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Schmerzen, Scham und Hunger: Die Kartonsammler von Athen
Anerkannte Flüchtlinge kämpfen in Griechenland ums nackte Überleben, denn sie bekommen keine Unterstützung vom Staat. In ihrer Not sammeln viele Müll, verdienen kaum etwas mit der harten Arbeit und werden von der Polizei drangsaliert. Einige haben ihre Geschichten Refugee Support Aegean, der griechischen Partnerorganisation von PRO ASYL, erzählt.
Auf den belebten Straßen von Athen kann man sie jeden Tag sehen, die Kartonsammler, wie sie Karren, Einkaufs- oder Kinderwagen vor sich her schieben, die mit Pappkarton-Stapeln beladen sind. Die Arbeit ist schmutzig und nicht legal. Die Stadtpolizei von Athen geht gegen sie vor, regelmäßig beschlagnahmen Stadtpolizist*innen die Karren, auch Geldstrafen werden verhängt.
Doch um ihr Überleben zu sichern, haben viele anerkannte Flüchtlinge in Griechenland gar keine andere Wahl, als im Müll nach verwertbaren Materialien zu suchen. In Mülltonnen, vor Supermärkten und Geschäften genauso wie auf Wochenmärkten sammeln sie vor allem Pappkartons, um sie an Recyclingunternehmen zu verkaufen. So verdienen sie sich ein paar Euro am Tag.
»Jetzt bin ich ein »Cartonjamkar« geworden, ein Kartonsammler in Europa. Was kann ich tun? Wenn ich arbeite, bringe ich nur so viel Geld nach Hause, dass ich an diesem Tag etwas essen kann. Am nächsten Tag muss ich wieder raus. Gestern wurde unser Wagen gestohlen. Jetzt wissen wir nicht, wie wir unsere Familien ernähren sollen«, berichtete zum Beispiel Majjid den Mitarbeiter*innen von Refugee Support Aegean (RSA), der griechischen Partnerorganisation von PRO ASYL, die mit einigen Kartonsammler*innen in Athen gesprochen haben.
Elend an allen Ecken und Enden
Einen positiven Asylbescheid zu erhalten, sollte für Schutzsuchende eigentlich eine gute Nachricht sein. Nach den Strapazen der Flucht und dem oft jahrelangen bangen Warten signalisiert der positive Bescheid ihnen: »Du bist schutzberechtigt und wir als schutzgewährender Staat sind dafür verantwortlich, dich und deine Rechte zu schützen.« Für Schutzsuchende wie Majjid aber, die in Griechenland eine Anerkennung erhalten, klingt das wie blanker Hohn. Für sie hat ein positiver Bescheid ganz andere Konsequenzen. Der griechische Staat signalisiert ihnen: »Ab jetzt bist du komplett auf dich allein gestellt, von uns als Staat kannst du keinerlei Unterstützung erwarten.«
»Ab jetzt bist du komplett auf dich allein gestellt, von uns als Staat kannst du keinerlei Unterstützung erwarten.«
So müssen Flüchtlinge in Griechenland die staatlichen Lager und Unterkünfte sofort nach Erhalt der Anerkennung verlassen, sämtliche Leistungen werden eingestellt. Sie landen mittellos auf der Straße. Reguläre Leistungen des griechischen Sozialstaats sind an so hohe Voraussetzungen geknüpft, dass nur die wenigsten anerkannten Flüchtlinge sie erhalten können. Einen regulären Job zu finden ist so gut wie aussichtslos: Griechenland hat eine der höchsten Arbeitslosenquoten in der EU.
Spezielle Programme, um Flüchtlinge in Jobs zu bringen, existieren in Griechenland nicht. Ohne Geld können die Menschen auch keine Wohnung mieten. Die Folgen: Obdachlosigkeit und Hunger, es herrscht Elend an allen Ecken und Enden. Dass sich an den katastrophalen Zuständen seit der letzten Stellungnahme von PRO ASYL aus dem Jahr 2021 nichts geändert hat, belegt ein Bericht, den Refugee Support Aegean (RSA) im März 2022 veröffentlicht hat.
Eindeutige Rechtsprechung in Deutschland
Seit 2021 ist sich auch die deutsche Rechtsprechung weitgehend einig, dass die Situation, der anerkannte Flüchtlinge in Griechenland ausgesetzt sind, eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne von Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt. Flüchtlinge dürfen deshalb nicht von Deutschland nach Griechenland zurückgeschickt werden. Gleich fünf Obergerichte haben das inzwischen bestätigt (OVG NRW, Urteile vom 21.01.2021, 11 A 1564/20.A und 11 A 2982/20.A; OVG Niedersachsen, Urteile vom 19.04.2021, 10 LB 244/20 und 10 LB 245/20; OVG Bremen, Urteil vom 16.11.2021, 1 LB 371/21; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.2022, A 4 S 2443/21; OVG Sachsen, Urteil vom 27.4.2022, 5 A 492/21.A).
Einige anerkannte Flüchtlinge haben den Mitarbeiter*innen von RSA berichtet, wie es ihnen ergeht, wenn sie in den Straßen von Athen Müll sammeln. Hier sind ihre Geschichten:
Wali lebt mit seiner eineinhalb Jahre alten Tochter in Athen. Er stammt aus Afghanistan und kam 2018 zusammen mit seiner Frau und seinen vier Kindern mit einem Boot auf der Insel Lesbos an. Sie verbrachten mehrere Monate in dem berüchtigten Lager Moria, ein fünftes Kind wurde auf der Insel geboren. Nach ihrer Anerkennung kamen sie im Sommer 2020 nach Athen und lebten obdachlos auf dem Victoria-Platz. Alle Kinder wurden krank. Da sie keine Möglichkeit sahen, ihre Kinder in Griechenland durchzubringen, mussten die Eltern eine Entscheidung treffen: Walis Frau flog mit vier Kindern nach Deutschland und beantragte dort erneut Asyl. Da die griechischen Behörden der jüngsten Tochter bisher keine Reisedokumente ausgestellt haben, lebt Wali allein mit ihr in Athen. Zeitweise lebte er mit seiner Tochter in einem Zelt, was er irregulär in einem Flüchtlingslager aufbaute. Am 18. März 2022 erzählte er RSA:
»Sie hat jeden Tag nach Muttermilch geweint. Ich versuche, ein kleines Einkommen zu finden, um meine kleine Tochter zu ernähren. Ich laufe von einer Organisation zur anderen, um nach Milch und Windeln zu fragen. Ich habe gelernt, ihr eine Mutter und ein Vater zu sein. Aber die Realität ist, dass ich unseren Lebensunterhalt als Alleinerziehender nicht sichern kann, und alle unsere Kinder brauchen unsere Familie. Ich versuche gerade, mit meiner Tochter in Griechenland zu überleben, indem ich ein paar Tage pro Woche Kartons sammele, bis wir unsere Reisedokumente bekommen. Dann werden wir zu unserer Familie nach Deutschland kommen. Ich habe mit dem Kartonsammeln angefangen, weil wir keine Leistungen mehr erhalten, wir Geld für Lebensmittel brauchen und ich keine andere Arbeit finden konnte. Im Lager hatte ich keine Möglichkeit, Griechisch zu lernen. Ich konnte nicht einmal eine Steuernummer bekommen. Seit sie laufen kann, nehme ich sie manchmal für ein paar Stunden mit zum Karton sammeln. Jetzt lasse ich sie manchmal bei einer befreundeten Familie, damit ich sie nicht überanstrenge. Ich benutze ihren Kinderwagen, um die Kartons, die ich finde, abzulegen. Einen richtigen Wagen habe ich nicht. Ich hatte nie das Geld, einen zu kaufen. Er kostet etwa 250 Euro.
Ich laufe vom Stadtteil Kipseli in Richtung des Stadtteils Omonia und halte an den großen Supermärkten und allen Mülltonnen an. Einige Geschäfte haben Verträge mit Kartonsammlern geschlossen, die ihnen für wenig Geld eine Monopolstellung für die weggeworfenen Kartons geben. Andere Geschäfte verkaufen selbst die Kartons an die Recyclingfirmen. Es gibt viele, die wie ich auf der Suche nach Kartons sind. Ich muss viel laufen und noch mehr suchen. Wenn der Kinderwagen schließlich voll mit Kartons ist, bringe ich sie zu einem anderen Kartonsammler, der einen richtigen Wagen besitzt, und verkaufe sie an ihn. Ich verdiene etwa zehn Euro am Tag. Das ist nicht viel Geld, aber besser als nichts. Mit der humanitären Hilfe allein, die ich gelegentlich von verschiedenen Organisationen erhalte, kann ich meiner Tochter nicht geben, was sie braucht. Ich muss dafür sorgen, dass sie das bekommt, was sie braucht, auch wenn das ein harter Job ist. «
Mariam und Osman stammen ebenfalls aus Afghanistan. Sie kamen Ende 2018 mit ihren fünf Kindern nach Griechenland. Nach einigen Monaten im Lager Moria auf der Insel Lesbos und mehr als zwei Jahren im Lager Volvi in Nordgriechenland wurden sie in eine Wohnung nach Athen verlegt, die sie als anerkannte Flüchtlinge jedoch verlassen müssen. Mariam leidet an Blutarmut und einer Depression, Osman hat seit fast zwei Jahrzehnten eine Herzerkrankung. Anfang 2022 erhielten sie ihre Asylbescheide. Ein anderer Afghane schlug ihnen vor, Kartons zu sammeln, wie sie am 17. März 2022 berichten:
»Wir hatten keine andere Wahl. In Afghanistan war ich Mechaniker. Jetzt bin ich ein Kartonsammler. Ich habe versucht, einen Job zu finden, aber man sagte mir, ich sei zu alt und solle Griechisch sprechen. Also habe ich etwas Geld gespart und wir haben zusammen mit einer anderen Person einen Wagen gekauft. Ich habe ein Herzleiden und die harte und schmutzige Arbeit bringt mich an meine Grenzen, aber was sollen wir tun? Wir müssen unsere Kinder ernähren«, sagt Osman.
Am Anfang sei es für sie sehr schwer gewesen, in der Öffentlichkeit den Müll zu durchsuchen, erklärt Mariam weiter: »Am Anfang sind mein Mann und ich gemeinsam losgezogen, um Kartons zu sammeln. Wir gingen nur nachts von 22 Uhr bis 3 Uhr morgens raus. Wir schämten uns, beim Durchsuchen der Mülltonnen gesehen zu werden. Mein Mann hat sich inzwischen daran gewöhnt. Er sagt, dass Arbeit keine Schande ist. Aber er leidet unter den Arbeitsbedingungen und hat Angst, Probleme mit der Stadtpolizei zu bekommen. Um ehrlich zu sein, schäme ich mich immer noch. Aber ohne dieses kleine Einkommen müssten wir hungern. Mein Mann geht nur noch ein paar Mal pro Woche zur Arbeit, weil sich seine Herzprobleme in letzter Zeit verschlimmert haben. Außerdem hat er Atemprobleme, seit er Kartons sammelt. Er arbeitet nur so lange, wie er es aushält.«
Verzweifelt fährt Mariam fort, ihren Überlebenskampf in der griechischen Hauptstadt zu beschreiben: »An schlechten Tagen kommt mein Mann erst nach 22 Uhr nach Hause. Manchmal gehe ich mit ihm mit, dann gehen wir nach Ladenschluss zum Wochenmarkt, wo wir Kartons und weggeworfenes Obst und Gemüse finden. Wenn wir fertig sind, gehen wir und verkaufen, was wir gesammelt haben. Sie geben uns etwa zehn Cent pro Kilo. Sie können sich vorstellen, dass das kaum reicht, um unsere Familie zu ernähren. Wir müssen uns zusätzlich nach Lebensmittelspenden und kostenlosen Mahlzeiten umsehen. Bald werden sie uns auffordern, unsere Wohnung zu verlassen. Wir werden Ärger mit dem Gericht bekommen, wenn wir bleiben, denn die Organisation, die uns beherbergt, schickt zuerst Drohbriefe und, wenn eine Familie weiterhin im Haus bleibt, geht sie rechtlich gegen sie vor. Wir haben kein Geld für Lebensmittel, wie sollen wir das Geld für eine Wohnung aufbringen? Wir können keine Hilfe von HELIOS [aus EU-Mitteln finanziertes Programm, über das unter bestimmten Voraussetzungen Mietzuschüsse beantragt werden können] erhalten, weil uns das Geld für die ersten Mieten fehlt. Jeden Tag leben wir von einem Tag auf den anderen, ohne zu wissen, was am nächsten Morgen passieren wird.«
Majjid lebt seit drei Jahren mit seiner Frau und drei minderjährigen Kindern in Griechenland. Sie stammen aus Afghanistan. Das Ehepaar und ihr ältestes Kind leiden an gesundheitlichen Folgen einer Bombenexplosion in ihrem Heimatland. Die Familie kam im Sommer 2019 auf Lesbos an. Nach mehr als einem Jahr auf der Insel wurden sie noch während des Asylverfahrens in eine Wohnung in Athen verlegt. Anfang 2022 erhielten sie ihren positiven Asylbescheid. Am 17. März 2022 berichtete Majjid von den Problemen, seine Familie zu ernähren.
»Ich habe versucht, eine andere Arbeit zu finden, aber ich konnte nicht, weil ich kein Griechisch kann. Als wir nach Athen kamen, meldeten meine Frau und ich uns für einen Griechischkurs an, aber einen Monat, nachdem er endlich begonnen hatte, wurde er plötzlich abgebrochen. Man sagte uns, wir sollten auf einen Anruf warten. Auf diesen Anruf warten wir bis heute. Dann schlug ein Freund vor, dass wir gemeinsam einen Wagen kaufen könnten, um Kartons zu sammeln und das Geld zu teilen. Alleine könnten wir uns das nicht leisten. Wir arbeiten vier bis fünf Tage pro Woche, entweder tagsüber ab 6 Uhr morgens oder nachts, dann kommen wir um 3 Uhr morgens zurück. Normalerweise sind wir sechs bis 13 Stunden unterwegs. Da ich Kinder im schulpflichtigen Alter habe, muss ich mittags zu Hause sein. Wir haben unsere eigene Route zwischen meiner Wohnung und der meines Partners. Wir arbeiten so lange, wie wir brauchen, um genügend Kartons zu sammeln. Wenn wir fertig sind, verkaufen wir die gesammelten Kartons an die Recyclingfirma. Sie sortieren die Kartons, die wir mitbringen, nach Qualität. Dann geben sie uns zwischen zwei und 25 Cent pro Kilo, je nach Qualität der Kartons. Dann teilen wir uns die Einnahmen.«
Majjid hat in Afghanistan als Lastwagenfahrer gearbeitet. Dass Menschen gezwungen sind, Kartons zu sammeln, kannte er bisher nur von den Ärmsten der Armen in Afghanistan: »Die Leute, die in Afghanistan Papier sammeln, werden »Koghazjamkar« genannt, was so viel wie Papiersammler bedeutet. Es sind alles arme Leute. Sie haben kein Geld, um Holz oder Gas zu kaufen, um das Essen für ihre Familien zu kochen. Sie haben kein Geld, um ihre Häuser im Winter zu heizen. Manchmal verkaufen sie das Papier an Restaurants und Haushalte, die es zum Feuermachen und Kochen verwenden. Jetzt bin ich ein »Cartonjamkar« geworden, ein Kartonsammler in Europa. Was kann ich tun? Wenn ich arbeite, bringe ich nur so viel Geld nach Hause, dass ich an diesem Tag etwas essen kann. Am nächsten Tag muss ich wieder raus. Gestern wurde unser Wagen gestohlen. Jetzt wissen wir nicht, wie wir unsere Familien ernähren sollen. Wir werden eine andere Person dafür bezahlen müssen, dass sie uns ihren Wagen für eine Weile ausleiht.«
Die Familie muss auch die notwendigen Medikamente für ihr krankes Kind bezahlen und hat Angst, dass sie bald auf der Straße landen: »Wir haben zusätzliche Ausgaben für Medikamente für unseren Sohn, der an Migräne leidet. Allein dafür geben wir rund 30 Euro pro Woche aus. Jetzt, da wir Asyl bekommen haben, hat uns die Organisation, die uns untergebracht hat, gesagt, dass wir unsere Wohnung verlassen müssen. Sie haben uns schon zweimal gedroht. Ich habe versucht, in einem Lager in Athen einen Platz für uns zu finden, aber sie sagten mir, sie könnten uns nicht aufnehmen. Ich werde es in anderen Lagern versuchen. Ich habe mich auch bei HELIOS [aus EU-Mitteln finanziertes Programm, über das unter bestimmten Voraussetzungen Mietzuschüsse beantragt werden können] beworben. Aber sie sagten, wir sollten erst eine Wohnung finden und ihnen den Vertrag vorlegen. Mit viel Mühe habe ich ein paar Wohnungen gefunden, aber für eine so große Familie lagen die Preise alle um die 500 Euro. Die Wohnungsbesitzer wollten zwei Mieten im Voraus, um den Vertrag zu unterschreiben. Wo sollen wir 1.000 Euro hernehmen, wenn wir schon nichts zu essen haben und bald auch noch obdachlos sein werden? «
Roya und Housseyn sind mit ihrer Tochter und der Witwe ihres in Afghanistan getöteten Sohnes sowie deren vier minderjährigen Kindern aus Afghanistan geflohen. Sie leben seit zwei Jahren in Griechenland und haben subsidiären Schutz erhalten. Sie sammeln täglich acht bis zehn Stunden Kartons im Zentrum von Athen. Am 16.März 2022 berichtet Roya von ihrem Schmerz:
»Unser Sohn wurde in Afghanistan getötet. Wir haben schon so viele Gefahren erlebt, und jetzt leiden wir hier in Griechenland. Seit etwa einem Jahr leben wir ohne jegliche staatliche Unterstützung [irregulär] in einem Lager in der Region Athen. Als wir auf der Insel Lesbos den Stempel bekamen, dass wir Asyl erhalten, sagten sie uns direkt, dass wir das Lager Moria verlassen sollen. Seitdem haben wir kein Geld mehr. Wir haben nichts. Mein Mann und ich sind alte Leute. Wir können keine andere Arbeit machen. Wir haben Probleme mit dem Rücken, mit den Knien. Ich habe psychische Probleme und Kopfschmerzen. Diese Arbeit hat uns noch kränker gemacht. Wir hatten schon vorher gesundheitliche Probleme, aber sie haben sich verschlimmert. Wir kämpfen jeden Tag viele Stunden lang, nur um etwas zu essen zu bekommen. Ob dann genug zu essen da ist oder nicht – wir müssen damit klar kommen, mehr gibt es nicht. Die Arbeit ist hart. Jeden Tag gehe ich von einem Geschäft zum anderen und frage nach Kartons. Wir lassen unseren Wagen in der Nähe stehen. Die Kartons, die ich finde, trage ich auf meinem schmerzenden Kopf. Manchmal binde ich sie mit einem Seil zusammen und ziehe sie hinter mir durch die Straßen zu unserem Wagen, wo ich sie auf den Wagen werfe. Das Geld, das wir verdienen, reicht gerade aus, um die Kinder zu ernähren. Wenn wir krank sind, müssen wir im Lager bleiben und wir verdienen nichts. Dann gibt es nichts zu essen.«
Roya erzählt, dass ihr erster Wagen, für den sie lange gespart hatten, gestohlen wurde. Der zweite Wagen wurde von der Stadtpolizei von Athen beschlagnahmt: »Sie sagten: ‚Macht diese Arbeit nicht!‘ Aber was sollen wir essen? Die Regierung sollte uns unterstützen, damit wir nicht gezwungen sind, Kartons zu sammeln. Aber das tut sie nicht, was sollen wir also tun? Ich ging jeden Tag zur Stadtpolizei. Ich kniete vor ihnen nieder und bat sie, uns unseren Wagen zurückzugeben. Wir sind ein altes Ehepaar. Sie sagten: ‚Nein. Gehen Sie weg!‘.«
Mit Tränen in den Augen fasst sie zusammen: „In Afghanistan herrscht Krieg. Menschen sterben. Wir hatten unser eigenes Haus, unser eigenes Leben. Wir hätten unser Land nicht verlassen, wenn wir dort sicher gewesen wären. Ich hoffe auf Frieden in Afghanistan und überall. Ich hoffe das Beste für die junge Generation. Meine einzige Hoffnung für mich ist jetzt, dass ich genug Kartons für meine Familie finde. Diese Kartons bedeuten für mich viel Stress und Schmerz. Aber sie sehen ja, unser einziges Glück ist jetzt, wenn wir ein paar Kartons finden. Denn das ist alles, was wir zum Überleben haben.«
*Namen zum Schutz der Betroffenen geändert.
(RSA, ame, wr)