle bemängelt. Das sind 0,9 Prozent. Ein ähnliches Resultat übrigens bei der mit großem Personalaufwand durchgezogenen Untersuchung von bundesweit 43.000 anerkennenden Asylentscheidungen: 99,3 Prozent korrekt.
Die Theorie, die Bremer »Bande« habe dafür gesorgt, dass busweise Asylsuchende in die für Sie unzuständige Außenstelle Bremen gebracht worden, fiel ohnehin bereits in sich zusammen, als das BAMF eingestehen musste, dass Bremen tatsächlich zeitweise vom Amt aus die Zuständigkeit für Antragstellende aus anderen Regionen übertragen worden war.
Warum keine Prüfung der Ablehnungen?
PRO ASYL kritisierte frühzeitig die Ausrichtung der Überprüfungen. Warum sollten nur anerkennende Entscheidungen geprüft werden? Fehlerhafte Ablehnungen sind für Betroffene und alle, für die faire Verfahren zum Kern des Rechtsstaates gehören, ebenso wichtig. Mit der Berichterstattung über Bremen ist jedoch der Eindruck erweckt worden, Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten hätten zu Unrecht Schutz bekommen. Diese Vorurteile hat auch der zuständige Innenminister durch sein Handeln bestärkt.
Rechtsanwalt hält prägnante Rede
Der Verteidiger eines der Rechtsanwälte, dem im Zusammenhang mit der Bremer Affäre strafbare Handlungen vorgeworfen werden, hat anlässlich einer Rede bei einer Demonstration den Umgang mit den Bremer Ereignissen als Brandbeschleuniger in der gesamten Flüchtlings- und Migrationsdebatte bezeichnet.
»Alle von der Nürnberger Zentrale des Bundesamtes ursprünglich in die Welt gesetzten Zahlen über unrechtmäßige positive Entscheidungen sind nachweislich falsch.«
Jetzt kommt keine Entschuldigung?
Ach ja: Bundesinnenminister Seehofer hat sich für den Skandal schon Ende Mai bei der Bevölkerung entschuldigt. Bisher gab es keinerlei Entschuldigungen bei denjenigen, die er unter Generalverdacht gestellt hat.
(bm)