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Sommerloch in Sachsen-Anhalt: Haseloff gräbt Forderungen nach Syrien-Abschiebungen aus
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff hat die Abschiebung von syrischen Flüchtlingen gefordert. Ähnliches Säbelrasseln gab es bereits 2017 im Vorfeld der Innenministerkonferenz - mit der Begründung, das Land sei annähernd befriedet. Diverse erneute Kriegshandlungen hatten die Forderungen verstummen lassen, Haseloff gräbt sie nun wieder aus.
Man müsse Menschen auch nach Syrien zurückführen, »wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind«, sagte Reiner Haseloff in einem Zeitungsinterview. Seit dem Beginn des Bürgerkrieges 2011 haben über fünf Millionen Syrer*innen aus den verschiedensten Gründen ihre Heimat verlassen: Die meisten flohen vor dem Assad-Regime, vor Flächenbombardements und Kampfhandlungen, vor bewaffneten Milizen, viele vor dem IS, wieder andere vor der allgemeinen Unsicherheit.
Nun wird nicht nur in vielen Teilen Syriens noch gekämpft und weiter bombardiert, auch IS-Terroristen sind erst kürzlich wieder mit tödlichen Attacken und Entführungen hervorgetreten. Rebellengruppen unterschiedlicher Couleur halten andere Teile des Landes. Iranische und türkische Truppen stehen auf syrischem Boden. Auch das Auswärtige Amt (AA) hatte bislang betont, dass die Bedingungen für eine großflächige Rückkehr nicht gegeben seien und auf fortbestehende Verfolgungsgefahr hingewiesen.
Internationaler Maßstab dafür, dass »die Voraussetzungen gegeben« sind, wäre also eine nachhaltige Verbesserung der Situation, die eine Rückkehr in Sicherheit und Würde ermöglicht. Die Maßstäbe von Reiner Haseloff sind anscheinend andere:
Vielen syrischen Flüchtlingen ist die lange Blutspur des Assad-Regimes, die lange vor dem Bürgerkrieg begann, in Erinnerung. Sie werden um keinen Preis in ein Syrien unter Assad zurückkehren wollen.
»Der Russe« wird’s schon richten?
Er verweist darauf, dass die Kanzlerin ja gerade »mit den Russen« darüber gesprochen habe, »wie man das organisiert«. So formuliert handelt es sich bereits nicht mehr um die Frage, welche syrischen Flüchtlinge zu welchem Zeitpunkt mit welchen Sicherheits- und Eigentumsgarantien zurückkehren können, sondern um die Abwicklung von schnellstmöglicher Rückkehr samt Abschiebungen.
Russland, eben noch als Alliierter und Luftwaffe des Assad-Regimes von der deutschen Regierung kritisiert, soll jetzt also offenbar Garant des Rückkehrprozesses werden. Bei vielen Flüchtlingen dürfte dies nach ihren Erfahrungen eher Ängste hervorrufen als beseitigen. So unterschiedlich, wie die Fluchtgründe der Syrer*innen waren, so unterschiedlich werden ihre Hoffnungen auf eine Rückkehr sein. Vielen von ihnen ist die lange Blutspur des Assad-Regimes, die lange vor dem Bürgerkrieg begann, in Erinnerung. Sie werden um keinen Preis in ein Syrien unter Assad zurückkehren wollen.
Haseloffs Interpretation im Stile von Rechtsextremen
Geradezu infam ist die Begründung, die Haseloff für seine Forderung liefert: Nur 3 Prozent der Syrer*innen »kämen mit einem grundgesetzlich garantierten Asylgrund«. Mit dieser kreativen Statistikinterpretation blendet er nicht nur alle Formen des rechtlichen Schutzes, mit Ausnahme des deutschen Asylrechts, aus, er macht sich auch eine Argumentation zu eigen, die bis vor kurzem fast nur von der extremen Rechten vertreten wurde.
Richtig ist: Insgesamt 99,7 Prozent aller Syrer*innen, über deren Asylbegehren inhaltlich entschieden wurde, haben einen positiven Schutzstatus erhalten (Stand: Juni 2018). Neben den knapp 3 Prozent, die Asyl gemäß Art. 16a GG erhalten, bekommen rund 40 Prozent Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), den allermeisten übrigen wird ein subsidiärer Schutzstatus zugesprochen. Das spiegelt die Situation deutlicher wider als die zum jetzigen Zeitpunkt absurde Rückkehrdebatte.